Dienstag, 19. März 2024

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Ausstieg aus dem Klimaabkommen
"Ein moralischer Verlust für Amerika"

Donald Trumps Abkehr vom Pariser Klimaabkommen hat weltweit für Entsetzen gesorgt. Der Politikwissenschaftler Jackson Janes fürchtet, dass Trumps Kurs nicht nur realpolitisch negative Folgen haben wird. Er sagte im Dlf, die USA verlören an Überzeugungskraft, wenn sie sich stur stellten und keine Alternativen aufzeigten.

Jackson Janes im Gespräch mit Mario Dobovisek | 02.06.2017
    Der Politologe und Direktor des US-Instituts für Zeitgenössische Deutsche Studien (AICGS), Jack Janes.
    Der Politologe und Direktor des US-Instituts für Zeitgenössische Deutsche Studien (AICGS), Jackson Janes. (AICGS)
    Mario Dobovisek: Es war die Erkenntnis des vergangenen Gipfelwochenendes, bei dem sich die NATO- und G7-Partner des US-Präsidenten das ein oder andere Mal die Augen rieben und feststellten: Was Donald Trump sagt, müssen wir ernst nehmen. Das gilt auch für das Klimaabkommen von Paris; das will er nun für die USA aufkündigen, getrieben von der Idee, den von Menschen gemachten Klimawandel gebe es nicht und Klimaschutz schade der Wirtschaft. Die USA werden sich zum umweltfreundlichsten Land der Erde entwickeln, sagt Donald Trump. Darüber möchte ich sprechen mit Jackson Janes, Politikwissenschaftler an der Johns Hopkins University in Washington DC, gerade in Deutschland unterwegs. Guten Tag, Herr Janes!
    Jackson Janes: Guten Tag!
    Dobovisek: Wie kann Trump die USA umweltfreundlich machen, wenn nicht mit dem Klimaabkommen?
    Janes: Nun, es ist so: Die wirtschaftlichen Angelegenheiten beziehungsweise die führenden Persönlichkeiten haben zum großen Teil sich eingesetzt für diesen Pariser Kurs, und deswegen werden sie nicht einfach aufhören, ihre Technologie weiterzuentwickeln. Insofern ist das unabhängig von der Aussage von Trump. Aber ich meine, im Prinzip, was er eigentlich gesagt hat, war mehr oder weniger eine politische Aussage, gerichtet an seine treuen Unterstützer und auch eine Schlappe gegen Obama. Im Endeffekt, was für mich eigentlich bleibt, ist nur zu sagen, der Mann hat ein Nullsummenspiel im Kopf, in vielen Hinsichten, aber auch angewandt auf diesen Pariser Kurs.
    "Das ist wirklich ein Rätsel"
    Dobovisek: Was bedeutet das vor allen Dingen vor dem Hintergrund, wem dient der US-Präsident mit dieser Entscheidung, einzig der sterbenden Kohleindustrie?
    Janes: Genau! Das ist natürlich sowieso jetzt beim Absterben und mehr Arbeitsstellen sind entstanden in den letzten Jahren in den sogenannten alternativen Energien, und insofern ist das unumgänglich. Aber wie gesagt, er hat sich gerichtet an die Leute, die ihn ins Weiße Haus getragen haben, und dabei bleibt er bei der Stange, ohne zu wissen, wie er das umsetzen kann.
    Dobovisek: Er fördert die Kohle, fördert das Fracking, das Fracking schadet auch wiederum der Kohle. Wie passt das zusammen? Ist das dieses Nullsummenspiel?
    Janes: Genau. Das ist fast ein "Non-Secretor". Das ist dann wirklich ein Rätsel. Aber abgesehen von all diesen Dingen, ich glaube, das was wichtig ist: Sie wissen, vor einigen Tagen gab es einen Brief von seinem Wirtschaftsmanager im Weißen Haus und von seinem Sicherheitsmann McMasters, und die haben mehr oder weniger behauptet, wir sind nicht in einer globalen Gemeinschaft. Das ist für mich eigentlich sehr bedeutungsvoll, dass man nicht mal anerkennt, dass diese Probleme nur gemeinsam angepackt werden können.
    "Er agiert für die Leute, die ihm zur Seite stehen"
    Dobovisek: Wir haben unter anderem den Bürgermeister von Pittsburgh gehört. Auf den hatte Donald Trump sich ja vorher berufen in seiner Erklärung. Viele Stimmen zum Beispiel aus Kalifornien haben wir gehört. Alle wollen weitermachen mit dem Klimaschutz und den vereinbarten Vorgaben. Wie viel Rückhalt hat denn Donald Trump überhaupt im Moment für diese Entscheidung?
    Janes: Das müssen wir einfach erst mal sehen. Ich meine, es ist insofern wichtig, dass die Kanäle, die Kommunikationskanäle zwischen Europa und gerade Deutschland mit Amerika nicht auf das Weiße Haus irgendwie sich konzentrieren. Wir müssen einfach multidimensional verfahren und sehen, wo diese Interessen bestehen, nicht nur in Kalifornien, auch in Pittsburgh, sonst wo in Amerika, wo man wirklich sieht, dass diese Fortschritte gesehen werden können mit neuen Technologien, neuen Arbeitsstellen. Insofern ist das nicht unisono auf Trump zu konzentrieren.
    Dobovisek: Es gibt gerade aktuelle Umfragen in den USA, nach denen zwei Drittel aller Befragten in den gesamten USA gegen diese Entscheidung sind und für einen Verbleib beim Klimaabkommen. Agiert da Trump gegen den Willen des Volkes?
