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Der Dichter Alfred Döblin
Zwischen Gott und Alexanderplatz

Der Schriftsteller Alfred Döblin wurde als Jude geboren. Am Ende seines Lebens war er Katholik. Kollegen wie Bertolt Brecht verspotteten ihn dafür. Ofenbar hatte Brecht - wie so viele bis heute - die religiöse Dimension im Werk Döblins nicht erkannt.

Von Burkhard Reinartz | 07.10.2020
Der Schriftsteller und Arzt Alfred Döblin
Der Schriftsteller und Arzt Alfred Döblin (dpa picture alliance)
Er stand vor dem Tor des Gefängnisses und war frei. Der Aufseher am Tor spazierte einige Male an ihm vorbei, zeigte ihm seine Bahn. Er ging nicht. Der schreckliche Augenblick war gekommen (schrecklich, Franze, warum schrecklich?). Man setzte ihn wieder aus. Er stand an der Haltestelle. Die Strafe beginnt. Er schüttelte sich, schluckte. Er trat sich auf den Fuß. Dann nahm er einen Anlauf und saß in der Elektrischen. Mitten unter den Leuten. Dann stand nur noch sein Kopf in der Richtung des Gefängnisses. Leute stiegen ein und aus. In ihm schrie es entsetzt: Achtung, Achtung, es geht los!
"Er stand vor dem Tor des Tegeler Gefängnisses und war frei". So beginnt der wohl bekannteste Roman Alfred Döblins: "Berlin Alexanderplatz". Er zählt neben dem "Ulysses" von James Joyce zu den bedeutendsten Großstadtromanen des 20. Jahrhunderts. Viel weniger bekannt ist, dass Döblin sich in seinen Romanen und Schriften immer wieder mit philosophischen und religiösen Fragen auseinandergesetzt hat.
"Ein hoch musikalischer Mensch im Sinne der Religion"
Keineswegs war dieser von geistiger Neugier getriebene Autor der glaubenslose Intellektuelle, für den man ihn lange Zeit hielt, unterstreicht der katholische Theologe und Publizist Christian Heidrich:
"Es ist gar kein Zweifel, dass Döblin ein hoch musikalischer Mensch im Sinne der Religion gewesen ist. Es wäre wohl richtig zu sagen, dass Döblin keine einzige Etappe seines Lebens kannte, die nicht mit religiösen Fragen behaftet war.
Das schließt aber nicht aus, dass er auch Phasen der Religionskritik hatte. Es gibt ja diese Religiosität, die sehr platt ausfällt, ja sehr schnell auf das Jenseits hinweist oder auch auf den Klerikalismus. Mit dieser Art von Religiosität hatte Döblin nicht viel zu tun."
Ich bin nicht im Stande 'Stellung' zur Religion zu nehmen. Denn dazu müsste ich in irgendeiner Weise außerhalb der Religion stehen. Immer wieder wurde ich zum Aufwerfen von Grundfragen gedrängt – und es gab verschiedene Antworten, verschiedene Intensitäten des Sondierens. Aber dahinter stand immer eine bald mehr, bald weniger helle Grundeinsicht, die mir so sicher war wie meine eigene Existenz.
Alfred Döblin wird am 10 August 1878 in der – wie er schreibt - "trüben, verkommenen Provinzstadt Stettin vorgeboren". Seine Eltern sind assimilierte Juden. Die eigentliche Geburt sollte erst zehn Jahre später in Berlin stattfinden. In einer Stadt, deren Turbulenzen ihn ein Leben lang prägen werden:
Welch große, geheimnisvolle Stadt!
Berlin Mitte, Alexanderplatz
Der Alexanderplatz in Berlin Mitte 1935 mit dem Wertheim Kaufhaus und dem Roten Rathaus. (imago/Arkivi)
Wobei der Junge das Berlin seiner Kindheit eher schrecklich findet: Gestank, Fabriklärm, abbröckelnder Putz und Feuchtigkeit in der kleinen Wohnung im Berliner Osten. Besonders belastend: Der soziale Abstieg der sechsköpfigen Familie nach dem Umzug aus Stettin. Sein Vater, Max Döblin, trennt sich 1888 kurz vor dem Umzug nach Berlin von seiner Frau und emigriert nach Amerika. Die Döblins leben jetzt in Armut. Die Familie wird nicht zuletzt aufgrund ihres Jüdisch-Seins ausgegrenzt.
