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Autor muss in Madrid bleiben
Akhanli kommt wieder frei

Akhanlis Anwalt und der Generalsekretär des deutschen PEN-Clubs teilten nach der richterlichen Anhörung in Madrid mit, Akhanli werde auf freien Fuß gesetzt. Er dürfe Spanien aber nicht verlassen. Die Festnahme des türkischstämmigen Kölner Schriftstellers hatte große Empörung ausgelöst. Auch Bundesaußenminister Gabriel hatte sich eingeschaltet.

20.08.2017
    Akhanli vor einem dunklen Hintergrund, er trägt ein Mikorofon-Headset.
    Doğan Akhanli, hier auf einer Veranstaltung in Köln im vergangenen März. (picture alliance / dpa / Henning Kaiser)
    Gabriel wollte verhindern, dass der Autor an die Türkei ausgeliefert wird. Der Außenminister telefonierte am Samstag mit seinem spanischen Kollegen. Dem "Spiegel" zufolge werteten Sicherheitskreise die Festnahme als erneuten Affront der Türkei gegen Deutschland.
    Akhanli stammt ursprünglich aus der Türkei, lebt aber bereits seit 25 Jahren in Deutschland und hat seit 2001 die deutsche Staatsbürgerschaft. Der 60-Jährige war am Samstag während seines Urlaubs in Granada auf Ersuchen der Türkei festgenommen worden. Nach Informationen einer spanischen Nachrichtenagentur soll dem Autor in der Türkei Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen werden. Nach der richterlichen Anhörung teilte Akhanlis Anwalt Uyar aber auf seiner Facebook-Seite mit, dass sein Mandant freigelassen worden sei.
    Altes Verfahren als Grundlage
    Grundlage des türkischen Dringlichkeitsvermerks - der sogenannten 'Red Notice' - ist nach den Angaben von Akhanlis Anwalt ein altes Verfahren. Akhanli war im Jahr 2010 in der Türkei festgenommen worden, weil ihm die Beteiligung an einem Überfall vorgeworfen wurde. In der anschließenden Gerichtsverhandlung hatte sich demnach aber zweifelsfrei herausgestellt, dass der Autor zum Zeitpunkt der Tat schon gar nicht mehr in der Türkei war. Akhjanli wurde deshalb freigesprochen. Die türkische Staatsanwaltschaft habe den Fall dennoch bis zum türkischen Appellationsgericht vorangetrieben, so Uyar.
    Mit einer 'Red Notice' können sich Interpol-Mitgliedsstaaten gegenseitig auffordern, eine gesuchte Person ausfindig zu machen und vorläufig festzunehmen. Es handelt sich aber nicht um einen Suchauftrag im Namen von Interpol und auch nicht um einen internationalen Haftbefehl. Laut Interpol entscheiden die Länder selbst, wie sie mit einer 'Red Notice' umgehen.
    Akhanli wird im Freien von zwei Polizisten entlang von Absperrgittern durch eine Menschenmenge geführt.
    Akhanli nach seiner Festnahme im Jahr 2010 auf dem Weg zu einem Gericht in Istanbul. (dpa / Riza Aydogmus)
    Akhanlis Anwalt Ilias Uyar sprach in der DLF-Sendung Kultur Heute , von einem politischen Verfahren. Er äußerte die Vermutung, dass Akhanli wegen früherer Äußerungen zum Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich von der Türkei verfolgt werde. Der Anwalt warf der türkischen Justiz vor, "klar rechtsmissbräuchlich" zu agieren. Sie instrumentalisiere Interpol, um Oppositionelle und Dissidenten im Ausland zu verfolgen und zu jagen. Sie versuche, die Schlinge immer weiter zuzuziehen und wolle der Menschen habhaft werden, egal in welchem Land sie sich aufhielten.
    Empörung in Deutschland
    SPD-Kanzlerkandidat Schulz sprach von einem ungeheuerlichen Vorgang. Das Verhalten des türkischen Präsidenten Erdogan trage inzwischen paranoide Züge, sagte Schulz der "Bild am Sonntag". Linke-Chefin Kipping fragte auf Twitter: "Wie weit wollen wir Erdogan in Europa noch kommen lassen?"
    Der Grünen-Politiker Beck erklärte, er stelle sich die Frage, warum Akhanli nicht gewarnt worden sei, dass bei Interpol ein Fahndungsersuchen der Türkei vorliege. Unklar sei auch, wie die spanische Polizei auf Akhlani aufmerksam geworden sei. Beck betonte, in der Türkei gebe es kein rechtsstaatliches Verfahren. Deshalb dürften sich Europäer nicht zu Erfüllungsgehilfen von Präsident Erdogan machen lassen.
    Nahaufnahme von Akhanlis Gesicht, er redet vor einer weißen Wand.
    Akhanli im Jahr 2011 in seiner Heimatstadt Köln. (Oliver Berg / dpa)
    Die Schriftstellervereinigung PEN teilte mit, das Verfahren gegen Akhanli sei "eindeutig politisch motiviert". Vizepräsident Sascha Feuchert forderte die spanischen Behörden auf, den Autor keinesfalls an die Türkei auszuliefern.
    Akhanli schon in den 80ern im Untergrund
    Doğan Akhanli war nach seiner vorübergehenden Festnahme 2010 nach Deutschland geflohen. Er besitzt inzwischen ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft. Schon in jungen Jahren galt er als Staatsfeind: Nach dem Militärputsch in der Türkei 1980 ging er in den Untergrund, 1985 bis 1987 saß er als politischer Häftling im Militärgefängnis von Istanbul.
    In seinen Romanen, in Aufsätzen und Interviews sowie in Projekten setzt sich Akhanli sich immer wieder für den wahrhaftigen Umgang mit historischer Gewalt und für die Unteilbarkeit der Menschenrechte ein. Ein häufig wiederkehrendes Thema ist dabei die Verfolgung der Armenier im damaligen Osmanischen Reich.
    (mw/fwa)