Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Baden-Württembergs Bildungspolitik
Effizienz gegen Wildwuchs

Im Bereich Bildung ist Baden-Württemberg ins Hintertreffen geraten. Landeskultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) will das mit einem neuen Konzept ändern. Dabei stünden die Verbesserung der Unterrichtsqualität und die Lehrerfortbildung im Mittelpunkt, erklärte sie im Dlf.

Susanne Eisenmann im Gespräch mit Michael Böddeker | 28.06.2017
    Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann spricht und gestikuliert.
    Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) (picture alliance / dpa / Franziska Kraufmann)
    Michael Böddeker: Bei Vergleichen zwischen den deutschen Bundesländern im Bereich Bildung, da lag Baden-Württemberg früher mal weit vorne, meist hinter Bayern auf den oberen Plätzen. Später sah das dann anders aus – zum Beispiel beim IQB-Bildungstrend 2015: Da ist Baden-Württemberg dann deutlich nach unten gerutscht, sogar unter den Bundesdurchschnitt. Darüber spreche ich jetzt mit der baden-württembergischen Kultusministerin Susanne Eisenmann. Guten Tag.
    Susanne Eisenmann: Hallo, Guten Tag.
    Böddeker: Jetzt haben Sie heute ein Konzept vorgelegt, das die Bildung verbessern soll, und zwar konkret die Unterrichtsqualität und die Lehrerfortbildung. Wie soll das gehen? Was haben Sie vor?
    Eisenmann: Zum einen geht's natürlich darum, die Schulen zu unterstützen, mit zusätzlichen Angeboten im Bereich Lesen, Schreiben, Rechnen. Es geht aber auch darum, und das ist das, was jetzt heute im Mittelpunkt steht, dass wir unsere ergänzenden Unterstützungssysteme, die den Schulen dabei helfen, ihre Arbeit noch besser zu machen, besser bündeln, besser konzentrieren und damit zukunftsfähiger machen müssen. Und deshalb werden wir zum 1.1.2019 zwei Institute begründen: Zum einen ein Institut für Bildungsanalysen, weil die Analysen und die Gespräche der letzten Monate sehr deutlich ergeben haben, dass es uns an einem strategischen Bildungsmonitoring fehlt. Wir haben überhaupt keine datengestützte Qualitätsentwicklung auf allen Ebenen. Und darüber hinaus ein zweites Institut, ein Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung, bei dem es darum geht, auf dieser Basis die Schulen zu beraten: Im Sinne von der Verbesserung der Unterrichtsqualität, Erarbeitung, Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien, Weiterentwicklung der Schulentwicklung. Das ist die Grundlage, die wir brauchen, damit unsere Schulen ein optimales Beratungssystem von Seiten der Verwaltung bekommen kann.
    "Wir brauchen eine deutlich engere Verzahnung"
    Böddeker: Also soll es bis 2019 zwei neue Institute geben. Lassen Sie uns das mal ein bisschen sortieren – zunächst zum Institut für Bildungsanalysen, bei dem es dann auch um Forschung gehen soll: Wann rechnen Sie denn da mit Ergebnissen, aus denen man dann auch Handlungsempfehlungen ableiten könnte. Denn so Bildungsforschung braucht ja oft ein bisschen Zeit, und oft sind die Ergebnisse dann auch nicht so ganz eindeutig.
    Eisenmann: Bis bei den Schulen die verbesserte und gebündelte und qualitätsvollere Beratung ankommt, wird es seine Zeit dauern, das steht außer Frage. Für uns ist aber entscheidend, dass wir jetzt die Erkenntnisse haben, woran es in Baden-Württemberg auch fehlt, und wir deswegen auch die Weichenstellungen treffen müssen und uns dann eben auch die Zeit für die Umsetzung nehmen müssen. Das ist überhaupt keine Frage. Nichtsdestotrotz müssen wir irgendwann anfangen. Und ob man das schon hätte früher machen können, machen müssen, so wie in anderen Bundesländern, das ist eine müßige Diskussion. Aber wichtig ist, dass wir jetzt die richtigen Weichenstellungen treffen, um dann zukunftsfähig zu sein. Aber es wird seine Zeit dauern, das steht außer Frage, bis diese neuen Institute und diese neuen Mechanismen dann auch wirken.
    Böddeker: Bildungsforschung gibt es wiederum ja schon in Baden-Württemberg, zum Beispiel in Tübingen oder in Stuttgart mit dem Landesinstitut für Bildungsforschung. Wie passt das jetzt dieses neue Institut hinein?
