Freitag, 29. März 2024

Archiv


Ausweg oder Holzweg

Kann eine Wende hin zu einer biologisch-bäuerlichen Produktionsweise ein Mittel sein, künftige Skandale zu verhindern? Darüber streiten Helmut Born, Generalsekretär des Bauernverbandes, und Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft.

Helmut Born und Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf im Gespräch mit Jasper Barenberg | 21.01.2011
    Jasper Barenberg: Eine große, eine machtvolle Demonstration soll es morgen werden in Berlin, gegen Gentechnik, gegen Tierfabriken, gegen Dumping-Exporte. Dahinter steht ein Bündnis aus Bauern-, Umwelt- und Entwicklungsverbänden, 120 insgesamt. 50 Busse sind gemietet, bis zu 10.000 Teilnehmer werden erwartet in Berlin. Der Schlachtruf, "Wir haben es satt!", ein Aufruf zur Umkehr in der Landwirtschaftspolitik also. Ist das der Ausweg oder ist es doch ein Holzweg? Die Meinungen darüber gehen weit auseinander.
    Welche Landwirtschaft brauchen wir also? - Zu einem Gespräch darüber begrüße ich zum einen Helmut Born, den Generalsekretär des Bauernverbandes. Einen schönen guten Morgen.

    Helmut Born: Guten Morgen, Herr Barenberg.

    Barenberg: Und in der anderen Leitung ist Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL). Einen schönen guten Morgen auch Ihnen.

    Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf: Guten Morgen!

    Barenberg: Herr Born, wendet sich die Bevölkerung von ihren Ernährern ab in diesen Tagen?

    Born: Nein, das tut sie nicht, denn wir sind überzeugt davon, dass wir den Verbrauchern nicht nur preiswerte, sondern auch sichere Produkte liefern. Und bleiben wir beim Dioxin: Dioxin ist ein Umweltgift. Weder ein Ökolandwirt, noch ein konventionell wirtschaftender Landwirt produziert Dioxin. Dagegen müssen wir uns schützen und dagegen treten die Bauern auch gegenwärtig an.

    Barenberg: Herr Graefe zu Baringdorf, die These ist, Bio ist genauso gesund oder ungesund, wie es konventionell erzeugte Produkte sind. Sind Sie da auch der Meinung?

    Graefe zu Baringdorf: Na ja, diesmal haben wir kein Dioxin in Bioeiern gefunden. Und wenn Sie sagen, ob sich die Verbraucher von ihren Erzeugern abwenden? - Nein, sie wenden sich diesen Erzeugern zu, wo sie sicher sein können. Richtig ist, wenn ein Biohuhn mit Dioxin gefüttert wird, hat es auch ein Biodioxinei. Aber die kriminellen Hasardeure gehen nicht in den Biobereich, weil dort eine stärkere Nachfrage und Verantwortungskultur herrscht als in dem agrarindustriellen Bereich, und es ist nicht so anonym wie dort.

    Barenberg: Die These ist ja, Herr Graefe zu Baringdorf, dass es ein Fehler im System ist. Würden Sie das sagen?

    Graefe zu Baringdorf: Na ja, es ist ein Fehler im System, weil in allen Stufen die Verantwortung nicht für die nächste Stufe übernommen wird, sondern jeder versucht, seinen Schnitt zu machen, und das ging jetzt so weit, dass seriöse Futtermittelfirmen mit diesen kriminellen Hasardeuren Geschäfte machten. Da wollen sie zwar jetzt im Moment nichts davon wissen, keiner will seinen Namen mit diesen Hasardeuren in Verbindung bringen, aber die Geschäfte sind gemacht worden, sonst hätten wir das Dioxin nicht im Futter.

    Barenberg: Herr Born, einige wenige schwarze Schafe, das ist die eine Sicht der Dinge. Die andere ist, wie schon angesprochen, dass es um grundsätzliche Fragen der Nahrungsmittelproduktion geht.

