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Baden-Württemberg
Streit um das Bildungszeitgesetz

Von Uschi Götz | 15.08.2014
    Im Koalitionsvertrag haben sich die beiden grün-roten Regierungspartner festgelegt. Dort steht: "Wir wollen das Bündnis für lebenslanges Lernen" weiterführen. Und weiter: "Angelehnt an die Gesetzgebung der meisten anderen Bundesländer werden wir für Baden Württemberg eine bezahlte Bildungsfreistellung von fünf Arbeitstagen pro Jahr einführen." Nun gibt es einen Zeitplan zur Einführung des Gesetzes. Dr. Frank Kupferschmidt, Sprecher des von der SPD geführten Wirtschaftsministeriums:
    "Das Bildungszeitgesetz wird im nächsten Jahr in Kraft treten. Derzeit arbeiten wir den Gesetzesentwurf aus. Nach der Sommerpause wird die Debatte noch einmal neuen Schwung bekommen, intern liegen jetzt schon Eckpunkte vor."
    Trotz Sommerpause, die Debatte ist jetzt schon da. Nahezu alle Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände im Südwesten lehnen das Gesetz ab. Das Bildungszeitgesetz soll, so die Arbeitgebervertreter, ein Problem lösen, das nicht existiere. Stefan Küpper, Geschäftsführer Bildungspolitik der Arbeitgeber Baden-Württemberg:
    "Aus unserer Sicht ist das eine Verbeugung der SPD vor den Gewerkschaften, die seit Antritt dieser Landesregierung vor drei Jahren massiv für dieses Thema Werbung machen und trommeln. Es geht schlicht darum, aus 30 Tagen Urlaub, den es ja in vielen Branchen – tariflich abgesichert - gibt, eben 35 Tage zu machen."
    In Baden-Württemberg herrsche Vollbeschäftigung, so die Arbeitgeberseite. Außerdem bezahlten die Unternehmen schon jetzt über vier Milliarden Euro im Jahr für die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter. SPD-Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid sagte bereits zu, es werde für Betriebe mit weniger als zehn Beschäftigte eine Ausnahme geben, eine sogenannte Kleinstbetriebsklausel. Sprecher Kupferschmidt:
    "Die Kleinstbetriebsklausel ist ein Akzent, mit dem man eine wirtschaftsfreundliche Regelung im ganzen Gesetz herstellen wollen. Dennoch sind rund 84 Prozent der Beschäftigten in Baden-Württemberg in Betrieben in mehr als zehn Beschäftigten untergebracht. Das heißt, die große Masse kann vom Bildungsfreistellungsgesetz profitieren."
    Statt Bildungszeitgesetz schlagen die Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände einen Pakt für dauerhafte Vollbeschäftigung vor:
    "Der an den tatsächlichen Problemen im Bereich der Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik ansetzen soll. Und vor allem Maßnahmen beinhaltet, die für diejenigen, die sich schwertun, den Zugang in Ausbildung- und Beschäftigung zu finden oder die als An- und Umgelernte ohne Berufsabschluss heute in Beschäftigung oder auch in Arbeitslosigkeit sind."
    Darüber wollen sich die Arbeitgeberverbände mit der Landesregierung im Herbst unterhalten. Das Argument, in anderen Bundesländern gebe es das Gesetz schon, ist für die Arbeitgeber dabei nicht relevant. Der Bildungsurlaub wird kaum in Anspruch genommen. In zwölf Bundesländern gibt es das Gesetz zum Teil schon seit Jahren, lediglich fünf Prozent der Beschäftigten nehmen jedoch wirklich Urlaub für die Bildung. Jürgen Klose vom Deutschen Gewerkschafsbund in Baden-Württemberg:
    "Dass es kein Erfolgsmodell ist, hat nicht so sehr mit der Konstruktion des Bildungsurlaubs zu tun, sondern damit, dass es Widerstände zu überwinden gilt. Der eine Widerstand ist: Ich muss meinem Chef sagen, ich gehe jetzt auf Bildungsurlaub, dann sagt der, hast du nichts zu tun? Das ist die erste Schwelle. Die zweite Schwelle ist: Die Kurse kosten ja, es gibt nur eine Freistellung für den Kurs, aber der Kurs selber muss bezahlt werden."
    Eine zusätzliche Hürde gerade für den Kreis, der auf Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen besonders angewiesen ist.
    "Und das kommt jetzt darauf an, die Barrieren zu senken. Und das macht man, indem man ein Klima schafft, was die Inanspruchnahme dieses Bildungsurlaubs fördert. Die Arbeitgeber machen das Gegenteil."
    Doch die Arbeitgeberseite im Südwesten bleibt bei ihrer Haltung:
    "Bildungs- und arbeitsmarktpolitisch bringen diese Gesetze in der Tat so gut wie nichts."
    Aus Baden-Württemberg wird also in Kürze neuer Schwung in die alte Diskussion kommen, wie lebenslanges Lernen künftig im Einklang mit dem Privat- und Berufsleben gestaltet werden kann - und welche Rolle die Arbeitgeber dabei einnehmen können oder müssen.