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Baden-Württemberg
Kretschmann unterwegs im Wahlkampfbus

Fast sechs Jahrzehnte stellte die CDU in Baden-Württemberg den Ministerpräsidenten. Vor fünf Jahren zog mit Winfried Kretschmann erstmals ein grüner Ministerpräsident in das Staatsministerium ein. Am 13. März ist wieder Landtagswahl und auch konservative Wähler können sich inzwischen vorstellen, ihn zu wählen.

Von Uschi Götz | 03.03.2016
    Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg
    Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg (picture alliance / dpa - Christoph Schmidt)
    Winfried Kretschmann isst auf der Rückbank seines Wahlkampfbusses mehrere Schokoriegel, der Bus ist eher ein Bussle, sprich der Platz ist sehr begrenzt, man sitzt dicht beieinander:
    Die Termine sind eng getaktet. Von Bruchsal geht es nach Sinsheim, am Abend noch ein Auftritt in Ludwigsburg. Die Tage gleichen sich, nur die Orte sind verschieden.
    Raus aus dem Bus, rauf auf die Bühnen: Bildungspolitik, Infrastruktur, Energiewende, Wissenschaft, Stichworte für das grobe Redegerüst, doch spätestens nach einer Stunde ist Kretschmann bei der Flüchtlingspolitik.
    Wichtiges Thema im Landtagswahlkampf: Flüchtlingsfrage
    Die Flüchtlingsfrage wird auch die Landtagswahl in Baden-Württemberg maßgeblich entscheiden. Kretschmann ist auf der Seite der Bundeskanzlerin, als Kanzlerinnenversteher verspottet ihn deshalb sein CDU Herausforderer Guido Wolf. Steilvorlagen für Kretschmann:
    "Was heißt Kanzlerinnenversteher? Wenn Europa an der Frage zerbricht, hat das katastrophale Folgen für den ganzen Kontinent. Dass ist die Sorgen, die mich umtreibt, treibt auch die Kanzlerin um, deswegen versuchen wir alles, alle Leidenschaft und alle Kraft muss dahingehen, die Krise europäisch zu lösen."
    Die Kanzlerin wehrt sich mittlerweile gegen diese Form der Zuwendung und ruft bei einer Wahlkampfveranstaltung in Freiburg dazu auf, wer sie mit ihrer Flüchtlingspolitik unterstützen möchte, solle CDU wählen und nichts anderes.
    Die grünen Oberbürgermeister im Land
    In Freiburg wirbt indes der grüne Oberbürgermeister Dieter Salomon schon länger für eine künftige Koalition mit der CDU. Schwarz-Grün, Grün-Schwarz, davon will Kretschmann jetzt nichts wissen.
    Auch nicht von den Äußerungen eines anderen Oberbürgermeisters. Boris Palmer, Oberbürgermeisters in Tübingen, äußert sich in regelmäßigen Abständen zur Flüchtlingsfrage. Er ist für ein geordnetes Zuwanderungsverfahren, doch seine Begründungen bleiben meist auf der Strecke, am Ende eines "Spiegel"-Interviews blieb die Schlagzeile: Es seien nicht die Zeiten für Pippi-Langstrumpf - oder Pony-Politik. Kurz vor der Wahl will Kretschmann sich nichts mehr zu Palmer sagen.
    "Der Oberbürgermeister von Tübingen darf sich wie jeder andere auch. Da muss ich nichts dazu sagen."
    Die Oberbürgermeister sorgen für Diskussionsstoff. Wahlexperte Frank Brettschneider, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim, glaubt es handle sich im Fall Palmer um Zündstoff.
    "Vor allem stört es ja die Geschlossenheit der Grünen in dieser Frage. Da sollt er lieber seine Arbeit machen und die auch einbringen, in Parteiarbeitskreisen, aber dem Drang, da ein öffentliches Zitat zu bekommen, stärker widerstehen. Bisschen anders sieht das bei Salomon aus, wenn der sich äußert, dann ist das sehr sachbezogen und weniger effektheischend, durchaus etwas, was den Grünen nutzt."
    In Wahlumfragen liegen die Grünen in Baden-Württemberg mittlerweile gleichauf mit der CDU, je nach Institut um die 30 Prozent. Die Junge Union startet deshalb heute eine Gegenkampagne. Landesweit wird auf Plakaten unter anderem der Spruch "Kretschmann wählen bedeutet Özdemir bekommen" zu lesen sein.
    Autogramme und Selfies
    Bei Kretschmanns Beliebtheitswerten von über 60 Prozent im Land könnte diese Kampagne schief gehen. Egal wohin der frühere Gymnasiallehrer kommt, er muss Autogramme geben, erwachsene Frauen und Männer möchten sich mit ihm fotografieren lassen.
    Kretschmann isst noch einen Schokoriegel und meint kurz vor seinem nächsten Wahlkampfauftritt:
    "Natürlich hat man auch einmal genug nach dem 15. Selfie, aber ich denke immer, ist doch besser die Leute wollen mit mir reden, als dass sie mir aus dem Weg gehen."