Freitag, 29. März 2024

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Autorin Ulla Scheler übers Schreiben
"Es gibt noch so viele Möglichkeiten, tiefer zu gehen"

Ihr erstes Buch war ein riesiger Erfolg. Jetzt legt die 23-jährige Autorin Ulla Scheler nach. In ihrem neuen Roman "Und wenn die Welt verbrennt" geht es um Traumatisierungen, die eine Freundschaft belasten. Im Gespräch erzählt Scheler, wie ihre Romane entstanden sind und was Literatur für sie bedeutet.

Moderation: Ute Wegmann | 12.05.2018
    "Ich persönlich hab' weder Facebook noch Instagram", sagt die Autorin Ulla Scheler. Inspiration holt sie sich aus der Literatur.
    "Ich persönlich hab' weder Facebook noch Instagram", sagt die Autorin Ulla Scheler. Inspiration holt sie sich aus der Literatur. (imago Westend61; Heyne)
    Ute Wegmann: Ihr erster Roman war ein riesiger Erfolg, immens viele gute Besprechungen im Netz und auf Blogs, von der Jugendjury nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2017. Der Roman mit dem Titel: "Es ist gefährlich bei Sturm zu schwimmen", die Autorin die damals 23-jährige Ulla Scheler. Herzlich willkommen im Büchermarkt, Ulla Scheler!
    In Coburg geboren, bin ich nun verwirrt über den weiteren Verlauf ihres Lebens. Denn einmal lese ich: Sie studieren Informatik in Karlsruhe und ein anderes Mal Psychologie in München. Was stimmt?
    Ulla Scheler: Beides. Ich hab' während ich mein erstes Buch geschrieben habe, in München Psychologie studiert und studiere jetzt Informatik in Karlsruhe.
    Wegmann: Haben Sie Psychologie abgebrochen oder beendet?
    Scheler: Ich hab' jetzt den Bachelor in Psychologie. Und ich hatte Lust, noch was anderes zu machen, - den Plan hatte ich schon vor dem Abitur, entweder Informatik oder Psychologie - und da hab' ich mir gedacht: Warum hängst du es nicht noch dran.
    Wegmann: Welche Pläne gibt es denn mit Informatik?
    Scheler: Es gibt ganz viele Überschneidungen zwischen Informatik und Psychologie, die man gar nicht so kennt. Zum Beispiel: Wie kann man Geräte für Nutzer am besten zugänglich machen? Oder Dinge im Bereich "Künstliche Intelligenz". Oder auch Hirnforschung, da findet man Überschneidungen der beiden Bereiche.
    Wegmann: Dass Sie Psychologie studiert haben oder studieren würden, hätte mich nun nicht verwundert, da Ihre Romane, mittlerweile ist der zweite erschienen – "Und wenn die Welt verbrennt" – realistische, psychologisch fein ausgearbeitete Geschichten sind. Woher kommt diese psychologische Fähigkeit oder das Interesse an der Psychologie?
    Scheler: Ich kann gar nicht sagen, woher das Interesse kommt. Ich weiß nur, dass ich es schon immer hatte. Dass sich das durch das Studium und vor allem durch meine Freunde und Kommilitonen, die ich dort kennengelernt habe, noch verstärkt hat. Und dann habe ich auch Drang, es zu verarbeiten, es auszudrücken, das mache ich dann in den Büchern.
    Wegmann: Der erste Roman "Es ist gefährlich bei Sturm zu schwimmen" wurde 2016 veröffentlicht, das bedeutet, sie haben ihn in den letzten Schuljahren geschrieben?
    Scheler: Das ist korrekt. Ich hab angefangen, als ich ungefähr 16 war. Dann war er mit 18, 19 fertig und dann hab' ich den Verlag gesucht. Ja, er wurde während der Schulzeit verfasst.
    "Diese Sache, wo ich einfach machen konnte"
    Wegmann: War das nicht eine ungeheure Belastung, neben dem Abitur und dem Stress?
    Scheler: Ich hab' immer in den Ferien geschrieben, das ging. Für mich war es eher eine Erleichterung als eine Belastung, weil ich da diese Sache hatte, von der niemand wusste, niemand Erwartungen hatte, wo ich einfach machen konnte.
