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Baden-Württemberg
"Sexuelle Vielfalt" auf dem Lehrplan

In Baden-Württemberg soll bald "sexuelle Vielfalt" auf dem Stundenplan stehen. Dies hatte für heftige Diskussionen gesorgt. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmannd verteidigte den Bildungsplan erneut. Solange, "schwule Sau" das häufigste Schimpfwort auf Schulhöfen sei, bestehe Handlungsbedarf.

Von Michael Brandt | 24.02.2014
    Die Auseinandersetzung über den neuen Bildungsplan in Baden-Württemberg und das umstrittene Arbeitspapier zur Akzeptanz von sexueller Vielfalt schlägt noch immer Wellen. Jüngst war es der Jesuitenpater Klaus Mertes, der davon sprach, dass es missbrauchsanfällig sei, wenn in dem Papier die Rede von<ins cite="mailto:Thümmel,%20Grit%20[X]" datetime="2014-02-24T12:08"> </ins>dem Lernziel sei, die eigene sexuelle Identität zu erkennen. Es dürfe, so der Schulleiter des Jesuitenkollegs in Sankt Blasien, niemals eine Situation entstehen, in der ein Schüler unter den Druck gerate, sich outen zu müssen.
    Gleichzeitig machte der baden-württembergische Ministerpräsident das Thema zu Chefsache und erklärte hörbar engagiert:
    "Ich werde alles versuchen, dass jetzt da diese Anzeichen von Kulturkampf, die sich jetzt da entwickeln, dass wir das beenden und alle Eltern ihre Kinder mit Vertrauen in den Unterricht schicken."
    Es gehe nicht darum, Kinder zu indoktrinieren
    Aber solange, so noch einmal Ministerpräsident Kretschmann, "schwule Sau" das häufigste Schimpfwort auf Schulhöfen sei, bestehe Handlungsbedarf. Es gehe aber definitiv nicht darum, Kinder zu indoktrinieren oder gar umzuerziehen, Letzteres sei übrigens schlicht verboten:
    "Was ich bezüglich dieser Petition noch mal ganz entscheiden zurückweisen muss: Dass diese Landesregierung beabsichtigt, Kinder pädagogisch-moralische umzuerziehen und wir damit in die Nähe totalitärer Regime gerückt werden. Das geht gar nicht. In der Demokratie wird in einer Schule niemand umerzogen. Davon sind wir so wie entfernt wie der Mond."
    Derzeit geht die Landesregierung im Umgang mit dem Arbeitspapier zweigleisig vor. Einerseits wird in der Fachkommission, die für die Formulierung des neuen baden-württembergischen Bildungsplans zuständig ist diskutiert und die Ergebnisse in den tatsächlichen Bildungsplan eingearbeitet. Der soll dann voraussichtlich im Herbst vorgestellt werden und kommt dann in die Anhörung der Verbände, die im Bildungsbereich etwas zu sagen haben.
    Gleichzeitig will der Ministerpräsident persönlich will nun ein Gespräch mit Vertretern evangelikaler Gruppen in Baden-Württemberg führen, aus deren Umfeld die Online-Petition kommt und die sich mit dem Arbeitspapier besonders schwertun. Diese Gruppen gehören zum Umfeld des Pietismus, der in einigen Regionen von Württemberg noch stark verwurzel ist.
    "Staatssekretär Rust und ich werde in Bälde ein Gespräch zu führen mit Vertretern von evangelikalen Gruppen, die da sehr besorgt mir schreiben. Ich versuche alles zu tun, um mit den entsprechenden Leuten zu reden. Wir nehmen das alles sehr ernst, auch die Bedenken. Nur das kann der Weg sein, dass wir da zu einer Auseinandersetzung kommen, die dem Thema angemessen ist."
    Hass gegen Schwule, Lesben und Transsexuelle verurteilt
    Im Unterschied zu der scharfen Kritik an dem Arbeitspapier aus dem konservativ-protestantischen Lager ist die Kritik von katholischer Seite deutlich zahmer im Ton und differenzierter in Argumentation. Jesuitenpater Klaus Mertes wendet sich zwar gegen den Zwang zum Outing in der Schule, verurteilt andererseits Hetze gegen Homosexuelle: Es sei ekelhaft, so der Schulleiter aus Sankt Blasien in einem Zeitungsinterview, wenn sich christlich nennende Hetzer und Blogger von einem christlichen Menschenbild sprächen, um Hass gegen Schwule, Lesben und Transsexuelle zu säen.
    Schüler sehen es gelassen
    Die Schüler selbst, hier zum Beispiel am Hölderlin Gymnasium in Stuttgart, können den ideologischen Kampf um das Thema, der zu entstehen droht, kaum nachvollziehen. Warum auch nicht, sagen sie zu dem Arbeitspapier, Informationen über sexuelle Vielfalt können ja nicht schaden:
    "Also ich hab jetzt noch nie wirklich was erfahren darüber in der Schule / Also ich kenn nur Lesben, Schwule, Transsexuelle, mehr weiß ich auch nicht darüber, und das sagt ja schon einiges aus / also ich würde es nicht früher als in der Klasse 8 anfangen, sonst ist es einfach zu frühe / es ist wichtig, dass man die verschiedenen Lebensformen zeigt und sagt, dass es eben total normal ist."
    Und Christian Sterk, der Vorsitzende des Landesschülerbeirats Baden-Württemberg sieht es genauso:
    "Wir unterstützen die Landesregierung in ihrem Vorhaben, dass das Thema Homosexualität im Unterricht einzubringen, weil es bis jetzt kaum vorkommt. Einzelne Lehrer machen das, dass sie sagen, dass es noch was anderes gibt als Heterosexualität, daher begrüßen wir das und finde es gut."