    Eisenmann: Beide Institute, das Institut für Bildungsanalysen wie das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung, die in der direkten Verantwortung des Kultusministeriums stehen, werden durch einen wissenschaftlichen Beirat begleitet. Die Vernetzung mit der Wissenschaft ist uns ganz wichtig, auch im Hinblick auf die Bemessung und die Evaluierung der Maßnahmen, die wir einführen. Wir müssen ja auch wissen: Funktioniert's – oder funktioniert es nicht? Das heißt, wir brauchen eine deutlich engere Verzahnung, auch mit der vorhandenen Wissenschaft. Und deshalb geht es darum, dass die Einrichtungen, die wir in Baden-Württemberg haben, wie beispielsweise, das Landesinstitut für Schulentwicklung, dieses geht mit auf in diesen beiden neuen Institute – genau so wie die Landesakademie für Fortbildung und Personalentwicklung. Das heißt, es geht darum, die Einrichtungen, die wir jetzt haben, neu aufzustellen, konzeptionell neu zu belegen, stärker zu bündeln und damit auch stärker in der Zentralität die Umsetzung begleiten zu können. Das ist eine Weiterentwicklung dessen, was wir haben, um zukunftsfähig sein zu können.
    Neues Zentrum für Lehrerbildung
    Böddeker: Sie haben es ja gerade schon angesprochen: Neben dem neuen Institut für Bildungsforschung soll es auch ein neues Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung geben. Da haben Sie noch geschrieben, bisher war das noch so ein bisschen Wildwuchs im Land. Was genau soll jetzt dort passieren?
    Eisenmann: Auch da ist das Ergebnis der vielfältigen Gespräche in den letzten Monaten ausgehend von unseren Qualitätsergebnissen, dass wir eine zu starke Zersplitterung in unseren Angeboten haben. Natürlich brauchen wir dezentrale Angebote, die werden auch weiter dezentral vor Ort angeboten. Aber die Entwicklung, was wirkt, wie strukturiert muss etwas angeboten werden, mit welcher Qualität – und zwar quer im ganzen Land, und quer auf's ganze Land bezogen, und das fehlt uns, und das ist eine Erkenntnis, die wir natürlich aus vielfältigen Analysen und Vergleichen gewinnen konnten. Auch durch Schulpraktiker, durch Bildungswissenschaftler, das wir im Grunde zu viele Partner haben, die Angebote machen, diese auch selbst entwickeln, wir aber im Hinblick auf Qualität, Unterrichtsqualität und Unterstützung für unsere Schulen wir zentriertere Vorgaben brauchen, die dann aber dezentral umgesetzt werden.
    Böddeker: Das heißt, dieses neue Zentrum für Lehrerbildung soll das dann koordinieren und so ein bisschen auch bewerten, welche Angebote wirklich sinnvoll sind?
    Eisenmann: Exakt. Es ist ja so: Wir hatten in den letzten Wochen auch eine Online-Befragung unserer Lehrerinnen und Lehrer zur Qualität und zur Einschätzung unserer Fortbildungsangebote. Mir war es wichtig, ein Stimmungsbild von den Lehrerinnen und Lehrer zu holen. Und da wurde sehr breit beklagt, mehrheitlich beklagt, dass die Fortbildungsangebote sich zu wenig auf fachliche Angebote konzentrieren und zu wenig praxisbezug haben – um nur mal ein, zwei Beispiele herauszugreifen.
    Dieses als Konzept zu entwickeln, und die Umsetzung erfolgt dann natürlich durch die Partner vor Ort, das ist keine Frage, aber es ist ein Unterschied, ob vor Ort entwickelt wird oder ob einheitlich auf der Basis von Wissenschaft, von datengestützten Erkenntnissen entwickelt wird und dann in der Fläche umgesetzt wird, oder ob jeder selbst entwickelt. Und das ist das, was sich halt ein Stück weit in den letzten langen Jahren in Baden-Württemberg entwickelt hat, deshalb halte ich den Begriff von Wildwuchs und auch zu starker Zersplitterung für sehr richtig.
    "Die Zielsetzung 1. Januar 2019 sehe ich realistisch"
    Böddeker: Im Januar 2019 sollen diese Strukturen stehen. Das sind nur noch eineinhalb Jahre. Wie zuversichtlich sind Sie denn, dass das bis dahin klappt?
    Eisenmann: Also, die Zielsetzung 1. Januar 2019 sehe ich realistisch. Wir haben einige gesetzliche Änderungen, die wir vorbereiten müssen, aber uns ist jetzt auch ganz wichtig, und da werden wir jetzt zügig beginnen, begleitet durch wissenschaftliche Fachleute, jetzt auch im Detail zu bewerten, wie muss die Ausgestaltung wirklich detailliert auch aussehen. Diejenigen, die da bisher im System wirken, sind für uns natürlich Partner. Was müssen wir wie verändern, wie kann die Detailumsetzung dieser beiden Institute aussehen? Das dauert seine Zeit, deshalb ist jetzt 2017 auch zentral, dass wir jetzt beginnen zu reagieren. Es ist ambitioniert, aber wir werden das in dieser Form hinbekommen, und wichtig ist jetzt, die Detailausgestaltung dieser beiden künftigen Institute voranzutreiben.
    Böddeker: Sagt Susanne Eisenmann, Kultusministerin von Baden-Württemberg. Mit ihr habe ich über ihre Pläne gesprochen, die Bildung im Land zu verbessern. Unter anderem sollen dafür zwei neue Institute eingerichtet werden, eines für Bildungsforschung und eines für Schulqualität und Lehrerbildung. Vielen Dank für das Gespräch.
    Eisenmann: Gerne geschehen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.