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Baden-Württemberg
Spekulationen über Grün-Schwarz im Ländle

Winfried Kretschmann kann Ministerpräsident bleiben – wenn seine Grünen einen neuen Koalitionspartner finden, denn mit der SPD haben sie keine Mehrheit mehr. Heißer Kandidat ist die CDU, auch wenn deren Spitzenkandidat das Ziel, Kretschmann abzulösen, noch nicht aufgegeben hat. Alternativ wären nur Dreierkoalitionen möglich - und weniger wahrscheinlich.

Von Barbara Roth | 14.03.2016
    Winfried Kretschmann hebt abwehrend die Hände.
    Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei der Wahlparty der Grünen in Stuttgart. (dpa / Marijan Murat)
    Winfried Kretschmann: "Jetzt ist es halb elf. Und ich bin endlich von diesen fürchterlichen Interviews erlöst und kann endlich ein bisschen mit Euch feiern."
    Winfried Kretschmann am Ende eines langen Wahlabends. Sichtlich müde, aber glücklich. Seine Frau Gerlinde neben ihm strahlt. Denn der Triumpf der Grünen in Baden-Württemberg trägt Kretschmanns Namen. Zum ersten Mal überhaupt ist die Ökopartei mit 30,3 Prozent stärkste Kraft in einem Parlament. Und Baden-Württemberg als Stammland der CDU ist Geschichte.
    Kretschmann: "Und jetzt eine richtige Orgie von Direktmandaten. Ja, das muss man schon sagen, das läuft einem schon runter wie das heilige Öl."
    70 Wahlkreise hat Baden-Württemberg, die jahrzehntelang fast ausschließlich die CDU direkt gewonnen hat. 46 dieser Wahlkreise sind seit gestern grün – auch Villingen-Schwenningen, wo einst der frühere CDU-Ministerpräsident Erwin Teufel kandidierte. Der Beweis dafür, dass Kretschmann mittlerweile breiten Rückhalt im bürgerlich-konservativen Lager hat.
    "Das Wahlergebnis hat natürlich einen ganz bitteren Wermutstropfen. Das ist das Erstarken der AfD. Auch wir haben aus unserer Wählerschaft erheblich Stimmen verloren an die AfD: 68.000. Das hat mich nun völlig überrascht."
    Zwei Direktmandate für die AfD
    In Mannheim und Pforzheim holten Kandidaten der AfD sogar die Direktmandate. In den Landtag zieht die Partei mit 15,1 Prozent als drittstärkste Kraft ein – vor der SPD, die um zehn Prozentpunkte auf 12,7 Prozent absackte. Weshalb es auch zu einer Fortsetzung von Grün-Rot in Baden-Württemberg nicht mehr reicht. SPD-Landeschef Nils Schmid sichtlich erschüttert:
    "Die gute Arbeit unserer starken Regierungsmannschaft hat sich für die SPD an diesem Wahltag nicht ausgezahlt, wir zahlen einen hohen Preis für dieses erfolgreiche gemeinsame Regieren."
    Besonders demütigend ist der Wahlausgang für die Christdemokraten. 27 Prozent, minus 12 Prozentpunkte – für den Absturz verantwortlich machte Spitzenkandidat Guido Wolf die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und damit – ohne ihren Namen zu nennen – seine Parteivorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel. Obwohl Verlierer der Wahl, kündigte Wolf am Abend an:
    "Ich will ausdrücklich für meine Partei sagen: Es gibt ja auch Konstellationen ganz neuer Art für Baden-Württemberg. Wir als Union, wir reden mit allen, mit den Grünen, mit der SPD, mit der FDP."
    Langwierige Koalitionsverhandlungen
    Personelle Konsequenzen für sich schloss er aus. Stattdessen favorisiert Wolf eine Deutschlandkoalition – also schwarz-rot-gelb – unter seiner Führung. Ob der glücklose Spitzenkandidat das allerdings noch bestimmen kann, ist fraglich. Zumal: Die SPD winkt bereits ab.
    Wer wird also Baden-Württemberg künftig regieren? Es stehen langwierige Koalitionsverhandlungen bevor: Eine Ampel - also Grün, Rot, Gelb - könnte an den Liberalen scheitern. Die FDP hat sich mehrfach gegen dieses Bündnis ausgesprochen. FDP-Spitzenkandidat Hans Ulrich Rülke gestern Abend:
    "Die grün-rote Landesregierung wurde ja auch abgewählt. Und insofern ist für uns klar, wenn wir den Politikwechsel nicht durchsetzen können, werden wir in der Opposition bleiben."
    Damit könnte es auf eine grün-schwarze Koalition unter Winfried Kretschmann hinauslaufen. Bislang vor allem für einige in der CDU undenkbar – von einer Demütigung wird gesprochen. Die Grünen werden auch uns wie eine Gottesanbeterin aussaugen, meinte ein Christdemokrat wörtlich. Ein anderer ist dafür, als Juniorpartner mit den Grünen zusammenzugehen. Nur so sei die Baden-Württemberg CDU gezwungen, sich wirklich zu erneuern. Wie es auch kommen mag – spätestens im August muss es laut Landesverfassung eine neue Regierung geben.