    Wegmann: Es ist eine Ich-Erzählung, erzählt aus der Perspektive der 19-jährigen Anna, gerade hat sie das Abitur beendet, da feiert sie ihren Geburtstag. Da taucht Ben auf. Sie hat eine ungewöhnlich intensive Beziehung zu Ben, ein Junge aus ihrer Klasse, ein Außenseiter, aber auch eine Art "Aufmischer". Was ist das für eine Geschichte? Was ist das für eine Beziehung?
    Scheler: Das ist eine Geschichte von zwei Freunden, die nach dem Abitur zusammen ans Meer fahren. Ich glaub', es verrät nicht so viel von der Story, weil man das schon auf dem Cover sieht. Aber es ist vor allem die Geschichte von zwei Freunden, die sehen müssen, ob ihre Beziehung, die während der Schulzeit sehr stabil war, noch eine Chance außerhalb der Schule hat, wenn sie in ganz andere Richtungen gehen wollen.
    Wegmann: Es ist keine Liebesbeziehung?
    Scheler: Am Anfang nicht. Aber ich glaube sowieso, es ist eher eine tiefe Freundschaft als eine Liebesgebeziehung.
    Wegmann: Die Geschichte ist ja altersmäßig damals recht nah an Ihrer eigenen Lebenswelt gewesen. Wie viel von Ulla Scheler und ihrer Welt fließt denn in einen solchen Roman ein?
    Scheler: Auf den ersten Blick würde ich sagen: ich beobachte natürlich Sachen aus meiner Welt – die haben gerade Abi gemacht, das kenne ich. das Gefühl - was macht man nach dem Abitur? - dieses Gehetzt-Sein und dieser Druck, dass man die richtige Entscheidung treffen muss – auch wenn es völliger Quatsch ist. Das ist alles in dem Buch, aber oft stell' ich dann fest, wenn das Buch fertig ist, und ich nach einem Jahr oder so, wenn es gedruckt ist, wieder hinschaue, dass Dinge in dem Buch waren, die mich damals beschäftigten, die ich aktuell schon verarbeitet hatte. Und dann schau ich in das Buch und denke: Ulla, da steht doch schon die Lösung. Jetzt musst du es nur noch machen. Was natürlich immer der schwierige Teil ist.
    Wegmann: Es gibt in der Geschichte eine Figur, Melissa, eine Freundin der Erzählerin Anne, sie stellt an einer Stelle fest: "Du hast sehr feine Antennen für die Emotionen von Menschen." Ich denke, das haben Sie auch. Ist Anna auch ein bisschen Ulla?
    Scheler: Ich glaube, sie ist in kleinen Teilen Ulla, der nachdenkende, der grübelnde Teil, aber dann ist sie auch ganz sie selbst.
    Wegmann: Es ist der Ton und Ihre Sprache, was Ihre überwiegend weiblichen Leser immer wieder positiv hervorgehoben haben. Betrachte ich jedoch den zweiten Roman, empfinde ich den zweiten als sprachlich noch ausgewogener. Im ersten Roman tauchen noch Sätze auf wie: "Gedanken schubsten sich von der Zunge" oder "Er sprach mit "Schokoladenstimme". Im zweiten finde ich solche Formulierungen gar nicht mehr. Inwieweit empfinden Sie es selber als eine Gratwanderung, wenn es um Liebe und Verliebt-Sein oder Beziehung geht, nicht in schmalzigen Kitsch oder Klischee abzugleiten?
    Scheler: Danke für diese Frage! Es ist eine Gratwanderung, ich finde es schwer. Weil auf der einen Seite um ein Gefühl geht, das tausend mal beschrieben wurde, und dann ist es für jeden, als wäre man die einzige Person, die das jemals erlebt hat, und das in Sprache einzufangen, diese Einzigartigkeit, ist die Herausforderung.
    "Dieses Buch ist für mich eine Dreiecksgeschichte"
    Wegmann: "Und wenn die Welt verbrennt", so der Titel des zweiten Romans, – die Geschichte von Felix und Alisa, zwei Studenten, die sich zufällig begegnen. Im Wechsel erzählt, tageschronologisch, wie eine Stabübergabe wird die Geschichte von Kapitel zu Kapitel weitergetragen. Alisa umgibt ein Geheimnis, sie wird beherrscht von einer Angst, deren Ursprung wir erst sehr viel spät erfahren und sie kommuniziert im inneren Monolog mit einem Du, das wir auch am Anfang nicht zuordnen können.
