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AviClim-Studie
Lassen sich Luftverkehr und Klimaschutz vereinbaren?

Der Flugverkehr nimmt immer mehr zu, auch in den Schwellenländern. Das allerdings könnte für das Klima verheerende Folgen haben. Am Forschungszentrum für Luft- und Raumfahrt hat man in einer Studie die Einbeziehung des Luftverkehrs in internationale Klimaschutzprotokolle untersucht.

Von Anja Krieger | 23.04.2015
    Eine Maschine der Lufthansa ist am 29.09.2014 am Flughafen von Frankfurt am Main (Hessen) nahe eines Stoppschilds im Landeanflug.
    Der Luftverkehr wird weltweit zunehmen mit dramatischen Folgen für das Klima. (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
    Die Studie zur Einbeziehung des Luftverkehrs in internationale Klimaschutzprotokolle, kurz AviClim, hat ein interdisziplinäres Forscherteam erstellt: Derart komplex war die Fragestellung der Studie, die das vom Bundesforschungsministerium im Rahmen des Programms "Ökonomie des Klimawandels" finanziert hat. Janina Scheelhaase, am Institut für Flughafenwesen und Luftverkehr des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR zuständig für das Thema Luftverkehrsökonomie, hat das Projekt geleitet.
    "In der Öffentlichkeit, aber auch in den politischen Diskussionen konzentriert sich die Diskussion auf die CO2-Emissionen des Luftverkehrs. Es ist aber tatsächlich so, dass die sogenannten Nicht-CO2-Emissionen des Luftverkehrs, diese ganzen Effekt zusammen haben ungefähr dieselbe Klimawirkung wie CO2 alleine."
    Auswirkungen der Luftfahrt auf das Klima
    Die Auswirkungen der Luftfahrt auf das Klima sind also mindestens doppelt so groß, wie die Folgen des Kohlendioxids, das die Triebwerke in die Luft pusten. Robert Sausen vom Institut für Physik der Atmosphäre des DLR in Oberpfaffenhofen hat mit seinem Team detailliert berechnet, was alles zur Klimawirkung der globalen Luftfahrt beiträgt.
    "Das ist Wasserdampf, dann sind das Stickoxide, die in der Folge Ozon bilden und Methan abbauen, dann gibt es Beiträge zu den Wolken, das kann jeder sehen, es sind Kondensstreifen, Kondensstreifen können sich zu sogenannten Kondensstreifen-Zirren entwickeln, und damit fast den ganzen Himmel bedecken, bei bestimmten Wettersituationen. Es gibt noch weitere Beiträge über Schwefel, Ruß, die allerdings immer kleinere Effekte haben."
    Um zu verstehen, wie sich das Fliegen auf das Klima auswirkt, haben Sausen und sein Team praktisch den gesamten Weltluftverkehr simuliert, mit etwa 30 Millionen Flüge pro Jahr. Robert Sausen:
    "Aufgrund der unterschiedlichen Lebensdauern der emittierten Stoffe ist die Wirkung von Luftverkehrseffekten nicht gleichförmig über die Erde verteilt, sondern es kommt darauf an, wo ein Flugzeug fliegt, in welcher Höhe, auf welcher geografischen Breite, zu welcher Tag- oder Nachtzeit. Um das jetzt für alle Flugzeuge zu erfassen, kann man nicht pauschalisieren, sondern muss jeden einzelnen Flug sich anschauen, und kann auf diese Weise dann eine Gesamtwirkung darstellen."
    Die CO2-Effekte trugen 2005 mit 1,6 Prozent zum menschengemachten Strahlungsantrieb bei. Zusammen mit den zusätzlichen Emissionen erhöht sich der Anteil auf fast 5 Prozent.
    Kombination der politischen Maßnahmen als Mittel
    Die Forscher des Forschungszentrums für Luft- und Raumfahrt ließen ihr Modell auch berechnen, wie sich mögliche Maßnahmen zur Reduktion der klimarelevanten Emissionen auswirken könnten - etwa eine Klimasteuer, der Emissionshandel, ein Entgelt für Stickoxid-Emissionen oder ökologischere Flugrouten. Je nach Kombination der politischen Maßnahmen könnte das massive Auswirkungen für die Passagiere und Angestellte des Sektors haben.
    "Wir haben Szenarien, die führen nahezu zu einem Zusammenbruch des Luftverkehrssektors, wir haben aber auch Szenarien, wo auf der Luftverkehrsseite fast nichts passiert, aber bei den Emissionen finden dann auch nahezu auch keine Verringerungen statt."
    Ein globaler Emissionshandel, der alle klimarelevanten Bestandteile der Flugzeug-Abgase einbezieht, ist der Studie zufolge der finanziell günstigste Weg für die Branche. Mit einem offenen Handelsystem könnte der Flugverkehr weiter wachsen, indem er sich über Emissionszertifikate aus anderen Sektoren freikauft. Janina Scheelhaase:
    "Der Emissionshandel ermöglicht relativ geringe Kosten bei den teilnehmenden Fluggesellschaften, es ist also möglich, Emissionsvermeidung zu relativ geringen Kosten dort umzusetzen, und gleichzeitig ist es in bestimmten Szenarien möglich, bis zu 70 Prozent der Klimawirkung des Luftverkehrs zu reduzieren."
    Preiswerte Emissionsvermeidung möglich
    Nach dreieinhalb Jahren Arbeit an der Studie präsentieren die Forscher ihre Ergebnisse zu einem taktisch wichtigen Zeitpunkt. Derzeit wird diskutiert, wie Flugzeugemissionen global reduziert werden können. Schon 2016 will die internationale Luftfahrt-Organisation ICAO zu einer Einigung kommen. Doch bisher geht es nur um die eine Hälfte des Problems: Das CO2. Die AviClim-Studie könnte dazu beitragen, dass auch über die weiteren Emissionen gesprochen wird, erklärt Janina Scheelhaase.
    "Es wäre durchaus möglich, die Ergebnisse von unserer Untersuchung zu nehmen und dieses Modell, was dann ja, fertig sein sollte, auch auf die anderen klimarelevanten Emissionen des Luftverkehrs zu übertragen."
    Für die nähere Zukunft sind bahnbrechend neue Technologien nicht in Sicht. Und so wird entscheidend sein, was 2016 zur Regulierung der Luftfahrtemissionen entschieden wird.