Dienstag, 23. April 2024

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Autobiografie einer Star-Produzentin
Wie sich Regina Ziegler gegen Männer durchboxte

Emmy, Lola, Bundesfilmpreis - Regina Ziegler ist die erfolgreichste deutsche Filmproduzentin. Sie arbeitet seit mehr als 40 Jahren in einer Männerdomäne und hat nicht vor aufzuhören. Nach ihrem Erfolgsrezept befragt, sagte sie im Dlf: "Männer erst mal wissen lassen, dass ich ihnen nicht weh tue".

Regina Ziegler im Gespräch mit Susanne Luerweg | 09.10.2017
    Gut gelaunt - Regina Ziegler während der Dreharbeiten zur vierten Staffel der ARD-Serie "Weissensee"
    Gut gelaunt - Regina Ziegler während der Dreharbeiten zur vierten Staffel der ARD-Serie "Weissensee" (picture-alliance / dpa / Jens Kalaene)
    Susanne Luerweg. "Filmproduzenten müssen eine Mischung aus einer Art Trüffelschwein und Finanzjongleur sein." Ein Zitat der wohl erfolgreichsten deutschen Filmproduzentin Regina Ziegler, die diesen Beruf ergriffen hat, als es ihn eigentlich noch gar nicht gab - zumindest nicht für Frauen. Seit mehr als 40 Jahren produziert sie Kino-und Fernsehfilme sowie anspruchsvolle horizontal erzählte Serien und Krimireihen. Für ihre Arbeit hat sie alle erdenklichen Preise gewonnen, unter anderem die Ehren-Lola und einen Emmy. 2006 widmete ihr das Moma in New York eine Retrospektive. Ein Leben wie ein Traum, könnte man meinen. Nun hat sie ihr Leben aufgeschrieben. Am 9. Oktober erscheint ihre Autobiographie "Geht nicht, gibt's nicht". Regina Ziegler begrüße ich am Telefon. Schönen guten Tag, Frau Ziegler.
    Regina Ziegler: Hallo, guten Tag!
    Luerweg: Frau Ziegler, Sie waren die erste ihrer Art und wurden belächelt - vor allem von den Männern. Und heute sind Sie erfolgreicher als alle männlichen Filmproduzenten in Deutschland. Wie viel Genugtuung verschafft Ihnen das so?
    Ziegler: Also ich hab gute Laune jeden Tag und ich finde, dass das auch viele Kolleginnen und Frauen, die auch in anderen Berufen sind, motivieren sollte, dass man den Weg schaffen kann, dass man auch mit Männern in einer bestimmten Weise umgehen muss, zum Beispiel - ich verrate mal so ein bisschen mein Rezept - als ich angefangen habe, da habe ich die Männer erst mal wissen lassen, dass ich ihnen nicht weh tue, dass ich ihnen auch nichts antue. Und dann habe ich versucht, ihnen zu vermitteln, dass sie die Tollsten sind und die besten Projekte haben und unheimlich professionell sind und so weiter. Und dann haben die gar nicht gemerkt, dass ich auf einmal dann die Aufträge auch hatte und dass ich auf Augenhöhe stand, und dann konnten die auch nicht mehr zurück - und das fand ich ganz in Ordnung.
    "Der Billy lachte nur so in sich hinein"
    Luerweg: Der Titel Ihres Buches heißt "Geht nicht, gibt's nicht", aber so hin und wieder mussten sie doch sagen: Geht nicht. Also beispielsweise erzählen Sie, dass Billy Wilder, der hat nur müde gelächelt angesichts der Honorare, die Sie ihm zahlen wollten. Das war nicht Hollywoodniveau, da hat er gesagt: "Mach' ich nicht mit".
    Ziegler: Ja, aber Sie dürfen nicht vergessen, das war zu einem Zeitpunkt da war ich 31, das erste Mal überhaupt in Hollywood und habe gleich einen Termin bei dem berühmten Billy Wilder gekriegt und dann habe ich, weil ich ihn so verehrte, gesagt, ich würde so gerne mal mit Ihnen produzieren. Und dann hat er gesagt: "Na klar, das machen wir, was haben Sie denn so für ein Budget?" Ich hatte damals mal grade "Ich dachte, ich wäre tot" für 150.000 DM produziert und habe aus dem tiefsten Herzen gedacht, jetzt sage ich mal was ganz Besonderes und sage: "Na ja, so sieben bis acht Millionen." Und der Billy lachte so in sich hinein und sagte: "Na Mädchen, da musst du ganz schön sparen, das ist das Geld, was ich und mein Team kriegen." Aber ich fand das einfach so ein Erlebnis, das mich unheimlich angespornt hat, auch in Hollywood Fuß zu fassen mit Arbeit.
    Wir haben noch länger mit Regina Ziegler gesprochen - hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
    Luerweg: Für Hollywood haben Sie gearbeitet: Sie haben überhaupt alles mögliche gemacht. Und immer wieder das Anspruchsvolle mit dem Seichten verbunden. Muss man das so machen, so eine Mischkalkulation: das Anspruchsvolle durch leichtere Unterhaltung finanzieren?
