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Back to the roots

Barnett Newman, Mark Rothko und Willem de Kooning sind nur einige der ganz großen Namen des abstrakten Expressionismus Amerikas, wie er nirgendwo anders besser, größer und schöner zu sehen ist als im New Yorker Museum of Modern Art.

Von Sascha Verna | 05.10.2010
    Das Museum of Modern Art ist zurzeit ein Museum des abstrakten Expressionismus. Die gigantische Ausstellung über die erste amerikanische Kunstbewegung mit internationaler Ausstrahlung umfasst drei Etagen und über 250 Werke, von Bildern und Skulpturen bis zu Fotografien und Filmen. Die Schau reicht von den Anfängen der Kunst und der Künstler, mit denen sich das Zentrum der zeitgenössischen Kunst in den Vierzigerjahren von Europa nach New York verlagerte, bis in die späten Sechzigerjahre. Sie wolle nicht die Geschichte des abstrakten Expressionismus neu erzählen, sondern einen Eindruck von der Komplexität seiner Entstehung vermitteln, sagt die Kuratorin Anne Temkin:

    "Die Erinnerung an das, was wichtig war, reduziert sich über die Jahrzehnte hinweg auf zwei oder drei Namen, auf zwei oder drei Meisterwerke. Die Leute denken: oh, Jackson Pollock, ich weiß. Natürlich ist die Realität immer vielschichtiger, und es sind viel mehr Künstler involviert als die paar großen Vorreiter."

    Um Jackson Pollock kommt diese Ausstellung freilich nicht herum. Mit ihm beginnt sie vielmehr. Sein Bild "The She-Wolf" von 1943 empfängt den Besucher. Es ist neben einigen Arbeiten von Arshile Gorky das erste Beispiel der neuartigen heimischen Kunst, welches das Museum of Modern Art 1944 kaufte. Und es war der Anfang dessen, was sich zu einer fruchtbaren Beziehung zwischen dem Museum und den Künstlern entwickeln sollte, die sich zu jener Zeit regelmäßig in New Yorker Downtown-Bars wie der inzwischen legendären Cedar Tavern versammelten, um über den Sinn und das Wesen von Kunst zu diskutieren.

    Das Museum of Modern Art habe Künstlern wie Willem de Kooning, Franz Kline und Mark Rothko zuerst die Matisses, Picassos und Kandinskys gezeigt, sagt Anne Temkin:

    "Die Möglichkeit zu sehen, was bisher in Europa gemacht worden war und sich dann die Frage zu stellen: Wie können wir das in etwas Eigenes verwandeln? Als die Künstler damit begannen, war das Museum of Modern Art zur Stelle, um die Arbeiten zu kaufen und auszustellen. Es verfügte über Kritiker und Kuratoren, die diese Werke einzuschätzen verstanden. Durch diese Verbindung wurde diese Institution zum ersten Mal zu einem Teilnehmer des Kunstgeschehens."

    So überrascht es nicht, dass das Museum of Modern Art über die weltweit umfangreichste und bedeutendste Sammlung von Werken des abstrakten Expressionismus verfügt. Tatsächlich stammen sämtliche Exponate in dieser Ausstellung aus den Beständen des Museums. Und die sind wirklich atemberaubend.
    Die Schau ist lose chronologisch organisiert. Räume mit Werken verschiedener Künstler darunter weniger bekannten wie Bradley Walker Tomlin und Harry Callahan, wechseln sich mit monothematischen ab. Im Barnett Newman gewidmeten Saal etwa ist "Onement, I" zu sehen, jene farblich zweigeteilte rötliche Leinwand von 1948, die Newman später als sein "Durchbruch-Bild" bezeichnete.
    Gezeigt werden natürlich auch Arbeiten von Hans Hofmann, des deutschen Exilanten, der von vielen als Vater des Abstrakten Expressionismus betrachtet wird. Sein farbenprächtiges kleines Bild "Spring" von 1944/45 mutet wie eines von Jackson Pollocks Drip-Paintings unter der Lupe an.

    "Abstract Expressionist New York" ist keine revolutionäre Ausstellung. Es ist eine enzyklopädische Ausstellung. Man mag Unterlassungen beklagen und den Aufbau als zu akademisch kritisieren. Man kann hier aber auch einfach dankbar tiefer in eine bestimmte Ära der Kunstgeschichte eintauchen, als dies
    je irgendwo anders möglich sein wird.

    "Abstract Expressionist New York" ist im Museum of Modern Art bis am 25. April 2011 zu sehen.