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Bad Sex in Fiction Award
Negativpreis für miese Sexszenen in Romanen

Diesen Preis will keiner haben: Mit dem Bad Sex in Fiction Award zeichnet ein britisches Literaturmagazin die schlechtesten Sex-Szenen in aktuellen Romanen aus. Auf der Shortlist der Schlüpfrigkeiten steht in diesem Jahr unter anderem der Japaner Haruki Murakami.

Von Benedikt Schulz | 03.12.2014
    Die Tastatur-Buchstaben S, E, X liegen einzeln auf einer rosa Tischdecke.
    Sexszenen, die nichts zur Entwicklung von Handlung und Charakter beitragen, sind dem "Literary Review" ein Graus. (picture alliance / dpa / Foto: Tuomas Marttila)
    "Die beiden umschlangen Tsukuru von allen Seiten. Kuros Brüste waren weich und voll. Shiros waren klein, aber ihre Brustwarzen wurden hart wie runde Kieselsteine. Das Schamhaar der beiden war feucht wie der Regenwald. Ihr Atem vermischte sich mit seinem, wie von weither kommende Strömungen, die sich unbemerkt auf dem dunklen Meeresgrund begegnen."
    Zeilen wie aus einem Groschenroman. Abgeschmackt, anzüglich, irgendwie peinlich. Ein Auszug aus Haruki Murakamis aktuellem Buch "Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki" - die "FAZ" hat es als "Meisterwerk", die "Süddeutsche Zeitung" als ein "großes Buch voller Ruhe und Spannung" bezeichnet. Und noch ist die Szene nicht zu Ende:
    "Nach langen, innigen Liebkosungen drang er in Shiros Vagina ein. Sie setzte sich auf ihn, nahm sein hartes Glied in die Hand und führte es in sich ein. Wie von einem Vakuum angesogen glitt sein Penis ohne jeden Widerstand in ihren Körper. Ihre langen schwarzen Haarsträhnen schwangen über seinem Gesicht wie Peitschen."
    Vom Man Booker Prize zum Bad Sex Award
    Murakami ist auf der diesjährigen Shortlist des "Bad Sex in Fiction"-Awards - übrigens schon zum zweiten Mal - und da braucht er sich nicht zu verstecken: Der Australier Richard Flanagan hat für seinen Roman "The Narrow Road to the Deep North" vor Kurzem den renommierten Man Booker Prize erhalten, jetzt könnte der Preis für die schlechteste Sexszene dazukommen. Verantwortlich dafür - dieser Kitsch hier:
    "Was immer ihre Körper zuvor in Schranken hielt, war nun verschwunden. Wenn die Erde sich drehte, dann stockte sie, wenn der Wind wehte, dann wartete er. Hände fanden Fleisch, Fleisch, Fleisch. Er küsste den leichten, rosigen Abdruck ihrer Strumpfhose, der rund um ihren Bauch verlief, wie der Äquator um die Erde. Als sie sich verloren in ihrer gegenseitigen Weltumsegelung, kam von nahem das schrille Kreischen, das in einem sanften Heulen endete."
    1993 bemerkte der damalige Herausgeber der Literaturzeitschrift "Literary Review", Auberon Waugh, ein wiederkehrendes Muster in aktuellen Romanen. Sexszenen, die nichts, aber auch gar nichts zur Entwicklung von Handlung und Charakter beitrugen. Und das, obwohl der Text um den Geschlechtsverkehr herum durchaus literarische Klasse hatte. Mit dem Preis wollte Waugh die Aufmerksamkeit lenken auf die oft kruden und geschmacklosen, vor allem aber überflüssigen Aktbeschreibungen - als abschreckendes Beispiel. Einmal bisher, 2010 wurde auch ein nicht-fiktionales Werk nominiert. Der ehemalige britische Premier Tony Blair hat den Preis für seine Memoiren zwar nicht abräumen können. Preisverdächtig sind seine Zeilen allemal:
    "Sie sagte mir genau, was ich nötig hatte. In der Nacht des 12.Mai 1994 brauchte ich die Liebe ganz eigennützig, die Cherie mir gab. Ich verschlang sie, damit sie mich stärkte, ich war ein Tier, das seinem Instinkt gehorchte."
    Überflüssige Aktbeschreibungen
    Zehn Werke haben es dieses Jahr auf die Shortlist geschafft. Die meisten Preisträger nehmen die Sache mit. Abholen tun ihn nur die Wenigsten - etwa der Newcomer Iain Hollingshead 2006 - ihn freue, sagte der damals 25-Jährige, dass er der bisher jüngste Gewinner in der Geschichte des Awards sei - und er hoffe, den Preis von nun an jedes Jahr zu gewinnen. Mittlerweile zielt der Bad Sex Award auch auf Szenen ab, die vor allem unfreiwillig komisch wirken.
    Wie diese schwüle Altherrenfantasie von Erfolgsschriftsteller Wilbur Smith:
    "Ihr Körper war haarlos. Auch ihre Vulva war frei von Haaren. Die Spitzen ihrer inneren Lippen ragten schüchtern aus der vertikalen Schlucht. Der süße Tau der weiblichen Erregung funkelte auf ihnen."
    Und dann ist da auch noch die Newcomerin May-Lan Tan unter den Anwärtern, ihre Sammlung von Kurzgeschichten hat der britische "Guardian" noch im Frühjahr als "exzellentes Debüt" gefeiert.
    "Kurz bevor ich komme, drehe ich sie auf den Rücken und entferne ihre Unterwäsche. Gott, es ist, als ob man sein Ding in die Sonne stecken würde."
    Wie sich das anfühlt, das will man sich eigentlich nicht vorstellen.