    Born: Es geht erst einmal darum: Bauern produzieren mit Boden, Luft und Wasser. Graefe zu Baringdorf hat ja gerade gesagt, diesmal war es Dioxin im konventionellen Bereich. Wir haben zweimal Dioxinfälle auch im Biobereich gehabt, und das kommt schlicht und einfach daher: Auch Biotiere sind draußen. Wir hatten Dioxin aus den Müllverbrennungsanlagen, wir hatten es aus industriellen Prozessen, aber jetzt außerhalb der Landwirtschaft. Und was wir jetzt machen müssen, aus diesem Fall heraus noch einmal, die Quellen verstopfen, völlig egal ob konventionell oder biologisch wirtschaften. Ich bleibe dabei: Wir müssen auf beiden Seiten Sicherheit transportieren. Wir produzieren in offenen Systemen, alles anders als in einer Industrieanlage mit einem Dach darüber. Wir müssen sehen, dass das, was von außen in die Landwirtschaft hereinrauscht, aufhört und dass wir diese Quellen stopfen, und da sind wir dran.

    Graefe zu Baringdorf: Na ja, aber es rauscht nicht einfach von außen herein, Herr Born, und es geht auch nicht um Dioxin, was in der Natur zu finden ist, sondern es geht um Öle, die in ihrem Gebrauch Dioxin entwickelt haben und die von kriminellen Elementen mit anderen Ölen verschnitten wurden, damit sie unter die Höchstgrenze fielen, und die sind dann von den seriösen Firmen aufgekauft worden. Und auch diese Gleichsetzung mit industrieller Produktion und Bio klappt nicht.

    Born: Da bin ich ja bei Ihnen, Herr Graefe zu Baringdorf, aber das gilt für den Futtermittelhersteller für den ökologischen Bereich genauso wie für den konventionellen.

    Graefe zu Baringdorf: Na ja, aber Sie können nicht darüber hinwegtäuschen, dass jetzt ...

    Born: Die Produktionsabläufe auf beiden Seiten sind gleich! Sie tun immer so, als sei das im ökologischen Bereich anders; es ist genauso! Und noch mal: Wir vertreten beide Seiten und auf beiden Seiten muss der Eintrag gestoppt werden, und das müssen wir den Verbrauchern vermitteln und das tun wir hier.

    Graefe zu Baringdorf: Aber Sie stehen für Industrieinteressen und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft steht für eine ökologisch-bäuerliche Landwirtschaft. Das sind zwei verschiedene Interessenlagen. Und wenn Sie weiterhin die Interessenlage der Industrie vertreten, dann kommt es immer wieder zu dieser Diskrepanz.

    Born: Wir haben 350.000 Mitglieder, und das sind Bauernfamilien. Die reichen vom kleinen Nebenerwerbsbetrieb bis eben zur Agrargenossenschaft in den neuen Ländern. Überall sind Menschen unterwegs, und die versuchen - und das traue ich jedem Landwirt zu, egal im kleinen wie im großen Betrieb -, dass er gesunde Lebensmittel liefert und liefern will, und da sollten wir die Bauern bestärken und nicht beschimpfen.

    Graefe zu Baringdorf: Aber die jetzt mit diesen kriminellen Elementen, Hasardeuren gehandelt haben, sind auch Menschen, und sie haben es getan, weil sie dort einen Schnitt machen konnten, und haben den Schaden, den sie bei den Verbrauchern und Verbraucherinnen und aber auch bei den Bauern und Bäuerinnen anrichten, hinten angestellt, und jetzt haben die die Zeche zu zahlen.

    Barenberg: Herr Graefe zu Baringdorf, ist denn das Produkt aus einem Biobetrieb, ist das Produkt aus einem kleinen, mittleren bäuerlichen Betrieb per se von besserer Qualität?

    Graefe zu Baringdorf: Ja, es ist von besserer Qualität, weil die Leute nicht nur eine Endqualität wollen, sondern eine Prozessqualität. Jemandem, der nicht will, dass ein Huhn im Käfig sitzt, dem können sie die Eier schenken, die will er nicht haben, weil er morgens am Frühstückstisch sitzt und an das eingesperrte Huhn denkt, und dann schmeckt ihm das Ei nicht mehr. Und es sind viele andere Begriffe wie "fair gehandelt", "regional gehandelt", "bäuerlich-ökologisch", die für die Verbraucher und Verbraucherinnen eine immer größere Rolle spielen und sie wollen die industrielle Produktion nicht mehr.

    Barenberg: Herr Born, überzeugt Sie das nicht?