    Sie halten dieses Spannungsfeld ganz lange, weil Alisa mit Felix nicht über ihre Ängste sprechen kann, erfahren wir Leser es ebenfalls nicht. Und als das Geheimnis aufgedeckt wird, gelingt es Ihnen ein neues zu etablieren, noch mal die Spannung zu öffnen. Es ist ja nicht nur eine Geschichte über eine Liebesbeziehung zwischen zwei jungen Menschen, von denen einer, Alisa, sich nicht öffnen kann, und Felix, der sich als geduldig Liebender erweist. Es ist auch die Geschichte eines Bruderkonfliktes und einer Brudersymbiose, eine Geschichte über Selbstzweifel, Ängste und Traumatisierung. Muss man sagen. Was war die erste Idee? Was steht für Sie im Mittelpunkt?
    Scheler: Dieses Buch ist für mich eine Dreiecksgeschichte, zwischen Felix, Alisa und Alisas Bruder. Und Felix ist neidisch auf den Bruder, weil die beiden eine ganz besondere Beziehung haben. Genau diese Brudersymbiose. Und für mich war immer wichtig, die Person aus der Sicht des anderen darzustellen und den Unterschied zu zeigen zwischen: Innen fühl' ich mich ganz unsicher und nach außen wirkt das gar nicht so. Und die anderen können auch nicht darauf reagieren, denn sie können es gar nicht verstehen, dass man ängstlich ist – wie das bei Alisa und Felix der Fall ist. Und dann war ein Auslöser für die Geschichte diese Überlegung, dass zwei Leute in der Stadt unterwegs sind und treffen eine dritte, die steht durch Zufall einfach da, und eine der beiden und die dritte Person erkennen sich. Und die außenstehende Person, die von der Bekanntschaft nichts wusste, denkt, dass ihr der Boden unter den Füßen weggezogen wird, weil die neue Person vorher gar nicht existierte, aber wichtig zu sein scheint. Und dieser Moment, das war der zentrale Moment des Buches für mich.
    Wegmann: Die dritte Person, so viel kann man verraten, war Alisas Bruder, den sie nach langer Zeit offensichtlich zufällig in der Stadt wiedertrifft. Wie wichtig ist denn überhaupt dieses Geschwisterverhältnis? Wir haben ja auch einen Konflikt zwischen Felix und seinem älteren Bruder, der erfolgreich ist, dem immer alles gelingt. Und wir haben eben dieses sehr verschlüsselte Verhältnis zwischen Alisa und ihrem Bruder.
    Scheler: Ich finde, Geschwisterbeziehungen sind – genau wie Elternbeziehungen – eine ganz besondere Art von zwischenmenschlicher Begegnung, weil man aneinander hängt auf eine Art, wie es sonst nicht passiert. Und mein Bruder, den ich sehr lieb habe, ist ganz anders als ich, und sagt mir trotzdem Sachen, die mir sonst niemand sagen würde, die aber immer genau ins Schwarze treffen. Also wir verstehen uns sehr gut, auf der anderen Seite ist es auch immer: Man kann verglichen werden. Man wird verglichen. Und das habe ich im Roman in der anderen Bruderbeziehung dargestellt.
    Wegmann: Verglichen von den Eltern oder man vergleicht sich selber?
    Scheler: Ich glaube beides kommt vor. In meiner Familie zum Glück nicht. Aber in Felix' Fall ist es so, dass er sich selbst vergleicht.
    "Felix braucht eher das Präteritum"
    Wegmann: Eine Frage zur formalen Gestaltung: Felix ist im Imperfekt geschrieben, Alisa im Präsenz. Warum?
    Scheler: Erst mal stand ich vor der Schwierigkeit, wie ich die beiden Stimmen möglichst gut voneinander abhebe, zuerst hatte ich auch überlegt, nicht über jedes Kapitel zu schreiben, von wem es erzählt wird. Und dann hatte ich das Gefühl, dass Alisa von ihrer Sprache, auch von ihrer Angst mehr Präsenz getrieben ist. Und Felix eher das Präteritum braucht. Aber genauer kann ich es nicht erklären.
