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Ausstellung zum Wave-Gotik-Treffen
Leipzig in Schwarz

In diesem Jahr findet in Leipzig zum 25. Mal das Wave-Gotik-Treffen statt. Das nimmt das Stadtgeschichtliche Museum zum Anlass, einmal tiefer in die Gothic-Szene zu blicken: Es dokumentiert in einer Ausstellung nicht nur die Entstehung der Szene, ihre Kleidung und Musik - auch die Themen Tod, Religion und Sexualität spielen eine zentrale Rolle.

Von Juliane Neubauer | 10.03.2016
    Teilnehmer des Wave-Gotik-Treffens in Leipzig 2015 mit weiß-schwarz geschminktem Gesicht und Hörnern auf dem Kopf.
    Teilnehmer des Wave-Gotik-Treffens in Leipzig 2015. (dpa/picture alliance/Jan Woitas)
    Drei junge Frauen mit dunklem langen Haar, schwarz gekleidet und dunkel gemalten Lippen sitzen rauchend auf der Straße und amüsieren sich. Im Hintergrund sitzt ein älteres Ehepaar, wohlbeleibt, auf seinem Balkon und beäugt kritisch das Treiben auf der Straße. Die Szene wurde fotografiert bei einem der ersten Wave-Gotik-Treffen Anfang der 90er Jahre und ist jetzt zu sehen in der Ausstellung "Leipzig in Schwarz". Kuratorin Johanna Sänger erklärt die Idee:
    "Wir haben uns bemüht, eine Ausstellung zu machen, die nicht nur die Geschichte dieses Festivals nachzeichnet, sondern Einblick in die Szene überhaupt gibt, was sind das für Menschen, die hier als Besucher kommen, was sind das für Menschen, die hinter dem Festival stehen, das organisiert haben, was ist das Gemeinsame an ihnen und was macht sie aus."
    Hilfe aus der Gothic-Szene
    Offensichtlich eint sie die Farbe Schwarz. Für die Anhänger der Szene ein Statement. Für die Trauer über gesellschaftliche Kälte, einen Werteverfall und Unmenschlichkeit. Entstanden ist die Szene Anfang der 80er-Jahre unter Fans von Punk und New Wave.
    "Als wir angefangen haben zu recherchieren, haben wir festgestellt, dass - vielleicht auch weil es ein relativ junges Phänomen ist - hat sich bisher zumindest kein Museum damit beschäftigt. Es gibt manchmal Ausstellungen über den Tod in der Popkultur, aber dass man mal so richtig die schwarze Szene unter die Lupe nimmt, hat bisher noch keiner gemacht."
    Um den Kern des breit gefächerten Phänomens darstellen zu können, holten sich die Kuratoren Hilfe aus der Gothic-Szene. Jennifer Hoffert-Karas entdeckte die Gothic-Kultur in ihrer Jugend für sich, damals lebte sie noch in den USA. 2009 zog sie nach Leipzig. Hier sei die Gesellschaft viel offener, sagt sie. Hoffert-Karas agierte als Verbindung zwischen dem Museum und der Szene:
    "Letzten Sommer fing ich an, mit der Kuratorin lange Diskussionen zu haben. Was ist die Szene, was sind die Hauptthemen, wie breit ist die Szene. Wie viele Sub- Sub- Sub- Genres gibt es, welche Modestile sollten wir, müssen wir zeigen. Und dann mussten wir uns damit beschäftigen, wie bekommen wir die Exponate. Wir müssen Leute finden, die alte Platten aus den 80er/90er hatten. Kleidung von so vielen wie möglichen Stilen."