    Ziegler: Naja, wie soll es sonst gehen? Das Anspruchsvolle wird immer nur mit Eigenmitteln des Produzenten finanziert, wenn Sie eine Förderung erreichen wollen, müssen Sie den Eigenanteil des Produzenten darstellen. Wir haben hier - die Firma Ziegler besteht ja aus zwei Gesellschafterinnen, das ist die Tanja Ziegler, die auch eine tolle Produzentin ist und weiß, was sie will, und natürlich aus mir - und wir haben natürlich auch viele Mitarbeiterinnen - wir sind ja fast eine Frauenfirma, wir haben natürlich auch ein paar tolle Mitarbeiter -, die am Ende des Jahres oder jeden Monat auch ihre monatlichen Gehälter bekommen müssen. Und die können Sie mit Filmen, wo Sie Geld investieren müssen, nicht erreichen. Da muss man schon auch Fernsehauftragsproduktionen machen, die ja nicht unbedingt seicht sein müssen, aber ich bin dafür - und ich selber lasse mich gerne unterhalten und unterhalte übrigens auch ganz gerne, ich hoffe jetzt auch -, dass man natürlich auch unterhaltende Filme macht, die müssen auch nicht gleich seicht sein, nur mal so gesagt.
    "Die Wiedergeburt von Henri Quatre wird passieren, da bin ich überzeugt"
    Luerweg: Es heißt ja immer, wenn man ein Projekt mit ganz viel Herzblut verfolgt, dann hat das auch Erfolg oder dann macht das Sinn. Ihr Herzblutprojekt ist, glaube ich, "Henri Quatre" gewesen nach dem Buch von Heinrich Mann, das haben Sie verfilmt, ins Kino gebracht und das war nicht ganz so erfolgreich aber - so im Nachhinein - Sie sagen immer: Das ist mein Vermächtnis.
    Ziegler: Ja, das wird auch so kommen! Ich habe die Erfahrung gemacht mit dem Film "Kamikaze '89", der Film wurde in Amerika sehr gelobt, Fassbinder spielt die Hauptrolle in einem Leopardenkostüm, und es ist eigentlich ein Science-Fiction-Film, den haben wir Anfang der 80er-Jahre gemacht. Und der ist jetzt in Amerika, nachdem er im Lincoln-Center vorgeführt wurde, von einem Verleiher entdeckt worden im letzten Jahr und kam mit einem riesen Erfolg ins Kino und hat unglaubliche Kritiken bekommen, wie "the most weird movie we have seen in New York" und "Meisterwerk" und ich weiß nicht was. Und so stelle ich mir auch irgendwann die Wiedergeburt von "Henri Quatre" vor, und die wird passieren, da bin ich überzeugt. Und wenn ich sie erleben darf, gerne, ich will ja 100 werden - und wenn es nicht so ist, dann hoffe ich darauf, dass es so sein wird.
    Mit Netflix im Gespräch
    Luerweg: Wo auch immer der dann wiederbelebt wird, denn im deutschen Fernsehen vermutlich nicht, denn gerade kursieren Gerüchte, RTL, Sat 1, denen geht's furchtbar schlecht, Sie arbeiten meistens für die Öffentlich-Rechtlichen. Hat das Fernsehen noch eine Zukunft oder müssen Sie nicht langsam mal gucken, dass Sie eine Serie für einen Seriendienst wie Netflix produzieren?
    Ziegler: Nein, das eine schließt ja das andere nicht aus. Ich arbeite gerne für ARD und ZDF. Und was Netflix betrifft habe ich natürlich eine wunderbare Begegnung gehabt bei den Filmfestspielen, da hatte der European Producers Club die Produzenten, also seine Mitglieder, eingeladen, die Entscheider von Netflix auf einen Drink zu treffen, im Stehen, so ein Stehempfang. Und da Netflix ja schon meine Erfolgsserie "Weissensee", alle drei Staffeln, gezeigt hat - die vierte Staffel "Weissensee" kommt übrigens im Frühjahr zur Ausstrahlung, haben wir gerade abgedreht -, habe ich mich erkundigt: "Wer ist denn hier der Oberboss?" Und da wurde mir gesagt: "Brian Pearson."
    Dann habe ich da angestanden, weil jeder Produzent kriegte so zwei, drei Minuten Gesprächszeit und habe gewartet, bis ich drankam, dann habe ich mich vorgestellt und habe gesagt: "Ich bin die Produzentin von "Weissensee". Da ist er mir um den Hals gesprungen und hat gesagt: "Das ist ja ganz toll, dass ich Sie kennenlerne!" Inzwischen sind wir auch über ein Projekt im Gespräch - hab gerade eine tolle Mail gekriegt.
    Luerweg: Also Pause gibt's nicht.
    Ziegler: Nee, wo, wieso?
    Luerweg: Die Filmproduzentin Regina Ziegler über Ihr Leben - und das hat sie aufgeschrieben im Buch "Geht nicht, gibt's nicht" und das Buch ist erschienen im Bertelsmann Verlag. Frau Ziegler, vielen Dank für das Gespräch - und auf die 100.
    Ziegler: Ja! Gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Regina Ziegler: "Geht nicht gibt's nicht!: Autobiografie"
    Bertelsmann Verlag, München 2017. 352 Seiten, 22 Euro.