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Automobilzulieferer
Elektroautos bringen Existenznot

Binnen weniger Jahre soll jedes vierte Fahrzeug der VW-Flotte als Elektroauto vom Band rollen. Das könnte die vielen kleinen und mittleren Zulieferbetriebe in Existenznot bringen. Um den Wandel zu bewältigen, müssen die Firmen vor allem eines sein: innovativ.

Von Alexander Budde | 06.12.2016
    Das Cockpit mit großem Display von einem Tesla Model S
    Wenn Automobile irgendwann nur noch eine große Batterie brauchen - wie hier das Tesla Model S -, könnte das vor allem die vielen kleinen und mittleren Zulieferbetriebe am Ende der Nahrungskette in Existenznot bringen. (Sven Hoppe, dpa picture-alliance)
    Wenn Sven Vogt an die Zukunft denkt, kommen ihm lauter Dinge in den Sinn, die im Automobil von morgen verzichtbar sind. Da wären zum Beispiel dieser Umlenkhebel: Noch liefert die KTT-Gruppe jährlich rund dreieinhalb Millionen Einheiten an VW-Werke in aller Welt. Am Firmensitz in Osterode schaut Sven Vogt zu, wie ein Mitarbeiter die handgroßen Kunststoffteile prüft, die aus einer vollautomatischen Anlage purzeln.
    "Hier ist wirklich eines meiner Lieblingsteile, weil man wirklich gesehen hat, hier kamen wir aus verschiedensten Metallteilen, Stanzteilen – also sehr schwierigen Bauteilen mit sehr hohem Gewicht – und haben wirklich eine Funktionalität entwickelt, dann das Auto erleichtert, damit es spritsparender ist und auf der anderen Seite die Entkopplung zum Motor, dass der Motor also noch mehr vibrieren kann, aber die negativen Vibrationseffekte nicht beim Fahrer mehr ankommen. Und darauf sind wir sehr stolz!"
    Viele Komponenten fertigen Hersteller wie Volkswagen gar nicht selbst – sondern bestellen sie bei spezialisierten Zulieferbetrieben wie der KTT-Gruppe. Lange Zeit war das ein Erfolgsmodell, doch zuletzt hatten Geschäftsführer Vogt und die rund 500 Mitarbeiter an den drei deutschen Standorten ein Problem: Der VW-Abgasskandal gibt der Elektromobilität auch im Diesel-Land Deutschland neuen Schwung.
    Zuliefererbetrieb könnten zukünftig in Not geraten
    Binnen weniger Jahre soll jedes vierte Fahrzeug der VW-Flotte als Elektroauto vom Band rollen. So ein Stromer ist technisch einfacher zu bauen als ein Fahrzeug mit herkömmlicher Antriebstechnik, weil er keine komplizierten Motormechanik braucht, kein Getriebe – simpel gesagt: keine Bauteile, die dazu dienen, den Druck, der beim Verbrennen entsteht, in eine Drehbewegung umzuwandeln.
    "Da, wo jetzt unsere Teile sind, ist später nichts! Ich sehe für uns alle eine Chance, natürlich auch dort an einer Zukunftstechnologie mit zu entwickeln - als große, positive Herausforderung. Wir gehen davon aus, dass man eher in eine elektronische Joystick-Funktion geht. Das heißt: auch wieder Kunststoffteile, Gummiteile – aber Elektronik. Da sind wir jetzt schon dabei, Schaltgriffe mit Elektronik komplett auszustatten. Darauf bereiten wir uns vor, unser Produktportfolio breiter aufzubauen."
    Branchenkenner sagen voraus: Wenn Automobile irgendwann nur noch eine große Batterie brauchen, wird das vor allem die vielen kleinen und mittleren Zulieferbetriebe am Ende der Nahrungskette in Existenznot bringen. Große Konzerne wie Bosch und Continental mit ihren Entwicklungsabteilungen und Forschungsetats können den Wandel leichter bewältigen.
    Förderprogramme für Entwicklungsprogramme
    Knapp 300.000 Menschen arbeiten nach Verbandsangaben in der Automobilzulieferindustrie, rund 130.000 davon in Niedersachsen, gibt Volker Schmidt zu bedenken. Auf dem Automobilzulieferergipfel in Hannover fordert der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands "NiedersachsenMetall" eine Partnerschaft auf Augenhöhe, denn die Zulieferer hätten vieles zu leisten:
    "Das was für VW gilt, gilt im Besondren für die Zulieferer, weil ja 75 Prozent der Wertschöpfung des Automobils von den Zulieferern kommt. Und auch ein Unternehmen wie VW spürt ja mehr und mehr, dass letztendlich die Innovationsfähigkeit der eigenen company abhängig ist von der Frage, lässt man denn bei den Zulieferern überhaupt noch genügend Luft, um auch innovationsfähig zu sein?"
    Als erfolgreiches Novum preist Olaf Lies in einer ersten Reaktion den Gedankenaustausch. Der niedersächsische Wirtschaftsminister und VW-Aufsichtsrat hat spätestens seit dem spektakulären Lieferboykott von Firmen der Prevent-Gruppe auch die Einkaufspolitik von Volkswagen in den Fokus seiner Bemühungen genommen:
    "Es war die richtige Entscheidung, dass wir die Zulieferindustrie und Volkswagen hier an einen Tisch geholt haben!"
    In Hannover gelobt Lies, dass alle Beteiligten im Gespräch bleiben werden. Noch wohlklingender dürften seine Andeutungen sein, das Land gedenke Förderprogramme aufzusetzen und Entwicklungsprojekte der Firmen gemeinsamen mit den Hochschulen des Landes unterstützen.