Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Autoexperte zur Pötsch-Wahl
"VW nimmt die Aufklärung nicht ernst"

Den bisherigen VW-Finanzchef Hans Dieter Pötsch zum VW-Aufsichtsratsvorsitzenden zu machen, zeige, dass der Autobauer die Aufklärung des Diesel-Skandals nicht ernstnehme, sagte Ferdinand Dudenhöffer im DLF. VW werde von der Familie Porsche-Piëch nach Gutsherrenart geführt und sei ein Machtgebilde, das nicht kontrollierbar sei, kritisierte der Autoexperte weiter.

Ferdinand Dudenhöffer im Gespräch mit Gerd Breker | 07.10.2015
    Der neue Aufsichtsratschef Hans Dieter Poetsch und der ehemalige VW-Chef Martin Winterkorn waren beide Manager während der Motorenmanipulationen bei VW.
    Der neue Aufsichtsratschef Hans Dieter Poetsch (li.)und der ehemalige VW-Chef Martin Winterkorn waren beide Manager während der Motorenmanipulationen bei VW. (imago/IPON)
    Gerd Breker: Wir haben es gerade gehört: Der krisengeschüttelte Volkswagen-Konzern hat wichtige Posten neu besetzt. Der Aufsichtsrat wählte heute den bisherigen Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch zum neuen Vorsitzenden des Kontrollgremiums, allerdings mithilfe des Amtsgerichts.
    Am Telefon sind wir nun verbunden mit Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte von der Universität Essen-Duisburg. Guten Abend, Herr Dudenhöffer.
    Ferdinand Dudenhöffer: Schönen guten Abend.
    Breker: Der Österreicher Hans Dieter Pötsch soll also Europas größten Autobauer Volkswagen aus der schwersten Krise der Unternehmensgeschichte führen. Doch bei seiner Wahl, da ging nicht alles mit rechten Dingen zu. Ein Amtsgericht musste helfen. Ist das ein gutes Signal?
    Dudenhöffer: Nach meiner Einschätzung ein sehr schlechtes Signal, denn in der größten Krise, die dieser Konzern hatte, sollte man von außen die Dinge neu besetzen und nicht Manager, die zwölf Jahre als Finanzchef bei VW alle Entscheidungen mitgetragen haben, auch die Entscheidungen für diesen Motor EA189 mit elf Millionen Rückrufen oder beschädigten Fahrzeugen. Diesen Finanzchef jetzt zum Oberaufseher zu machen über Gerichtsurteile, die Aktionäre links liegen zu lassen, keine Hauptversammlung zu machen, ist nach meiner Einschätzung ein Zeichen dafür, dass man es mit der Aufklärung wirklich nicht so ernst nimmt, wie man immer behauptet.
    Breker: Hans Dieter Pötsch, Sie sagen es, ist ein Repräsentant der alten Führung, und wenn wir uns mal anschauen, wie die Begründungen für die Manipulationen sich angehört haben, dann hieß es doch, man habe unter den Finanzvorgaben und den ökologischen Anforderungen die Abgaswerte nicht anders als durch Manipulation erreichen können. Das heißt, auch da haben schon die Finanzen, der Finanzrahmen eine wichtige Rolle gespielt.
    Dudenhöffer: Selbstverständlich. Alle Entscheidungen, größere Entscheidungen, die mit Investitionen zu tun haben, die werden in jedem Unternehmen, so auch bei VW von der Finanzabteilung gecheckt, gegengerechnet, geprüft, und der Finanzabteilung stand ja Hans Dieter Pötsch zwölf Jahre vor. Das heißt, er kennt alle diese Dinge, er kennt alle diese Investitionsentscheidungen, er hat sie mit getroffen im Vorstand und damit wenig hinterfragt in der Vergangenheit, warum das denn möglich sein sollte, so preisgünstig nach Amerika zu gehen, nachdem die ersten Aussagen der Ingenieure sicherlich die waren, dass man die strengen amerikanischen Abgasnormen nur mit diesen sogenannten SCR-Katalysatoren erreichen kann. Also viele Fragen hinter Pötsch, auf der einen Seite durch seine Vergangenheit und auf der anderen Seite dadurch, dass er nach meiner Einschätzung es versäumt hat, seine Aktionäre auf diese großen Risiken hinzuweisen. Das heißt, auch hier stehen Aktionärsklagen ins Haus.
    VW hat eine merkwürdige Unternehmenskultur
    Breker: Als Aufsichtsratsvorsitzender, der er ja werden soll, ist er nun der oberste Aufseher und oberste Aufklärer. Aber wenn er das wirklich lückenlos aufklären will, dann muss er auch sein eigenes Handeln unter die Lupe nehmen und gegebenenfalls sich selbst kontrollieren. Merkwürdig?
