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Baden-Württemberg
Viele Dax-Konzerne erfüllen Behindertenquote nicht

Automobilbauer und die großen Zulieferer in Baden-Württemberg gelten durchaus als vorbildlich, wenn es um die Integration von Behinderten geht. Doch zu tun bleibt genug: Mehr als 50 Prozent aller Betriebe zahlen die Ausgleichsabgabe, um sich freizukaufen.

Von Michael Brandt | 03.12.2014
    Ein blinder Mann ertastet mit seinem Langstock den Weg.
    Fünf Prozent beträgt die Quote an Behinderten, die ein Unternehmen einstellen sollte: (picture-alliance / dpa / Maurizio Gambarini)
    Benjamin Lange ist 23 Jahre alt und sehbehindert; und er arbeitet bei Daimler. Nach einem dualen Studium ist er in der IT gelandet: "Es hat sich immer so durchgezogen, dass die Mitarbeiter mich wie ein normales Teammitglied behandelt haben, ich aber ganz klar eine offene Tür hatte, wenn ich irgendwo Unterstützung gebraucht habe."
    Schon beim Aufnahmetest für das Studium sei er gefragt worden, was man tun könne, um ihm zu helfen.
    Tim Widmeyer ist Rollstuhlfahrer und arbeitet ebenfalls bei Daimler. Er hat eine Ausbildung gemacht und ist jetzt im Qualitätsmanagement. Und auch er berichtet, dass er sich von Beginn an willkommen gefühlt hat:
    "Beim Vorstellungsgespräch wurde dann gleich gefragt: Haben Sie einen Führerschein? Dann hat die Ausbilderin gleich gesagt, kein Problem, dann bekommen Sie eine Einfahrtplakette, dann können Sie mit ihrem PKW durchs Werk fahren."
    24 Behinderte pro Ausbildungsjahr eingestellt
    Fünf Prozent beträgt die Quote an Behinderten, die ein Unternehmen einstellen sollte, Daimler liegt mit sechs Prozent etwas darüber. 24 Behinderte werden pro Ausbildungsjahr eingestellt, berichtet Personalvorstand Wilfried Porth, in Deutschland sind es bei dem Konzern insgesamt um die 8.000 Behinderte, die der Autobauer in den verschiedensten Bereichen einsetzt.
    Gerd Weimer, Behindertenbeauftragter der Landesregierung Baden-Württemberg, bestätigt, dass die Automobilbauer und die großen Zulieferer im Land durchaus vorbildlich sind, wenn es um Behindertenquote und Integration geht:
    "Meine Erfahrung, dass in den Bereichen, wo insbesondere Schwerbehindertenvertrauensleute im Betrieb da sind, dass es dort besser aussieht als in den Bereichen wo es keine solchen Vertrauensleute gibt."
    Die Vertrauensleute sind Pflicht, wenn in einem Unternehmen mindestens fünf Behinderte arbeiten - und bei Daimler heißt der Vertrauensmann Alfons Adam. Sein Job ist es, sagt Vorstand Winfried Porth, zu nerven, und er scheint ihn gut zu machen:
    "Wenn wir ihn nicht hätten, da würde da echt auch was fehlen, das Thema ist uns wichtig, aber es muss eben doch immer wieder angeschoben werden, manchmal ist er wie ein Staubsaugervertreter."
    Adam sagt, dass gerade der direkte Zugang zum Vorstand wichtig sei - auch wenn Daimler grundsätzlich offen für Behinderte sei, im Alltag sei es dann doch nicht so einfach und da sei dann der direkte Draht nach ganz oben fast genauso wichtig wie das direkte Gespräch mit den Kollegen an der Basis:
    "Viele Kollegen sagen zu mir: Was treibst du denn da immer? Wir haben doch schon so viele Sorgen und so viele Schwerbehinderte. Und den Kollegen muss man das erklären, und das ist auch wichtig, bis runter am Band, denn die müssen ja letztendlich mit den jungen Leuten auch zusammenarbeiten. Es ist auch gar nicht so noch eine ganze Menge Luft nach oben.schwierig. Wenn die Menschen das direkt in der Arbeit erleben, dann merken die ganz schnell, eh, das ist ja überhaupt kein Problem."
    Noch eine ganze Menge Luft nach oben
    Am Ende aber kann es funktionieren. Das zeigen Daimler, Porsche und Audi, das zeigt aber zum Beispiel auch SAP. Der Softwarehersteller stellt bewusst Menschen mit Asperger Syndron ein, weil sie oft gute Programmierer sind. Dennoch, am Ende sind es laut Behindertenbeauftragten Weimar nur seiben von 20 Dax-Konzernen in Baden-Württemberg, die die Behindertenquote von fünf Prozent erfüllen.
    "Mehr als 50 Prozent aller Betriebe zahlen die Ausgleichsabgabe, um sich aus der Verpflichtung, einen Menschen mit Behinderung zu beschäftigen freizukaufen - ich muss es so deutlich sagen."
    Und da sei auch im Musterländle Baden-Württemberg noch eine ganze Menge Luft nach oben.