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Ausstellung
Weg vom weichgespülten Massen-Industrie-Design

Das Berliner Bröhan-Museum zeigt derzeit die Ausstellung "Schrill Bizarr Brachial. Das Neue Deutsche Design der 80er Jahre". Die Kunstbewegung gilt als eine der letzten großen Kulturleistungen der alten Bundesrepublik.

Von Katrin Kühne | 17.10.2014
    "Das ist ein Objekt eines der Superstars, die aus diesem Neuen Deutschen Design hervorgegangen sind, Jasper Morrison, ein englischer Designer, - der 'Handlebar-Table', zusammengeschraubt aus einem Holzstück, kombiniert mit zwei Fahrradlenkern, der eine ist der Fuß, der andere ist die Stütze der Glasplatte, die dieses Tischchen hält."
    Tobias Hoffmann, Direktor des Berliner Bröhan-Museums, kuratiert die Ausstellung zum "Neuen Deutschen Design der 80er-Jahre".
    Die Kunstbewegung entstand in westdeutschen Großstädten wie Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg und vor allem im ummauerten West-Berlin.
    Jasper Morrison und Andreas Brandolini, damals an der Berliner Hochschule der Künste, haben vor 30 Jahren mit ihren Studenten die Ausstellung "Kaufhaus des Ostens" konzipiert. Der Titel - eine ironische Anspielung auf das berühmte Berliner Luxus-"Kaufhaus des Westens". Aufgabe war, mit simplen Materialien aus dem Baumarkt Objekte zu kreieren wie eben Morrisons Handlebar-Table.
    Man wollte weg vom weichgespülten Massen-Industrie-Design der langwirkenden Nachkriegszeit und seiner rationalen "Guten Form" und zurück zum Unikat.
    "Und da diese 'Linie der Vernunft', auch das ein Begriff für das Deutsche Design, so vorherrschend war, glaube ich, deswegen fiel auch der Abstoßungsprozess des Neuen Deutschen Designs besonders heftig aus. Hier wollte man besonders krass, besonders brachial und bizarr mit dieser 'Linie der Vernunft' brechen."
    In den zehn von der Bühnenbildnerin Katleen Arthen schwarz-weiß ausgestalteten Räumen werden rund 80 der bedeutendsten Entwürfe und Objekte dieser Anti-Ästhetik-Bewegung auf Transport-Paletten präsentiert. Ergänzt werden die Exponate durch Plakate, neonfarbige Zitate und großformatige Fotos, die das Feeling der Künstler in den 80ern wiedergeben und die gegenseitige Befruchtung der Künstler und der verschiedenen Künste aufzeigen: Design, Malerei, Literatur, Musik.
    "Dort ist Volker Albus, der zu dem Zeitpunkt zwischen Düsseldorf und Frankfurt gependelt ist. Der viel auf der Autobahn unterwegs war, deswegen hat er dann hier eine Stele geschaffen, die 'A 59' heißt."
    Die Leuchtstele "A 59" des mit Kraftwerk befreundeten Künstlers ist inspiriert von den Begrenzungspfosten der Autobahn und wird zu einer d e r Inkunabeln der Kunstströmung.
    Von Andreas Brandolini wurde das "Deutsche Wohnzimmer" rekonstruiert, das er für die Documenta 1987 in Kassel schuf und lange selber genutzt hat. Auf seinem Teppich lodert durch das eingewebte Parkett ein Lagerfeuer. Darauf – in rotbraunem Marmor- eine Bratwurst als Couchtisch. Der Fernseher steht auf einem Leder-verkleideten Hocker.
    "Dieser Hocker soll erinnern an den Pony-Kurier im Wilden Westen, der die News brachte, mit Satteltasche links und Satteltasche rechts. Also die News werden von dem Pony-Kurier ins Wohnzimmer getragen."
    Neben der Stil-prägenden Berliner Szene ist auch Kunst der Hamburger Gruppe "Möbel perdu" vertreten. Ihre gleichnamige Ausstellung im Hamburger Kunstgewerbe-Museum 1982 markiert den Beginn der gesamten Bewegung.
    Eine Installation scheint vom Ausstellungsaufbau übrig geblieben zu sein.
    "Das Ganze ist hier das Schlagzeug von Andrew Unruh von den 'Einstürzenden Neubauten' und zu diesem Ensemble gehört auch ein Einkaufswagen."
    Die Band war damals Teil der Berliner Subkultur und experimentierte mit allem Möglichen zur Klangerzeugung, auch mit dem Einkaufswagen. Folgerichtig steht gegenüber die Ikone beziehungsweise die Anti-Ikone der gesamten Bewegung des Neuen Deutschen Designs. Geschaffen vom Berliner Künstler Stiletto.
    "Der Consumer's Lounge Rest Chair, den er Anfang der 80er-Jahre entwickelt hat. Ein Objekt gebaut aus einem Einkaufswagen, den er umgebaut hat zu einem Consumer's Rest."
    Des "Konsumenten Ruhepause" mit seinen zu Lehnen umgebogenen Seiten-Gittern ist garantiert nicht bequem zu be-sitzen.
    Der Bewegung des "Neuen Deutschen Design" war nur eine kurze Blütezeit beschieden – von 1982 bis zur Wende 1989. 25, 30 Jahre danach erscheint die Zeit reif für eine Ausstellung über ihre Künstler, deren Ideenwelt das deutsche Design bis heute entscheidend prägt.
    Info:
    Bröhan-Museum Berlin. Landesmuseum für Jugendstil, Art Deco und Funktionalismus.
    Die Ausstellung läuft bis 1. Februar 2015.
    www.broehan-museum.de