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Bakterieninfektion
Das Ende der Olivenbäume

Eine typische Landschaft im süditalienischen Apulien sieht so aus: rote Erde und grüne Olivenhaine so weit das Auge reicht. Viele der Bäume sind jahrhundertealte, majestätische Exemplare. Doch sie werden jetzt von einem Bakterium namens Xylella fastidiosa bedroht. Die einzige Rettung: Der Kahlschlag.

Von Lucian Haas | 29.04.2015
    Arbeiter fällen einen Olivenbaum, der mit dem Bakterium Xylella infiziert ist
    Ein Olivenbaum muss wegen des Bakteriums Xylella gefällt werden (picture alliance / dpa / Max Frigione)
    Die Provinz Lecce im Stiefelabsatz ganz im Süden Italiens ist dabei, zu einer ökologischen Kampfzone zu werden. In der Region, deren Landschaft vom Olivenanbau geprägt ist, müssen auf Anordnung der EU rund eine Millionen eben dieser Olivenbäume gefällt werden. Der Grund: In den Olivenhainen grassiert ein Bakterium namens Xylella fastidiosa. Es wird von blattsaugenden Zikaden verbreitet.
    "Xylella is a killer", sagt Giovanni Martelli, einer der führenden Pflanzenpathologen des Landes von der Universität Bari. Die Bakterien vermehren sich in den Leitbahnen der Bäume so vehement, dass sie die Wassertransportadern im Holz verstopfen. Die Bäume sterben langsam ab. Doch zuvor stellen sie eine Gefahr für ihre Nachbarn dar:
    "Olivenbäume sind unglücklicherweise auch der Hort der Infektion. Ein infizierter Baum ist gefährlich, weil er die Verbreitung der Bakterien fördert. Deshalb sollten infizierte Bäume immer gerodet werden."
    Aus Costa Rica importiert
    Das verlangt zumindest die EU beziehungsweise deren Pflanzenquarantäne-Richtlinie. Xylella fastidiosa ist in den USA und Lateinamerika schon länger als Pflanzenschädling gefürchtet. In Europa kam das Bakterium bisher nicht vor. Genstudien zufolge wurde es vor einigen Jahren vermutlich in importierten Zier-Kaffeesträuchern aus Costa Rica nach Süditalien eingeschleppt. Dort fand es in Olivenbäumen einen passenden Wirt. Gemäß der Pflanzenquarantäne-Richtlinie ist Italien nun verpflichtet, Xylella fastidiosa auszurotten, selbst wenn dafür jeder Olivenbaum in Lecce fallen müsste. Oberste Priorität der Quarantäne-Richtlinie ist, die weitere Verbreitung von Xylella in Italien oder gar noch weiteren EU-Ländern aufzuhalten. Fachleute wie Giovanni Martelli sehen darin freilich schon jetzt einen nahezu aussichtslosen Kampf:
    "Das Roden der Bäume ist nicht die Lösung. Studien in den USA haben gezeigt: Wenn Xylella einmal in einer Region aufgetreten ist, setzt sich das Bakterium fest und kann gar nicht mehr ausgerottet werden. Die Bauern müssen lernen, mit Xylella zu leben. Es gibt keinen anderen Weg."
    Die Olivenbauern in Lecce freilich hadern noch mit ihrem Schicksal. Denn mit Xylella zu leben heißt für sie derzeit, jahrhundertealte Bäume zu fällen und sich selbst damit die Einkommens- und Lebensgrundlage zu nehmen. Das macht niemand freiwillig. Die Bekämpfung von Xylella verlief bisher so schleppend, dass sich die Regierung in Rom auf Druck der EU hin genötigt sah, einen Sonderkommissar des Zivilschutzes zu berufen, der die Notfall-Maßnahmen koordinieren und durchsetzen soll. Dazu gehören nicht nur das angeordnete Fällen und Verbrennen jedes Baumes mit Krankheitsanzeichen, sondern auch das Mulchen des Unterwuchses der Olivenhaine und der Einsatz von Pestiziden, um den Zikaden als Bakterienüberträger den Garaus zu machen.
    Olivenanbau in ganz Europa könnte gefährdet sein
    Derweil haben Pflanzenpathologen wie Giovanni Martelli damit begonnen, nach Wegen zu suchen, wie die Olivenbäume resistent gegen die Bakterien gemacht werden könnten. Die Ideen reichen von speziellen Giftstoffen bis hin zu Züchtungsprogrammen. Allerdings gibt es dabei eine große Schwierigkeit: Olivenbäume wachsen extrem langsam.
    "Olivenbäume sind Olivenbäume und keine Tomatensträucher. Bei Tomaten hätten wir das Problem in wenigen Jahren gelöst. Bei Oliven hingegen muss man mit Jahrzehnten rechnen."
    Bis dahin könnte Xylella fastidiosa noch viel Schaden anrichten. Gelingt es nicht, das Bakterium aufzuhalten, könnte der Olivenanbau in ganz Italien, vielleicht sogar ganz Europa gefährdet sein. Der Kahlschlag in einer Provinz erscheint da derzeit als das kleinere Opfer – so er denn hilft.