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Bakterien in der Erdatmosphäre
Regentropfen schleudern Bakterien in die Luft

Die Atmosphäre der Erde ist nicht steril, sondern von Milliarden von Bakterien bevölkert. US-Forscher haben herausgefunden: Wenn Regen auf die Erde prasselt, können durch die Wasserspritzer große Mengen von Bodenbakterien in die Luft geschleudert werden - mit möglicherweise globalen Folgen.

Von Lucian Haas | 08.03.2017
    Platzregen
    Im Regentropfen bilden sich kleine Luftblasen, die kurze Zeit später platzen, sagt Mikrofluidik-Experte Cullen Buie. Dabei werden feinste Wasserspritzer in die Luft geschleudert. (imago)
    Wenn man mit Hochgeschwindigkeitskameras filmt, wie Regentropfen auf die Erde aufschlagen, lässt sich ein interessantes Phänomen beobachten:
    "Wenn ein Wassertropfen mit der passenden Geschwindigkeit von einem bis zwei Metern pro Sekunde auf den Boden trifft, was einem leichten Regen entspricht, wird immer etwas Luft darunter eingesperrt. Im Tropfen bilden sich dann kleine Luftblasen, die kurze Zeit später platzen. Dabei werden feinste Wasserspritzer in die Luft geschleudert. Das sind flüssige Aerosole, wie die Gischt über einem Champagnerglas."
    Cullen Buie ist Mikrofluidik-Experte am Massachusetts Institute of Technology. Er erforscht seit Jahren, welche Effekte beim Aufschlag von Regentropfen auf verschiedene Bodenarten auftreten. Dabei machte er jetzt eine überraschende Entdeckung. Bei einem Experiment färbte er Bodenbakterien mit fluoreszierenden Farbstoffen ein. So konnte er erkennen: In der Gischt der zerspritzenden Tropfen sind solche Bakterien auch zu finden.
    Zehn Bakterien pro Tröpfchen
    "Die Bakterien stammen ursprünglich aus dem Boden. Sie werden im Wasser gelöst, wenn die Regentropfen aufschlagen, und mit den feinen Wasserspritzern in die Luft geschleudert. Im Aerosol sind sie dann in der Größenordnung von rund zehn Bakterien pro Tröpfchen enthalten."
    Cullen Buie fing dann an zu rechnen: In einem Aerosol-Tröpfchen sind zehn Bakterien enthalten. Ein einzelner Regentropfen kann wiederum schon Dutzende solcher Aerosole erzeugen. Ein Regenschauer würde demnach zig Milliarden von Bakterien in Form sogenannter Bio-Aerosole in die Luft bringen können. Und global betrachtet: "Als wir geschätzt haben, welche weltweiten Auswirkungen damit verbunden wären, waren wir überrascht: Dieser Effekt, den wir eher zufällig entdeckt haben, könnte eine größere Rolle bei der globalen Verbreitung von Mikroben spielen."
    Bio-Aerosole sind so klein und leicht, dass sie mit dem Wind über weite Distanzen und in große Höhen getragen werden können. Dabei beeinflussen sie unter anderem auch das Klima. Die Bakterien können als Kondensationskeime dienen und so dazu beitragen, dass sich mehr Wolken bilden.
    Ernstzunehmender Umweltfaktor
    Bisher haben Klimaforscher allerdings nur zwei andere maßgebliche Arten der Entstehung von Bio-Aerosolen im Blick. "Die erste basiert auf Wind und Staub. In windigen Regionen wird trockener Boden aufgewirbelt, und damit auch Bakterien. Im anderen Fall können feine Luftblasen an der Oberfläche der Ozeane zerplatzen. So werden Bakterien aus dem Meerwasser in die Luft geschleudert. Der von uns entdeckte Entstehungsmechanismus von Bio-Aerosolen durch Regen ist bisher nicht beachtet worden."
    Jetzt stellt sich die Frage: Wie groß ist der anteilige Einfluss des Regens auf die Bakterienfracht in der Atmosphäre? Cullen Buie kann auf Basis seiner Laborexperimente bisher nur sehr ungefähre Angaben machen. Seinen Berechnungen nach könnten zwischen einem und 25 Prozent der Bakterien, die weltweit als Bio-Aerosole in der Atmosphäre schweben, durch Regen in die Luft gelangt sein. Damit wäre diese Quelle ein durchaus ernstzunehmender Umweltfaktor, der in den Klimamodellen bisher nicht berücksichtigt wird.
    Bakterienschleuder Regenschauer
    Cullen Buie sieht daneben noch ein weiteres Feld, für das die neuen Erkenntnisse über Wassertropfen als Bakterienschleuder bedeutsam sein könnten. "Man denke nur an Sprinkler und landwirtschaftliche Bewässerungssysteme. Deren Tropfen könnten dazu beitragen, dass pflanzen-assoziierte Mikroben und Krankheitserreger verbreitet werden. Deshalb könnte die Studie auch für die Agrarindustrie interessant sein."
    Es wäre sogar möglich, dass Regen die Verbreitung mancher Krankheitserreger des Menschen fördert. Zumindest einer tropischen Infektionskrankheit in Südostasien wird anekdotisch nachgesagt, dass die Fallzahlen nach Regenepisoden steigen. Es handelt sich um Melioidose, deren Erreger Bodenbakterien sind. In unseren Breiten bräuchten sich Menschen aber keine Sorgen zu machen, nach einem Regenschauer vor die Tür zu treten, meint Cullen Buie. Die meisten Bakterien seien ja völlig harmlos, wenn nicht gar von Vorteil.