Judentum wurde niemals zur geistigen Heimat
"Döblin lernte als Jugendlicher das Judentum in einer eher oberflächlichen und auch ritualisierten Form. Dies prägte seinen Blick auf diese Religion, die ihm niemals zu einer geistigen Heimat werden konnte. Denn für ihn musste eine authentische Religion das Leben in der Mitte packen, musste den Menschen erschüttern und auch verändern", sagt Christan Heidrich.
Döblins Mutter kann das Schulgeld für das Gymnasium nicht aufbringen, wodurch sich der der Schulwechsel um zwei Jahre verzögert. Er bekommt schlechte Noten, interessiert sich mehr für Philosophie als für die Schule. Die Lehrer mögen den Jungen nicht. Döblin wird wegen schlechter Leistungen erst mit zweiundzwanzig Jahren zum Abitur zugelassen, das er nur knapp besteht.
Ich habe beim letzten Verlassen der Schule dort auf den Boden gespuckt. Ich lege Wert darauf, dass dies zu Protokoll genommen wird.
"Kinder und Irre. Diese liebte ich wirklich"
Der junge Mann studiert Medizin an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität, obwohl er sich lieber der Philosophie und Literatur zuwenden möchte. Er beugt sich dem Druck der Familie, um diese möglichst schnell durch ein sicheres Einkommen zu unterstützen. Und spezialisiert sich auf die Fächer Neurologie und Psychiatrie. Nur fünf Jahre später erhält er eine Stelle als Assistenzarzt in Regensburg an der "Königlichen Kreisirrenanstalt Karthaus-Prüll". Er notiert:
Ich sitze hier unter lauter Verrückten. Wahnsinnig interessante Fälle zum Teil. Unter diesen Kranken war mir immer sehr wohl. Damals merkte ich, dass ich neben Pflanzen, Tieren und Steinen nur zwei Kategorien Mensch ertragen kann: nämlich Kinder und Irre. Diese liebte ich wirklich.
In der Regensburger Klinik eckt Döblin mit seinen Vorgesetzten an. Er kehrt nach Berlin zurück und spezialisiert sich auf die Innere Medizin. Im Oktober 1911 eröffnet er eine Kassenpraxis nahe dem Halleschen Tor.
Ich fand meine Kranken in ihren ärmlichen Stuben liegen; sie brachten mir auch ihre Stuben in mein Sprechzimmer mit. Ich sah ihre Verhältnisse, ihr Milieu; es ging alles ins Soziale, Ethische und Politische über.
Erfahrungen, die neben der eigenen Armut in der Kindheit zur lebenslangen Parteinahme für die Ausgeschlossenen und Unterprivilegierten führen sollten. Auch als Arzt geht Döblin weiter seinen philosophischen und literarischen Neigungen nach.
Ich tue meine Facharbeit als Arzt, bin aktiv in allen möglichen Organisationen, ärgere mich, tanze (ziemlich schlecht, aber dennoch), mache Musik, beruhige einige Leute, andere rege ich auf, schreibe bald Rezepte, bald Romankapitel und Essays, lese die Reden Buddhas. Wenn mir eins davon oder das andere Geld bringt: herzlich willkommen.
