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Automobilfachmann erwartet düstere Zukunft für Opel

Der gestrige Rücktritt von Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke deutet auf eine Neuausrichtung des Sanierungskurses hin, sagt Stefan Bratzel von der Fachhochschule Bergisch-Gladbach. Von einer Verschärfung der Sanierung bis hin zu Werkschließungen - Bratzel sieht schwarz für den Autohersteller.

Das Gespräch führte Jörg Münchenberg | 13.07.2012
    Christoph Heinemann: Opel wechselt zum dritten Mal innerhalb von zweieinhalb Jahren den Chef aus. Gestern trat Karl-Friedrich Stracke von dem Posten zurück, den er erst im April 2011 übernommen hatte. Der Hintergrund des Wechsels: Der Verkauf des Autoherstellers ist seit Jahresbeginn massiv zurückgegangen, im ersten Halbjahr 2012 um rund acht Prozent. Mein Kollege Jörg Münchenberg hat den Automobilexperten Stefan Bratzel von der Fachhochschule Bergisch Gladbach nach seiner Bewertung des Rücktritts gefragt.

    Stefan Bratzel: Nun, das ist sicherlich eine große Überraschung und sicherlich auch keine gute Nachricht erst mal für Opel und die Sanierung. Es ist ja so, dass Opel mit dem Betriebsrat, auch mit der GM-Führung diesen Sanierungskurs abgesteckt hat, und es spricht vieles dafür, dass jetzt hier mit seinem Rücktritt etwas an diesem Sanierungskurs nicht mehr so ist, wie es ursprünglich abgesprochen war, weil, vor Kurzem war noch völlig klar, dass er diese Sanierung begleiten will und auch durchführen und zum Erfolg bringen will, und da muss es in den letzten Tagen zumindest innerhalb der Führung einige Vorbehalte gegeben haben.

    Jörg Münchenberg: Nun gab es ja eine Grundvereinbarung, eben keine betriebsbedingten Kündigungen, keine Werksschließungen bei Opel bis 2016. Ist denn jetzt zu befürchten, dass der Sanierungskurs deutlich härter ausfallen wird mit dem Rücktritt von Stracke?

    Bratzel: Nun, man muss so etwas befürchten, kann man fast sagen, weil Stracke eben für diesen Kurs eigentlich stand und er versucht hat, den Betriebsrat mit ins Boot zu kriegen – vor dem Hintergrund, dass man halt gemeinsam an einem Strang, und zwar am gleichen Ende des Strangs zieht -, und diese Strategie hat eben das Zugeständnis wohl auch gebracht, dass man erst mal nicht über Kündigungen und Werksschließungen bis 2016 spricht. Und das scheint nun aufgekündigt zu sein, das heißt, es könnte sein, dass das Sanierungspaket neu geschnürt wird, dass man sich sozusagen jetzt von der GM-Führung neu an den Tisch setzen will. Jetzt ist tatsächlich der Spekulation Tür und Tor gegeben.

    Münchenberg: Opel gilt ja schon seit Jahren als angeschlagen, immer wieder hat man ein neues Sanierungskonzept aus der Taufe gehoben, es gab auch immer wieder Wechsel an der Spitze. Was bedeutet jetzt dieser Abtritt von Stracke in der gegenwärtigen Situation, wo Opel ja doch mit dem Rücken an der Wand steht, muss man sagen?

    Bratzel: In der gegenwärtigen Situation bedeutet das natürlich wieder ein Vakuum, das sich entwickelt hat. Stracke hat sich gut eingearbeitet, hatte angeblich auch das Backing, die Unterstützung der Führung in Detroit, war ja auch ein Mann, der für GM einige Themen auch in China beispielsweise positiv erledigt hat, und das bedeutet jetzt, dass es ein Schisma zwischen GM und dem Opel-Chef gegeben haben muss. Es bedeutet jetzt aus meiner Sicht, dass man praktisch von vorne anfängt, es muss wieder eine Vertrauensbeziehung erst mal aufgebaut werden zwischen den Opel-Beschäftigten, dem Betriebsrat und der GM-Führung und es muss wieder neu überlegt werden, ob das Sanierungskonzept, das man jetzt ja erst mal verabschiedet hat, so standhält. Ich glaube, dass man sicherlich dazu übergehen wird, wahrscheinlich auch vor dem Hintergrund der enormen Marktrückgänge in Europa, weitere Verschärfungen, möglicherweise auch doch kürzerfristige Schließungen von Werken ins Auge fassen könnte.

    Münchenberg: Kurz zusammengefasst würden Sie sagen, die Zukunft für Opel sieht derzeit eher etwas düsterer aus mit diesem Rücktritt?

    Bratzel: Mit diesem Rücktritt hat sich die Zukunft tatsächlich deutlich verdüstert aus meiner Sicht, und die Lage war ohnehin schon sehr, sehr düster.

    Heinemann: Jörg Münchenberg von unserer Wirtschaftsredaktion im Gespräch mit dem Automobilexperten Stefan Bratzel von der Fachhochschule Bergisch Gladbach.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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