    Wegmann: Wie lief der Entwicklungsprozess dieser Geschichte ab?
    Scheler: Der Entwicklungsprozess der Geschichte war chaotisch und schmerzhaft. Ich habe, glaube ich, für jede Seite in dem Buch vier Seiten weggeschmissen. Ich hatte vor einen Plan, wie die Geschichte verlaufen sollte, und während der Überarbeitung der Geschichte, die sehr lang gedauert hat – vielen Dank an meine Lektorinnen für ihre Geduld – hab' ich so viel überarbeitet, und dann festgestellt: Ich wollte dass es so ist, aber die Wahrheit war, es war ganz anders. Und dann musste ich ran und kürzen und alles Mögliche.
    Wegmann: Wie viele Leute haben mitgeredet? Wie viele Leute wollten sie mitreden lassen? Haben Sie die Geschichte vorher Freundinnen zum Lesen gegeben?
    Scheler: Bis die Geschichte im ersten Entwurf fertig ist, darf es niemand lesen. Dann haben es die Lektorinnen bekommen und einige wenige Freundinnen von mir, deren Meinung ich sehr schätze.
    Wegmann: Wie viele Überarbeitungsprozesse gab es denn ungefähr?
    Scheler: Ich würde sagen, es waren fünf Stück, wobei manchmal die Übergänge fließend waren.
    Wegmann: Noch mal zum Inhalt des Romans: Wollten Sie zeigen, dass früher oder später alle Geheimnisse ans Licht kommen? Oder geht es mehr um den Mut zur Ehrlichkeit?
    Scheler: Ich denke, es geht um Mut, aber vor allem auch die Notwendigkeit zur Ehrlichkeit. Weil man zwar sein Leben damit verbringen kann, eine schöne Fassade nach außen zu sein, aber vermutlich ist man währenddessen unglücklich. Und dann muss man sich entscheiden: Will ich perfekt nach außen aussehen oder will ich, dass es mir gut geht? Und dann gibt es keine andere Möglichkeit mehr, als die Wahrheit über sich nach außen zu tragen.
    Wegmann: Sie beschreiben erstaunlich wenige Äußerlichkeiten der beiden Charaktere. Wir wissen nicht, was sie anziehen, wie sie aussehen, außer bei der dritten Figur, die später hinzukommt. War das nicht wichtig oder war das Absicht?
    Scheler: Das war Absicht. Sie legen die Finger ja genau in die Punkte, die mir wichtig waren. Das war tatsächlich Absicht, denn wenn ich mir Figuren vorstelle, vergesse ich immer sofort die Haarfarbe und die Augenfarbe und wie groß sie sind meistens auch, Und ich denke, dass liegt bei mir daran, dass mir das gar nicht wichtig ist. Ich habe eher ein emotionales Gefühl für die Personen, wie sie sich anfühlen, wie sie reden, wie sie auf andere Menschen reagieren, dass ist mir wichtig. Und gerade bei einer Liebesbeziehung denke ich mir auch, dass es bestimmt aufs Äußerliche ankommt, natürlich, aber eher auch auf dieses Gefühl, den Eindruck, den die andere Person auch eigentlich fast körperlich hinterlässt. Und der Bruder ist deshalb genauer beschrieben, weil Felix ihn ja ganz genau mustert, weil er wissen will, wer ist dieser Typ, deshalb sehen wir auch ihn so genau. Und natürlich weil Alisa ihn lange nicht gesehen hat, und auch abgleichen muss, wie das mit ihrem inneren Bild ist.
    Wegmann: Ohne zu viele Details der Geschichte zu verraten, kann man aber so viel sagen, dass Alisa traumatisiert ist auf eine gewisse Weise, sie wird von ungeheuren Ängsten getrieben, die sie nicht in den Griff bekommt, wodurch sie auch andere Menschen, auch Felix, zurückweist auf harsche Weise, was sie selber gar nicht will, und Felix muss sehr viel aushalten. In wieweit haben Sie sich mit Angststörung und Trauma theoretisch beschäftigt, bevor Sie das Buch geschrieben haben?