Am Ende steht immer ein Fragezeichen
Immer gegen den Strom schwimmend schreibt Döblin Erzählungen, ein Theaterstück, die expressionistische Novelle: "Die Ermordung der Butterblume" und den Roman "Die drei Sprünge des Wang-lun". 1912 tritt Döblin aus der jüdischen Gemeinde aus und heiratet Erna Reiss. 1914 wird er als Lazarettarzt nach Saargemünd einberufen. Auffällig die enorme Bandbreite seiner Interessen und Themen. Christian Heidrich sieht im Werk Döblins einen einzigartigen Stil. Von Roman zu Roman wechsle der Schriftsteller sein Konzept, so Christian Heidrich:
"Typisch für Döblin ist, dass er ein literarischer Abenteurer ist. Da bewegt und bedrängt den Autor eine Idee. Sie wird in einem Roman buchstabiert und am Ende steht nicht ein wohliges Seufzen, sondern ein Fragezeichen."
Gleichwohl ziehe sich durch alle Romane des Autors eine philosophische Gewissheit:
"Es sind immer wieder zwei Kräfte in der Welt, zwei Götter oder Göttinnen, wie er sich einmal ausdrückt. Es ist eine Welt des Aufbaus und des Verfalls, und wir sind als die Zeitlichen mittendrin. Das scheint mir der Basisgedanke von Döblin zu sein; und das jeweilige Werk betont eine konkrete Facette dieser Auseinandersetzung. Und sie kann ihn dann nach China führen oder aber in die Höllenwelten des Dreißigjährigen Krieges oder eben auch auf den Alexanderplatz, wo ein Transportarbeiter und Krimineller versucht, von nun an anständig zu leben. Aber niemand von uns - auch die Helden Döblins nicht - können dem Aufbau und dem Verfall dauerhaft entkommen."
1924 erscheint der visionäre Zukunftsroman "Berge Meere und Giganten". Darin entwirft Döblin eine negative Utopie: die Vision einer technisierten Gesellschaft, geprägt von Naturentfremdung, Dehumanisierung und deren Entwicklung bis ins 27. Jahrhundert hinein. Gleichzeitig reflektiert er das Wesen der Natur.
Ich erlebte die Natur als Geheimnis, die Physik als die Oberfläche, das Deutungsbedürftige. Ganz anders, verblüfft, sah ich jetzt die Lehrbücher, vor denen ich sonst Respekt hatte. Ich suchte und fand nichts. Sie wussten nicht um das Geheimnis. Ich sah die Natur als das Weltwesen. Sie ist nicht dasselbe wie ‚Gott‘ sondern dunkler, ungeheurer als Gott. Aber doch etwas von ‚Gott‘. Es scheint mir richtig, dass man sich diesem Rätsel nur mit Schuhen in der Hand nähert. Jetzt, wo ich schrieb, fand ich vor mir eine starke nach Ausdruck verlangende Gewalt. Mein Buch hatte die Aufgabe, das Weltwesen zu preisen.
Ambivalente Haltung zur Religion
Döblin wendet sich jetzt stärker religiösen Fragen zu. Doch es dauert noch Jahrzehnte, bis er sich im Alter von 63 Jahren zu einer Konfession bekennen wird.
So oft ich in Kirchen, katholischen und evangelischen oder in Synagogen war, empfand ich das tiefe Glück, das in der realen "Gemeinde" liegt. Aber ich konnte doch nicht "Ja" zu diesen oft ergreifenden Religionsformen sagen. Die Lehren waren tröstlich, hatten Suggestivkraft, aber erreichten nicht die Wahrheit der Welt, in der ich lebte.
Bereits in dem 1919 erschienene Essay "Jenseits von Gott" spricht Döblin über seine ambivalente religiöse Haltung erläutert Christian Heidrich:
"Es gibt für ihn zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit nichts, was Gott wäre. Und die Polemik ist dann durchaus heftig. Gleichzeitig weiß Döblin, dass sich die Gottesidee, die Gotteshoffnung des Menschen niemals abschütteln lässt. Und bezeichnend ist auch der erste Satz dieses kämpferischen Essays: 'Man sage nicht, dass Gott tot sei für die Ungläubigen'."
Döblin vermeidet große Reisen, reist dafür in seinen Romanen nach Indien, China oder nach Grönland.