    Dudenhöffer: Ja, das ist sehr merkwürdig. Insgesamt hat man bei VW ja eine Kultur, die merkwürdig ist, aber diese Kultur, die kommt aus diesem System VW, die immer wieder diese Skandale seit mehr als zehn Jahren hervorbringt, egal ob es der Sexskandal war mit den Betriebsräten, ob es die Tatsache war, dass diese Porsche-Übernahme alles andere als vorbildlich war, ob es die Tatsache war, dass man den Aufsichtsratsvorsitzenden Piëch vom Hof gejagt hat. Alles Merkwürdigkeiten, die bei einem normalen Unternehmen in der Weise nicht vorkommen, und sie hängen damit zusammen, dass man bei VW ein Machtgebilde hat, was nicht kontrollierbar ist. 20 Prozent Landesbeteiligung, dann eine Mitbestimmung plus ein VW-Gesetz, das ist ein Gebräu, bei dem der Betriebsratsvorsitzende die mächtige Person ist und bei dem man versucht, dann die Vorzugsaktionäre ruhigzustellen und mit der Familie Porsche-Piëch im Prinzip nach Gutsherrenart das Weltunternehmen VW leiten will.
    VW ist nicht demokratisch strukturiert
    Breker: Herr Dudenhöffer, Sie haben von dem Klima bei VW gesprochen. Beobachter geben auch einem Klima der Angst, das bei VW geherrscht haben soll, eine Mitschuld daran, dass diese Manipulationen so lange unterm Teppich geblieben sind.
    Dudenhöffer: Da glaube ich auch dran. VW ist ein Unternehmen, was äußerst autoritär geführt worden ist in den letzten zehn, 15 Jahren - fing an mit Herrn Piëch, der ja Angst und Schrecken, so hört man es oft, unter den Mitarbeitern verbreitet hat und damit regiert hat. Winterkorn, sein Ziehsohn, hat diese Kultur weiter fortgesetzt, gepflegt und letztendlich ist so eine Kultur, so eine Unternehmenskultur immer der Ausdruck der Struktur, die ein Unternehmen hat. Dieses Unternehmen ist eben nicht demokratisch wie andere Unternehmen strukturiert, sodass Aktionäre im Unternehmen und die Mitarbeiter gleichberechtigt sind, sondern durch dieses seltsame Struktur-VW-Gesetz, 20 Prozent Landesbesitz plus Mitbestimmung, kommt man in ein Geflecht, wo Politik um den Kirchturm gemacht wird, wo Strukturen zementiert werden, wo man sich wenig wettbewerbsfähig aufstellen kann, und dann suchen sich im Weltmarktgeschäft, wenn die Margen schlecht sind, Überlaufventile ihren Weg und diese Überlaufventile sind die Skandale, die wir bei VW seit Jahren beobachten. Also das System muss geändert werden. Nur durch eine Systemänderung kriegen wir nach meiner Einschätzung bei VW eine moderne Kultur.
    Familienkonzern nach Gutsherreart
    Breker: Hans Dieter Pötsch ist ja nun der Kandidat der Eigentümerfamilien Porsche und Piëch. Kann denn ein Konzern überhaupt mit 600.000 Angestellten noch wie ein Familienbetrieb geführt werden?
    Dudenhöffer: Nach meiner Einschätzung nein. Das zeigen auch die Skandale in den letzten Jahren. Aber man führt es nach Gutsherrenart und das ist ja die Geschichte von VW und der Übernahmen, die sich in den letzten Jahren dann ereignet haben, als Wiedeking VW übernehmen wollte, als dann die Familien eingesprungen sind, als man dann mit diesem System dieser Stammaktien und Vorzugsaktionäre, die man eigentlich nur als Kapitalgeber braucht, die keinerlei Rechte haben. Einen Familienkonzern aufgebaut hat und den führt man nach Gutsherrenart gemeinsam mit der IG Metall, mit dem Betriebsratsvorsitzenden, mit dem Land, und genau das passt für ein Weltunternehmen nicht.
    Genau deshalb kommen die Probleme, die man in den fernen Ländern, in Asien, in den USA, in anderen Märkten hat und die man deshalb schlecht bekämpfen kann, weil man um Niedersachsen eine Struktur hat, die zementiert ist. Bei der kann man so gut wie nichts ändern. VW hat 600.000 Mitarbeiter und baut genauso viele Autos wie Toyota. Toyota hat 300.000 Mitarbeiter. Da sieht man schon, wo die Strukturen falsch liegen.
    Breker: Die Einschätzung des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.