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Autoindustrie
"Der Diesel ist eigentlich nicht mehr zu retten"

Die Autoindustrie versuche derzeit, Dieselfahrzeuge zu retten, sagte Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland im DLF. Dazu würden auch vermeintliche Klimavorteile des Diesels ins Feld geführt, obwohl die damit betriebenen Fahrzeuge beim Klimaschutz nicht helfen würden. Seit 2007 würden Benziner weniger CO2 ausstoßen als Dieselfahrzeuge.

Michael Müller-Görnert im Gespräch mit Georg Ehring | 03.05.2017
    Der Auspuff eines VW Tiguan TDI
    "Wenn die Industrie Geld weiter in den Diesel steckt ist es fragwürdig, ob das zukunftsorientiert ist", so Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland im DLF. (picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand )
    Georg Ehring: Der Diesel stößt zwar viel zu viele Stickoxide aus und hat ein Feinstaubproblem, doch die Autoindustrie will trotzdem an ihm festhalten, und zwar ausgerechnet dem Klima zur Liebe. Weil Dieselfahrzeuge weniger Sprit verbrauchen als Benziner, entsteht auch weniger klimaschädliches Kohlendioxid, so die Argumentation der Hersteller. Und in der Tat: Die Rechnung stimmt.
    Liegt die Zukunft also doch im Diesel? – Michael Müller-Görnert beschäftigt sich beim ökologisch gesinnten Verkehrsclub Deutschland mit dem Thema. Der Verein bringt unter anderem jedes Jahr die Autoumweltliste heraus, bei der es stark um die Klimabilanz geht. Vor dieser Sendung habe ich ihn gefragt, wie wichtig der Diesel für das Klima ist.
    "Der Diesel hilft dem Klimaschutz gar nicht"
    Michael Müller-Görnert: Zunächst muss man einmal betonen, dass Verhalten der Autoindustrie momentan eher der Versuch ist, den Diesel zu retten, obwohl er eigentlich nicht mehr zu retten ist, und das mit den vermeintlichen Klimavorteilen noch irgendwie schönen will. Denn wenn man sich mal genau anschaut, wie sich denn der durchschnittliche CO2-Ausstoß von Dieselfahrzeugen in Deutschland entwickelt hat, dann stellt man doch fest, dass eigentlich noch im Jahr 2000 der Benziner deutlich mehr CO2 ausgestoßen hat im Schnitt als ein Diesel, aber schon bereits seit 2007 der Benziner weniger ausstößt als ein Diesel. Das heißt, der Diesel hilft da eigentlich dem Klimaschutz gar nicht. Und wenn man dann noch sieht, dass auch die Fahrleistung von Dieselfahrzeugen doppelt so hoch liegt wie von Benzinern, dann kann man nicht davon sprechen, dass der Diesel einen Beitrag zum Klimaschutz liefert.
    Ehring: Aber bei gleicher Fahrleistung und gleichem Gewicht ist der Diesel doch sparsamer.
    Müller-Görnert: Ja, wenn er denn so gekauft würde. Nur wir haben das Problem, dass ja vor allem die großen, schweren und leistungsstarken Fahrzeuge als Dieselfahrzeuge gekauft werden, und dann muss man sich auch nicht wundern, wenn die dann im Schnitt zu einem Benziner dann doch mehr ausstoßen.
    Ehring: Das heißt, der Diesel ist zwar bei der gleichen Leistung sparsamer, aber das wird ausgeglichen dadurch, dass die Diesel dicker sind?
    Müller-Görnert: Ja, sie sind dicker und sie fahren mehr. Wenn man jetzt den Vergleich in Europa zieht, dann muss man nur zu unseren Nachbarn den Niederlanden schauen. Die haben einen Dieselanteil bei den Neuzulassungen von etwa 25 Prozent, also deutlich weniger als in Deutschland, wo ja fast der Dieselanteil bei der Hälfte liegt. Die haben aber auch einen deutlich geringeren CO2-Ausstoß. Die Mär vom Diesel, der zum Klimaschutz beiträgt, kann man da eigentlich nicht feststellen.