    Janes: Er agiert für, das sage ich noch mal, diese Leute, die ihm einfach zur Seite stehen. Vielleicht hat er das schon mal so gemacht, dass er meinte, das ist mein Weg wieder in eine zweite Amtszeit. Aber ich fürchte auch, dass er sich täuscht, und ich glaube, er wird doch sehen, dass diejenigen Leute, die führen in der Wirtschaft, genau das Gegenteil behaupten, und es ist nur eine Frage der Zeit, wie sie auf ihn gehen. Und dann, nicht zu vergessen, haben wir übrigens Zwischenwahlen in 2018. Mal sehen, ob das irgendwie ein Maßstab ist, um zu sehen, wie viel Rückhalt er hat.
    "Ich würde keine stumme Stimme erwarten von Europa"
    Dobovisek: Weil auch diese Entscheidung der Wirtschaft am Ende eher schadet als nützt, gerade vor dem Hintergrund der Isolation?
    Janes: Noch mal: Diese Idee, dass wir mehr Arbeitsstellen geschaffen haben in einem Nicht-Kohle-Bereich der Wirtschaft in den letzten Jahren, das wird sich zeigen, und das ist übrigens wichtig für die jeweiligen 50 Gouverneure in den 50 Bundesstaaten bei uns. Das sind insofern handfeste Beweisstücke, was tatsächlich und wirklich produziert wird und nicht nur ein Mittel zum Zweck ist.
    Dobovisek: Jetzt will Trump neu verhandeln, spricht von einem Deal wie für viele Politikbereiche, die er anpacken möchte. Allerdings die Verhandlungspartner auf der anderen Seite des Atlantiks wollen da nicht mitmachen. Das haben sie schon klar gesagt, unter anderem auch Deutschland: Keine neuen Verhandlungen werde es geben. Erpresst er die internationale Staatengemeinschaft oder versucht es zumindest?
    Janes: Ich glaube nicht, dass das möglich ist. Ich glaube auf der einen Seite, dass diejenigen in Europa, die einsehen, dass dies eine Sackgasse für Trump ist, die werden wahrscheinlich schon sagen, wir müssen mit dem verhandeln, wir haben ja keine Wahl. Und im Vergleich zum Beispiel mit Verhandlungen damals mit George W. Bush, das kann doch angehen. Aber die Frage ist, wie lange das dauert, und ich würde nicht unbedingt eine stumme Stimme erwarten von Europa. Ich glaube, die werden schon mal sich engagieren. Aber erst recht jetzt, um zu sagen, es geht anders, Mr. President, und ich glaube, er wird das wahrscheinlich nötigerweise vielleicht einsehen müssen.
    Dobovisek: Könnte sich Trump dann, um in der Sprache der Wirtschaft zu bleiben, am Ende verspekuliert haben?
    Janes: Wollen wir mal hoffen. Aber ich glaube, dass die wirtschaftliche Situation eigentlich maßgeblich für ihn ist. Das hat er als Plattform benutzt, um diese Wahl knapp zu gewinnen, und ich betone noch "knapp". Insofern ist die Frage, kann er liefern aufgrund von dieser Grundlage, die Arbeitsstellen, die er versprochen hat, oder liegen die sonst wo in der Wirtschaft. Und ich vermute, das Zweite ist der Fall.
    "Das ist ein steiniger Weg für Mr. President"
    Dobovisek: Die wirtschaftliche Situation ist das eine. Die geopolitische Frage noch mal ein ganz anderer Aspekt. Wir können gerade in Brüssel beim EU-China-Gipfel beobachten, wie sich Peking im Klimaschutz zum globalen Player aufschwingt. Wirtschaftlich ist China es ohnehin schon. Verlieren die USA geopolitisch an Bedeutung?
    Janes: Ich glaube, das Problem ist, diese Klima-Auseinandersetzung wird sich irgendwo schon mal mit mehreren Gesprächen nach wie vor weiterentwickeln. Was mir ein bisschen auf die Nerven geht ist, wir verlieren eigentlich unsere eigene Überzeugungskraft, wenn wir weiterhin so stur dastehen und nicht irgendwelche Alternativen auf die Beine stellen. Das ist, glaube ich, ein Verlust und es schafft ein Vakuum für manche anderen, die andere Interessen haben und davon profitieren könnten. Insofern ist es fast ein moralischer Verlust für Amerika, wenn man nicht sagt, wir führen mit euch und nicht gegen euch.
    Dobovisek: Letzte Frage zum Schluss, eine ganz formelle Frage: Kann Trump überhaupt alleine über das Aus des Klimaabkommens entscheiden? Braucht er dazu das Parlament?
    Janes: Na ja, es dauert noch einige Zeit, wirklich zwei bis drei Jahre, und es gibt ja genügend Widerstände im Kongress, um irgendwie vielleicht den Ausgleich zu erzielen zwischen jetzt und 2020. Aber ich sage nicht, das ist lediglich die demokratische Seite, die damit beschäftigt ist, sondern es gibt eine ganze Menge republikanische Senatoren und Abgeordnete, die genau wissen, was es bedeutet, wenn man wirtschaftlich stagniert. Insofern glaube ich schon, dass das ein steiniger Weg ist für Mr. President.
    Dobovisek: Jackson Janes, Politikwissenschaftler an der Johns Hopkins University in Washington. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
    Janes: Gern geschehen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.