Freitag, 19. April 2024

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Ausstellung über Einfluss islamischer Denker
Gelungenes Spiel mit alten Klischees

Über Jahrhunderte schaute die westliche Welt bewundernd auf den Orient. Seit die Islamophobie auf dem Vormarsch ist, hat sich der Blick verändert: Statt satter Farben denken viele an Gotteskrieger. Die Londoner Schau "Inspired by The East" will mit diesen Vorurteilen aufräumen.

Sandra Pfister im Gespräch mit Änne Seidel | 12.10.2019
Das Gemälde von John Frederick Lewis aus dem Jahr 1868 (A Memlook Bey, Egypt), zeigt einen Mann (Selbstportrait) mit Turban und Kleidung des Mittleren Ostens.
Eins von vielen Exponaten: Selbstporträt des englischen Malers John Frederick Lewis in einem Gewand aus dem mittleren Osten (picture alliance / dpa)
Die Ausstellung zeige auf sehr eindrückliche Weise, wie fast alle westlichen Künstler und große Teile der Bildungselite die arabische Welt über Jahrhunderte lang bewundert hätten, sagt Dlf-Autorin Sandra Pfister. Der heute zu spürende Keil zwischen Christentum und muslimischer Welt sei also ein relativ junges Phänomen. Die Ausstellung belege diese Verbundenheit durch die Auswahl zahlreicher Exponate: prachtvolle Keramiken, die im Westen repliziert wurden, Beispiele für die islamische Architektur, die Eingang in die Bauweise der westlichen Hemisphäre fanden.
Diskreditierte Haremsbilder und Orientkitsch
Heute empfinde man viele der Bilder, die im 19. Jahrhundert vom Orient entstanden, als "Orientkitsch". Der Orientalismus aus dem 19. Jahrhundert sei aber eine Stilrichtung gewesen, die von der Dominanz der westlichen Künstler immer ausgegangen war. Der US-amerikanisch-palästinensische Literaturtheoretiker Edward Said hat in seiner "Orientalismus"-Studie den als überlegen empfundenen westlichen Blick auf die arabische Welt als einer der ersten kritisiert. "Seither ist bei uns, im Westen, fast alle Kunst diskreditiert, die als orientalisch verstanden werden könnte", so Pfister: Würfelspieler, Schlangenbeschwörer und Haremsbilder gehören seitdem der exotisierten Mottenkiste an. Die Ausstellung spiele auf ironische und gelungene Weise mit diesen alten Klischees.
Selbstbewusster Turbanträger
Die Londoner Ausstellung zeigt auch Bilder, die deutlich machen, dass die Begeisterung vom Westen am Orientalischen "echt" war. Und der Westen blickte vor allem im 16. und im 17. Jahrhundert durchaus angstvoll auf den Orient, vielleicht auch ehrfürchtig: 1529 hatten die Türken zum ersten Mal Wien belagert. Seither wurden sie "von den westlichen Künstlern (...) nicht als Barbaren gesehen". Diese Zuschreibung sei erst später erfolgt. Diese Faszination am Fremden fange auch das Porträt eines bärtigen Turbanträgers von 1580 ein, mit dem das Museum die Ausstellung bewirbt: Gezeigt wird Sultan Bayzid der Erste in einer venezianisch anmutenden Herrschaftspose: Selbstbewusst, wie ein westlicher Herrscher, schaut er den Betrachter an. "Damals, vor 500 Jahren, waren sich die westlichen Herrscher sicher, dass es eine Frage der Zeit sein würde, bis das Osmanische Reich Europa erobern würde. Und die Europäer hatten Respekt vor dieser Macht, aber sie haben sie nicht als barbarisch diskreditiert", so Pfister im Dlf.