    Born: Nein, das überzeugt mich überhaupt nicht, weil das ist einfach so ein Kampfbegriff, "industrielle Produktion". Wir haben, ich sage es noch mal, in der Geflügelhaltung, in der Mastschweinehaltung, in der Rinderhaltung Bauern, die für ihre Tiere Verantwortung tragen. Und Sie haben es ja in der Anmoderation gesagt! Ob ich 1000 Hühner oder 10.000 dort habe, ...

    Graefe zu Baringdorf: Ja, das sagt Herr Sonnleitner. Das ist aber nicht richtig.

    Born: Nein! Das sage ich für die Bauern, die in Deutschland produzieren. Beide, beide müssen für die Sicherheit geradestehen, und man kann doch nicht einfach sagen, weil ich jetzt zehn kleinere habe, ist die Sicherheit anders als bei einem, der dann 10.000 Hühner hat. Noch mal: Sicherheit ist unteilbar, und das fordern wir ein, und da bin ich ja bei Ihnen, Herr Graefe zu Baringdorf. Wenn wir dort feststellen, da ist eine Schwachstelle bei dem Mischfutterfett, ...

    Graefe zu Baringdorf: Das hatten wir jetzt!

    Born: ... dann gehört das raus und dann ist es völlig egal, ob das in den konventionellen, oder in den ökologischen Bereich geht, und diese Leute gehören nicht nur jetzt wirklich vor den Kadi, sondern die gehören eingesperrt. So was macht das Image sowohl für den konventionellen wie für den ökologischen Landbau kaputt, und da müssen wir gemeinsam antreten.

    Barenberg: Meine Herren, wenn sie beide reden, versteht niemand was. Deswegen würde ich einen letzten Aspekt noch ansprechen, und das ist die europäische Agrarpolitik. Dort soll es Veränderungen geben bei den rund 60 Milliarden Euro an finanziellen Hilfen zugunsten von kleinen Betrieben, zugunsten von mehr Umweltschutz, von mehr Tierschutz. Richtig?

    Graefe zu Baringdorf: Ja, das ist richtig. Es geht aber nicht so sehr um die kleineren Betriebe, sondern es geht um die Wirtschaftsweise, um eine bäuerliche Wirtschaftsweise. Das kann man auch in größeren Betrieben haben. Der neue Kommissar will den Forderungen, die von der ABL kommen und von anderen Nichtregierungsorganisationen, nachkommen, und der Bauernverband setzt dem ein Weiter-so entgegen.

    Barenberg: Herr Born?

    Born: Also, wir haben in Deutschland ein System, was die ökologische Landwirtschaft ein Drittel besserstellt in der Unterstützung als die konventionelle. Dieses wollen wir erhalten und deshalb kämpfen wir dafür, dass von Ciolos nicht das, was wir mit Renate Künast hier durchgesetzt haben, mit Deutschland, jetzt wieder kaputt gemacht wird. Und Herr Graefe dreht das immer komplett herum. Wir haben eine gegrünte Landwirtschaft, Landwirtschaftspolitik, und die wird von Bauern getragen, und das wollen wir auch künftig haben.

    Graefe zu Baringdorf: Nein, Sie wollen nicht die gegrünte Landwirtschaft erhalten, sondern Sie wollen die industrielle erhalten und Sie wollen, dass rationalisierte Großbetriebe je Arbeitsplatz 120.000 bekommen und ein bäuerlicher Betrieb bloß 10.000 je Arbeitskraft. Da ist nun nichts dran zu drehen, Herr Born.

    Born: Lieber Herr Graefe, nur in Deutschland bekommt das Grünland, was ganz wichtig ist im ökologischen Sinne.

    Graefe zu Baringdorf: Dafür haben wir gesorgt, aber der Bauernverband, Sie selbst, war massiv dagegen, dass das eingeführt wurde.

    Born: Hören Sie mir zu! Und in dem Ciolos-Vorschlag wird das wieder kaputt gemacht, und das lassen wir nicht zu, und deshalb kämpfen wir für eine wirklich gute Unterstützung der ökologischen Landwirtschaft. Das, was in dem Ciolos-Vorschlag drinsteckt, stellt die deutschen ökologischen Betriebe schlechter, und das wollen wir verhindern.

    Barenberg: Und ich bedanke mich. An dieser Stelle muss ich leider einen Punkt machen. - Ich bedanke mich ganz herzlich bei Helmut Born, dem Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, und auch bei Ihnen, Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf - tut mir leid, viel mehr Zeit haben wir leider nicht -, von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Danke Ihnen beiden!