    Scheler: Natürlich war schon aus dem Psychologiestudium ganz viel da. Ich hab auch extra noch mal nachgelesen, im Anhang steht auch, um welche genaue psychische Störung es sich genau handelt, auch wenn von dieser Störung gar nicht so viel bekannt ist, und ein Teil vielleicht nur in seltenen Fällen auftritt ...
    Wegmann: Wie nennt man die Störung?
    Scheler: Akute psychotische Störung, so der Fachbegriff. Ich hab' in meinem Leben die Erfahrung gemacht, dass - wenn jemand gemein ist, ausschlägt, meistens in der Person selber etwas nicht in Ordnung ist, dass irgendetwas ganz doll wehtut, Und dass wollte ich nach außen tragen. Eben auch durch die zwei Perspektiven. Felix denkt nur: Sie mag mich nicht. Sie denkt: er denkt, ich bin verrückt, weil ich soviel Angst habe.
    "Es gibt noch so viele Möglichkeiten, tiefer zu gehen"
    Wegmann: Ein beeindruckendes Buch: "Und wenn die Welt verbrennt" - Wie fühlt man sich, als doch noch junge Schriftstellerin die Bühne des literarischen Betriebs zu betreten?
    Scheler: Ich hab gar nicht so sehr das Gefühl, dass ich auf einer Bühne stehe. Ich denke, die meiste Arbeit passiert ja tatsächlich, wenn ich alleine bin und an meinem Schreibtisch in meinen Computer tippe. Und da ist der größte Druck nur der, den ich mir selber mache, weil ich das Gefühl habe, es gibt noch so viele Möglichkeiten, tiefer zu gehen, in die Charaktere, in die Geschichte, in die Welt sozusagen. Und besser zu werden, auf so viele verschiedene Arten und Weisen.
    Wegmann: Wie schulen Sie sich denn? Wie versuchen Sie denn, besser zu werden?
    Scheler: Ich versuche die Stellen, bei denen ich … - wie drückt man das aus? Die Teilfähigkeiten vielleicht beim Schreiben, bei denen ich nicht so gut bin, denen mehr Fokus zu schenken und da konkret auch Leute um Hilfe zu fragen. Zum Beispiel finde ich, dass Sprache mir sehr leicht fällt, aber ich muss in der Überarbeitung immer noch mal auf diese Äußerlichkeiten schauen, dass die Augenfarben sich nicht wechseln, und auch oft streichen, damit die Geschichte spannend genug ist. Und das versuche ich beim nächsten Buch schon vorher zu machen, indem ich dem mehr Platz einräume.
    Wegmann: Welche Rolle spielen andere Bücher, oder die Literatur überhaupt, um sich zu schulen?
    Scheler: Okay, dass sind natürlich die Grundlagen. Jetzt habe ich gerade sozusagen mein Training beschrieben, und Literatur ist Theorie und Inspiration gleichzeitig. Es gibt einfach so viele tolle Bücher, aus denen man die verschiedensten Sachen lernen kann, eben weil andere Leute auch in bestimmten Sachen gut sind und in bestimmten Sachen Sachen machen, die man noch nie gesehen hat. Und deswegen kann ich gar nicht schreiben, ohne gleichzeitig zu lesen, dann wird mein Schreiben richtig trocken. Auch wenn ich gar nichts benutze von der Person, von der ich gerade ein Buch lese, wenn ich einfach nur lese und begeistert bin, dann hilft mir diese Begeisterung ein begeistertes Buch zu schreiben.
    Wegmann: Gibt es jemanden oder vielleicht auch zwei Schriftsteller, Schriftstellerinnen, die Sie verehren, wo Sie sagen würden, dahin strebe ich, so würde ich gerne schreiben?
