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Baden-Württemberg
Berufsorientierung als Schulfach

In deutschen Schulen wird Berufsorientierung in ganz unterschiedlicher Form angeboten. Manche Schüler finden es spannend, andere sehen in der Auseinandersetzung mit der beruflichen Zukunft reine Zeitverschwendung. In Baden-Württemberg soll im kommenden Schuljahr Berufsorientierung zum Pflichtfach werden.

Von Susanne Arlt | 17.10.2016
    Eine Teilnehmerin des Alphabetisierungskurses sitzt am 30.08.2016 im Klassenzimmer der VHS Erfurt (Thüringen).
    Auch im Fach Berufsorientierung werden mitunter Noten vergeben. (dpa / picture alliance / Andreas Göbel)
    Grundkurs "Studium und Beruf" in der elften Klasse des Sartre-Gymnasiums in Berlin-Hellersdorf. 15 Schülerinnen und Schüler sitzen im Computerraum vor einem PC. Sie sollen Pläne für ihre Zukunft nach der Schule schmieden. Sollte es mit Plan A nicht klappen, muss auch noch Plan B her, sagt Lehrerin Karin Kölmel. Die 15 Jahre alte Emelie hat schon viel über ihre spätere Berufswahl nachgedacht. Am Sartre-Gymnasium ist das Fach "Studien- und Berufsorientierung", kurz SBO, bereits ab der achten Klasse Pflicht. Emelie stört das nicht, im Gegenteil.
    "Wenn man jetzt schon im frühen Alter anfängt, sich langsam Gedanken zu machen, was man später vielleicht mal machen möchte, ist es dann auch später einfacher, was zu finden. Weil man halt auch mehr über seine Stärken, seine Interessen im Unterricht herausfinden kann und das ist halt auch für einen selber ganz nützlich.
    Neben ihr sitzt Mitschüler Christian Hartig. Er habe das Fach anfangs nicht so toll gefunden, sagt er frei heraus. Extra-Arbeit und total unnötig.
    "Aber wenn man das jetzt von dem Standpunkt eines Elft-Klässlers sieht, dann hat man eine andere Perspektive. Dadurch habe ich mich schon früh damit beschäftigt und habe das jetzt nicht vernachlässigt und dadurch weiß ich jetzt auch gezielt, was ich gerne werden möchte."
    Angebote zur Studien- und Berufsorientierung oft erst spät
    Einer Karriere als Immobilienkaufmann scheint nun nichts mehr im Weg zu stehen. An Berliner Gymnasien ist SBO im Rahmenlehrplan bis zur zehnten Klassen nicht als festes Unterrichtsfach vorgesehen. Erst in der Oberstufe wird es angeboten und dann auch nur als Wahlpflichtfach. Zu spät, zu wenig, zu freiwillig, findet Karin Kölmel.
    "Von Wirtschaft hört man da gar nichts, und dann braucht man sich auch nicht wundern, dass die Leute aus den Gymnasien kommen und keiner Wirtschaft studieren will oder VWL, sich niemand oder wenige mit der Idee anfreunden, sich selbstständig zu machen. Also das ist ein Grundproblem."
    Darum hat sie gemeinsam mit Kollegen ein umfangreiches Schulprofil für das Sartre-Gymnasium entwickelt mit dem Schwerpunkt Studien- und Berufsorientierung. Themen dazu finden fächerübergreifend auch im anderen Unterricht statt. Kölmel hält es aber für wichtig, dass am Ende im Zeugnis auch eine SBO-Note steht. Nur so entwickelten die Schüler das nötige Bewusstsein für das Thema. Ihrer Meinung nach kann man nicht früh genug damit anfangen:
    "Wie recherchiere ich Berufsbilder, wie bewerbe ich mich, wie informiere ich mich, wie nutze ich Messen, benutze das Internet für meine individuellere Recherche und dabei wollen wir die Schüler einfach unterstützen auf diesem Weg, um eine begründete, eine gute Entscheidung für die Zukunft zu setzen, wie es weitergeht nach der Schule."
    Baden-Württemberg: Wirtschaft und Berufsorientierung in einem Fach
    Wie in Berlin wird der Stoff Studium- oder Berufsorientierung in vielen Bundesländern in unterschiedlichster Form angeboten. Ein Land sieht besonderen Handlungsbedarf und hat zusätzlich das Fach Wirtschaft damit verknüpft. Baden-Württemberg bietet ab diesem Schuljahr das umfangreiche Thema in einem Fach gebündelt an - und zwar verpflichtend. Gymnasiasten sollten schon ab der achten Klasse wissen, was eine Staatsanleihe ist oder wie ein Hedgefonds funktioniert, sagt Kultusministerin Susanne Eisenmann.
    "Also die pauschale, reflexartige Unterstellung, da geht es nur drum, ökonomische Höchstleistungen für die Zukunft zu generieren, das ist nicht Inhalt und auch nicht Zielsetzung. Sondern die ganze Bandbreite und Vielfalt von wirtschaftlichem Zusammenhängen und wirtschaftlichen Kräften, die in einem Wirtschaftsraum mitwirken."
    An den Beratungen für das Fach waren gleichermaßen Verbandskammern, Gewerkschaften, Unternehmen beteiligt. Dass Vertreter von ihnen auch in den Unterricht kommen, findet die CDU-Politikerin nicht abwegig. Zum Thema Tarifrecht hätten ein Unternehmer und ein Gewerkschafter den Schülern sicherlich gleichermaßen viel zu sagen.
    "Darüber Fachwissen zu haben, in aller Neutralität und Objektivität, das kann also so falsch nicht sein. Das ist weder rückwärtsgewandt, noch neoliberal, das verfolgt gar keinen Ansatz, sondern soll Fachwissen vermitteln. Ich glaube, dass wir da tatsächlich einen Nachholbedarf haben."