    "Nach wie vor ist der Dieselkraftstoff steuerprivilegiert"
    Ehring: Wie kommt das denn, dass Diesel immer größer werden?
    Müller-Görnert: Das hängt zum einen auch daran, dass nach wie vor der Dieselkraftstoff steuerprivilegiert ist. Man zahlt ja für den Dieselkraftstoff deutlich weniger Abgaben und damit ist er auch an der Tankstelle deutlich günstiger. Das lädt ja quasi zum Fahren ein und deswegen kalkulieren auch viele nur mit den Spritkosten und sagen, hey, das ist so günstig, darum setze ich auf den Diesel.
    Ehring: Aber die würden doch nicht weniger fahren, wenn sie einen Benziner kaufen müssen.
    Müller-Görnert: Das ist die Frage. Kein Land in Europa hat so einen hohen Anteil an Dienstwagen wie Deutschland, und dann hat man ja da noch die Möglichkeit, über die Tankkarten auch privat so viel zu fahren. Da kann man fast von einer Flatrate sprechen. Das alles begünstigt natürlich den Absatz von Dieselfahrzeugen, weil die Unternehmen natürlich auch die Diesel kaufen aufgrund der günstigen Spritkosten. Und dann mit der Tankkarte wird viel gefahren und so ist der Dieselanteil gerade bei den gewerblichen Zulassungen noch mal deutlich höher als bei den privaten. Bei den privaten ist ja nur ein Drittel etwa Dieselanteil, bei den gewerblichen über die Hälfte.
    Ehring: Wie könnte man denn dafür sorgen, dass der Diesel zurückgeht oder dass der Diesel kleiner wird?
    Müller-Görnert: Man muss die Rahmenbedingungen ändern. Das fängt ja schon bei den Steuerabgaben an. Wir sagen, es muss eine ursachengerechte Besteuerung stattfinden. Zum einen ist ja im Diesel auch mehr Energiegehalt drin und ein Liter Dieselkraftstoff produziert auch mehr CO2. Das muss man auch erst mal sehen im Vergleich zu Benzin, wird aber trotzdem geringer besteuert. Wenn man das jetzt schon mal anpassen würde nach CO2- und Energiegehalt, dann müsste eigentlich der Dieselkraftstoff höher besteuert werden. Auf der anderen Seite hat man ja, wenn man jetzt noch weitergeht, auch das Thema Hybridfahrzeuge. Wenn man schaut: Toyota verkauft inzwischen schon fast die Hälfte all ihrer Fahrzeuge mit Hybridmotor und hat deutlich niedrigere CO2-Emissionen, ist einer der Hersteller mit dem niedrigsten CO2-Ausstoß. Da sieht man auch schon, der Diesel ist dort eigentlich irgendwo am Ende.
    "Wenn die Industrie Geld weiter in den Diesel steckt ist es fragwürdig, ob das zukunftsorientiert ist"
    Ehring: Das heißt, für Sie geht die Entwicklung eindeutig in Richtung elektrisch beziehungsweise vorerst mal Hybrid?
    Müller-Görnert: Sie wird in Richtung elektrische Antriebe gehen. Da wird man ganz klar sehen, die Treiber sind China, und jetzt hat auch Indien angekündigt, bis 2030 nur noch elektrische Fahrzeuge verkaufen zu wollen, und da wird ganz klar die Entwicklung herkommen. Da müssen auch die deutschen und europäischen Hersteller schauen, dass sie den Anschluss nicht verpassen, weil sonst geht es ihnen ähnlich wie Agfa oder Kodak oder letztes Beispiel auch den Stromkonzernen, wenn sie nicht rechtzeitig die Technologie wechseln. Der Trend geht in Richtung Elektromobilität, die wir auch aus Klimaschutzgründen brauchen, weil die Klimavorgaben sind so ambitioniert, da ist dann irgendwann der Diesel, da ist der Verbrenner zu Ende und wir brauchen dann emissionsfreie Antriebe und das muss alles relativ schnell gehen. Wenn die Industrie Geld weiter in den Diesel steckt ist es fragwürdig, ob das zukunftsorientiert ist.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.