    Scheler: Zum Glück gibt es diese Personen nicht als tatsächliche lebende oder tatsächlich gestorbene Menschen, sondern als großes Konglomerat aus literarischen Stimmen in meinem Bücherregal, wo ich von den verschiedensten Leuten die verschiedensten Absätze oder Bücher bewundere, zum Beispiel bin ich ein großer Fan von Mary Oliver, die Gedichte schreibt, oder von Fernando Pessoa – ich habe ein Buch von ihm, da ist kein Inhalt, es ist einfach nur wunderschön, das lese ich, um eine bestimmte Stimmung zu kreieren. Und dann lese ich Krimis von Jo Nesbø, um an den Plotten weiterzuarbeiten. Ganz, ganz verschieden und das ist wunderbar, dass es so ein Meer gibt, dass einen unterstützt.
    Wegmann: Wie wird es beruflich weitergehen? Haben Sie den Plan Schriftstellerin zu werden oder werden Sie mit den Studien, die sie abgeschlossen haben, dann irgendwann arbeiten?
    Scheler: Erstmal glaube ich ja, ist man Schriftstellerin oder Schriftsteller in dem Moment, wo man schreibt, deswegen hab' ich gar keine Wahl, als Schriftstellerin zu sein. Ich hätte gerne eine Mischung aus beidem, ich werde jedenfalls nie aufhören zu schreiben. Das ist etwas, das ich über mein Leben mit großer Sicherheit sagen kann, dass ich immer schreiben werde. Ob es veröffentlicht wird, ist eine andere Frage, die zu Teilen ja gar nicht in meiner Macht steht zu beeinflussen, deswegen möchte ich mich davon auch gar nicht abhängig machen, aber ich fände es wunderbar zu schreiben und gleichzeitig einen Beruf zu haben, wo ich jeden Tag Menschen sehe. Ich habe mal versucht, die Ferien lang, jeden Tag zu schreiben, sechs Stunden oder so, und ich war unglücklich, weil ich sehr gerne schreibe, aber auch sehr gerne mit Menschen umgeben bin.
    Wegmann: Apropos: Wie wichtig ist denn die Selbstvermarktung? Wie wichtig sind Lesungen? Wie wichtig ist es, auf den sozialen Netzwerkplattformen präsent zu sein?
    Scheler: Das ist eine gute Frage, da kommt gleich die zahlengetriebene Wissenschaftlerin in mir raus: Ich weiß es nicht. Es bringt bestimmt was. Ich persönlich hab' weder Facebook noch Instagram und mein Blog ist schrecklich leer, was daran liegt, dass ich mich immer entscheiden muss: Schreib' ich an was Neuem oder schreib ich über die Dinge, die ich schon geschrieben habe? Und dann entscheide ich mich meistens dafür, etwas Neues zu schreiben. Deswegen kann es gut sein, dass es hilft, ich habe keine Zahlen dahinter, um es zu belegen oder zu widerlegen, ich weiß bloß, dass das für mich die richtige Entscheidung ist.
    "... dass alle Enden irgendwie am Ende wieder einen Anfang haben"
    Wegmann: Und woran schreibt Ulla Scheler gerade?
    Scheler: Ich schreibe an einem, eigentlich an zwei neuen Büchern, es ist ein ganz schönes Biest, ich hab' noch nie was in der Art geschrieben. Es kommen viele Personen vor im Vergleich zu meinen bisherigen Büchern, wo es eher ein kleiner Cast sozusagen ist. Es macht mir ein bisschen Angst, aber auch sehr viel Spaß.
    Wegmann: Was heißt jetzt Biest?
    Scheler: Die Geschichte, sie zu verschnüren, so dass alle Enden irgendwie am Ende wieder einen Anfang haben und ein großes Ganzes daraus wird. Also dieses Plotten, von dem wir gesprochen haben, das ist die Schwierigkeit.
    Wegmann: Gibt es schon einen Titel? Einen Erscheinungstermin?
    Scheler: Weder noch. Ich hab' bisher noch nichts geschrieben, nur geplant, aber ich hoffe, dass ich dieses Jahr gute Fortschritte mache.
    Wegmann: Wir freuen uns auf ein neues Buch von Ulla Scheler, das war der Büchermarkt am Samstag. Ich bedanke mit bei Ulla Scheler.
    Ulla Scheler: "Es ist gefährlich bei Sturm zu schwimmen"
    Heyne Verlag, 366 Seiten, 14,99 Euro
    Ulla Scheler: "Und wenn die Welt verbrennt"
    Heyne Verlag, 432 Seiten, 14,99 Euro