"Umso bemerkenswerter ist, dass die einzige große Reise ihn zwei Monate lang nach Polen führte im Herbst des Jahres 1924 und er reiste, um die spirituellen Wurzeln des Ostjudentums kennenzulernen. Das eigentlich Verblüffende dieser Polenreise ist der Jude, dem Döblin in Polen begegnet und das ist der Mann am Kreuz. Döblin sucht immer wieder katholische Kirchen auf, speziell auch die Krakauer Marienkirche, und begegnet dort dem von den Christen angebeteten Juden Jesus von Nazareth. Und hier, so ahnt er, geht es um den Kern des Lebens und um das Leid", sagt Christian Heidrich.
Der Marktplatz von Krakau in Polen mit der Marienkirche, den Tuchhallen und dem Rathausturm
Der Marktplatz von Krakau in Polen mit der Marienkirche, den Tuchhallen und dem Rathausturm (picture alliance / Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa)
Döblins Christus-Erlebnis in Krakau wird sich wenige Jahre später im französischen Exil noch verdichten. Doch vorher noch ein literarischer Höhepunkt: 1929 erscheint sein berühmter Roman "Berlin Alexanderplatz". Vorn auf dem Bucheinband im Original: eine geraffte Inhaltsangabe Döblins.
Von einem einfachen MANN wird hier erzählt, der in Berlin am Alexanderplatz als Straßenhändler steht. Der MANN hat vor, anständig zu sein, da stellt ihm das Leben hinterlistig ein Bein. Er wird betrogen, er wird in Verbrechen hineingezogen, zuletzt wird ihm seine BRAUT genommen und auf rohe Weise umgebracht. Ganz aus ist es mit dem MANN FRANZ BIBERKOPF. Am Schluss aber erhält er eine sehr klare Belehrung: MAN FÄNGT SEIN LEBEN NICHT AN MIT GUTEN WORTEN UND VORSÄTZEN, MIT ERKENNEN UND VERSTEHEN FÄNGT MAN ES AN UND MIT DEM RICHTIGEN NEBENMANN. Ramponiert steht er zuletzt wieder am ALEXANDERPLATZ, das Leben hat ihn mächtig angefasst.
Der Ruhm des Romans reicht bis in die Gegenwart. Das Buch wird weltweit ein Erfolg und zweimal verfilmt. 2020 stellt der Filmemacher Burhan Qurbani ein Remake der Verfilmungen auf der Berlinale vor. Der Charakter von Döblins Roman ist bis heute umstritten.
Der Darsteller Welket Bungué in "Berlin Alexanderplatz" von Burhan Qurbani, der auf den 70. Internationalen Filmfestspielen Berlin uraufgeführt wurde
Welket Bungué in "Berlin Alexanderplatz" von Burhan Qurbani (Wolfgang Ennenbach / 2019 Sommerhaus / eOne Germany)
Ein metaphysischer und religiöser Roman
"Man kann selbstverständlich "Berlin Alexanderplatz" als einen Großstadt-Roman lesen, als eine Milieu- und Sozialstudie und sicherlich auch als eine psychologische Betrachtung des menschlichen Wollens - und noch mehr des Scheiterns. Aber den spirituellen und den biblischen Unterton auszublenden, wäre höchst nachlässig. "Verflucht ist der Mensch, spricht Jeremia, der sich auf Menschen verlässt", so heißt es in diesem Roman. Und die Geschichte von Franz Biberkopf, dem Transportarbeiter, erinnert selbstverständlich an das Buch Hiob. Der Mensch ist beschädigt. Hoffnung gibt es nur in kleiner Münze", meint Christian Heidrich.
Der Schriftsteller selbst hat die Rezeption seines Romans als Missverständnis bezeichnet. Man habe als Großstadtschilderung gelesen, was ein metaphysischer und religiöser Roman sei.
Später, in den 1930er-Jahren, kommen die Nationalsozialisten an die Macht. Hitler wird Reichskanzler. Döblins Bücher werden öffentlich verbrannt. Er flieht mit seiner Familie in die Schweiz, dann 1940 quer durch Frankreich in den Süden des Landes nach Mende. Dort sitzt er oft gedankenversunken in der Kathedrale vor dem Kruzifix. Sein Blick weitet sich über den historischen Jesus hinaus.