    Gothic-Kultur hat sich rasant ausdifferenziert
    Die Ausstellung zeigt diverse Outfits, die in den vergangenen 25 Jahren auf dem Wave-Gotik-Treffen getragen wurden. Unter anderem das eines klassischen Goths, für den Robert Smith, Sänger von The Cure, als stilprägend gilt. In der Ausstellung dargestellt mit einem weißen viktorianischen Rüschenhemd, dazu eine orientalisch anmutende schwarze Hose, die an der Wade eng geschnitten ist und einen schwarzen, wild toupierten Irokesenhaarschnitt. Daneben das Outfit eines Cyber Goths. Ein schwarzer langer Rock mit neongelbem Shirt und einer ausladenden Frisur, bestehend aus vielen bunten Zöpfen. Cyber Goths sind eng verbunden mit der Technoszene.
    Blick in die Ausstellung "Leipzig in Schwarz" über das Wave-Gotik-Treffen.
    Blick in die Ausstellung. (dpa/picture alliance/Sebastian Willnow)
    Doch die Gothic-Kultur umfasst nicht nur Musik und Kleidung, sondern auch Literatur, Theater und Kunsthandwerk und hat sich seit ihrer Entstehung rasant ausdifferenziert, sagt Jennifer Hoffert-Karas:
    "Es gibt so viele verschiedene Musik. Von Mittelalter bis Gothic Rock und Cyber und Industrial und auch ein bisschen experimentelle Sachen und was für mich aus den Staaten so ein bisschen fremd war, war Schlagermusik, aber als Gothic bezeichnet, nur weil die Künstler schwarz tragen."
    "Bestimmte Kleidung heißt nicht, dass man rechts ist"
    Auch die Themen Tod, Religion und Sexualität sind eng mit der Schwarzen Szene verknüpft und finden in der Ausstellung ihren Platz. Eine aufwendig gestaltete Liebesschaukel aus Messing, geschweißt von einer Leipziger Künstlerin aus der SM-Szene ist zu sehen. In einer Vitrine werden okkulte Symbole, wie das vorchristliche Pentagramm oder das Petruskreuz, ausgestellt und erklärt. Eigentlich beschreibt sich die Szene als unpolitisch, doch besonders durch die Verwendung nationalsozialistischer Symbole gerät sie immer wieder in die Kritik. Johanna Sänger:
    "Man muss genauer hingucken. Warum tragen die Leute Uniformen, was ist in den Texten der Bands enthalten, weil auch da steckt natürlich der Kern der Grufti-Szene drin, eine kritische Auseinandersetzung mit negativen Begleiterscheinungen der Moderne, also mit Krieg, mit Gewalt, mit den Schattenseiten der Industrialisierung. Und wenn man dann Kleidung trägt, die das irgendwie rüber bringt, heißt das nicht unbedingt das man jetzt gleich rechts ist."
    Andererseits könne man sich als jemand, der rechtes Gedankengut trägt, auch wunderbar damit kostümieren und sich darauf berufen, dass es rein der Ästhetik und Provokation diene. Die Ausstellung zeigt ein T-Shirt, auf dem ein Schriftzug in deutschen Runen zu Sehen ist. Wer die Schrift lesen kann, erkennt die Worte "Fuck Nazis". Die Ausstellung "Leipzig in Schwarz" soll die Leipziger mit der schaurig-schönen Kultur, die sie jährlich um Pfingsten umgibt, vertrauter machen, erklärt Johanna Sänger:
    "Dass man noch mehr Offenheit in der Stadt für die Szene entwickelt, das man sich aber auch kritisch damit auseinandersetzt, wenn man zum Beispiel Typen in Wehrmachtsuniform sieht und dann mal nachfragt, warum macht ihr das und muss das sein, oder warum macht ihr das, erklärt euch doch mal. Es wäre ein guter Effekt, wenn die Szene etwas offener nach außen wird und sich selber positioniert."
    Die Offenheit der Schwarzen Szene gegenüber den "Normalos" zeigt sich in den zahlreichen Leihgaben, die sie dem Museum zur Verfügung gestellt hat. Vielleicht auch, weil die Leipziger die Gothic-Fans Jahr für Jahr in ihrer Stadt offen und freundlich willkommen heißen.