Dies ist das wahre Symbol, das ist das menschliche Elend, unser Los. Es gehört zu unserer Existenz. Unfassbar der andere Gedanke: Was hier hängt, ist nicht ein Mensch, dies ist Gott selber, der um das Elend weiß und darum herabgestiegen ist in das kleine menschliche Leben. Ich vermag mir von Gott kein liebliches Bild zu machen. Ich muss ihn nehmen wie er - und diese Welt - ist. Einen filtrierten ‚lieben Gott' kann ich nicht akzeptieren.
Der Zweite Weltkrieg beginnt. Im September 1940 emigrieren die Döblins von Lissabon aus nach Amerika. Der Schriftsteller arbeitet vorübergehend als Drehbuchschreiber in Hollywood, wird entlassen und gerät ähnlich wie in seinen Kinderjahren in Armut. Zum 65. Geburtstag Döblins, des von allen Seiten bewunderten Dichters, laden am 14. August 1943 andere emigrierte Künstler wie Thomas Mann, Bertold Brecht und Hans Eisler zu einer Feier. In einem kleinen Theater in St. Monica, Kalifornien, hält Döblin die Dankesrede. Als er der Runde eröffnet, er habe zum christlichen Glauben gefunden, er sei vor zwei Jahren mit seiner Frau konvertiert und nun Katholik, kommt es zum Eklat. Einige Gäste verlassen empört den Saal. "Ich schäme mich für ihn", erklärt Bertold Brecht später.
"Für Brecht war die einzig vertretbare Haltung eines Intellektuellen zur Religion eine spöttische und kämpferische. Und Döblin hingegen scheute sich nicht, das säkulare Muster zu verlassen und ein Credo zu sprechen", erklärt Christian Heidrich.
Konversion zum Katholizismus irritiert
Das Beste, was wir tun können, ist beten. Nichts ist mir widriger als der aufgeklärte Liberalismus, der über die Religionen lacht und sie für Massenfraß hält.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ziehen die Döblins nach Deutschland zurück. Doch die Zeiten haben sich geändert. Seine Popularität beginnt zu schwinden, die Konversion zum Katholizismus irritiert. Döblins letztes größeres Werk erscheint 1956: "Hamlet oder Die lange Nacht nimmt ein Ende". Der Gesundheitszustand des Dichters verschlechtert sich drastisch. Nach einem Herzinfarkt wird er zum Pflegefall.
"Mir scheint es am wichtigsten an der Person und am Künstler Döblin, dass er kein Besitzender, sondern ein Suchender ist. Im Herzen merkt Döblin, dass es keine Religion gibt, die alle Facetten des menschlichen Lebens realisiert. Er lässt sich nicht mit einer einzigen Antwort abspeisen, mit einer einzigen Religion, auch wenn er 1941 offiziell der katholischen Kirche beitritt", sagt Christian Heidrich.
Am 7. Januar 1957 schreibt der todkranke Dichter in einem Brief an Hans Henny Jahnn:
Ich bin auf meiner Schicksalsreise zum Christentum gelangt. Die Starre und Lähmung, die meine Organe progressiv befällt, besagt: Es ist genug mit deiner physischen Existenz, von jetzt ab hast du eine andere Blickrichtung nötig.
Wenige Monate später stirbt Alfred Döblin am 26. Juni 1957 im Beisein seiner Frau im Landeskrankenhaus Emmendingen. Auf den Grabstein hat der Schriftsteller zuvor in goldenen Buchstaben eingravieren lassen: "FIAT VOLUNTAS TUA" – Dein Wille geschehe!
Wohl dem, der mehr hat als seine Augen, mehr als seine Logik und seine Mathematik. Aber wohl auch uns, die wir Zeit unseres Lebens gefragt, gesucht und geirrt haben; wohl uns, wenn wir auch als Wrack noch in den Hafen einlaufen und am Fuß des Leuchtturms stehen, den unser inneres Auge immer erblickt hatte.