Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Bakterienklüngel im Darm

Obwohl sich Schimpansen ganz anders ernähren als Menschen, haben sie ähnliche Bakteriengemeinschaften in ihrem Darm. Darüber berichten US-amerikanische Forscher im Fachmagazin "Nature Communications".

Von Christine Westerhaus | 14.11.2012
    Meerestiere, Früchte, Getreide, Gemüse, Fleisch - die Vielfalt der menschlichen Ernährung kennt kaum Grenzen. Schimpansen ernähren sich dagegen recht einseitig. Vor allem Früchte und Insekten stehen auf ihrem Speiseplan. Andrew Moeller hat deshalb erwartet, dass er im Darm unser nächsten Verwandten ganz andere Bakterien finden würde, als bei uns. Doch genau das Gegenteil war der Fall. Der Forscher von der Yale-Universität in Connecticut entdeckte dort die gleichen Muster von Mikrobengemeinschaften, wie beim Menschen:

    "Ich war überrascht, denn ich hatte angenommen, dass wir im Darm von Menschen einzigartige Bakteriengemeinschaften finden, weil wir uns so anders ernähren als die Schimpansen. Als wir dann bei ihnen die gleichen Bakteriengemeinschaften fanden, war das sehr aufregend für uns. Denn es deutet darauf hin, dass es diese Darmflora-Typen schon gegeben haben muss, bevor sich Mensch und Schimpanse auseinanderentwickelten."

    Die Forscher haben beobachtet, dass sich die Bakteriengemeinschaften von Schimpansen in drei unterschiedliche Typen einteilen lassen. In diesen sogenannten Enterotypen dominieren jeweils bestimmte Gruppen von Bakterien. Genau die gleichen Enterotypen finden sich auch beim Menschen. Für Andrew Moeller ist das ein Hinweis darauf, dass Bakterien neben der Verdauung noch weitere Aufgaben im Körper übernehmen.

    "Diese drei unterschiedlichen Enterotypen sind offenbar das Ergebnis einer langen Ko-Evolution zwischen dem Wirt und den Bakterien. Wir wissen, dass Letztere auch für andere Funktionen wichtig sind. Die Entwicklung des Immunsystems ist zum Beispiel eng mit der Bakteriengemeinschaft verknüpft."

    Auch andere Studien deuten darauf hin, dass Bakterien zentrale Prozesse im Körper steuern. Versuche mit keimfreien Mäusen haben beispielsweise gezeigt, dass die Entwicklung des Gehirns gestört ist, wenn der Körper keinen Kontakt zu Bakterien bekommt. Bisher ist aber wenig darüber bekannt, wie und warum die unterschiedlichen Enterotypen entstehen. Auch ist unklar, warum sich bestimmte Bakterien dauerhaft im Darm ansiedeln und andere nicht.

    "Das Immunsystem des Wirts entscheidet mit darüber, welche Bakterien im Darm überleben können. Wir fangen aber gerade erst an, diesen Mechanismus zu verstehen. Auf der anderen Seite gibt es auch Interaktionen zwischen den Bakterien: Sie konkurrieren um Nahrung, beeinflussen sich gegenseitig. Es kann also gut sein, dass nicht nur der Wirt darüber entscheidet, welche Mikrobengemeinschaften sich entwickeln, sondern auch die Bakterien selbst."

    Trotz vieler Gemeinsamkeiten entdeckten Andrew Moeller und seine Kollegen aber auch ein paar Unterschiede im Mikrokosmos von Mensch und Schimpanse. Die beiden Verwandten teilen nicht alle Bakterien.

    "Beim Menschen haben wir ein paar Bakterien gefunden, die beim Schimpansen nicht vorkommen. Von vielen dieser Bakterien ist bereits bekannt, dass sie mit menschlichen Krankheiten assoziiert sind. Chronischen Darmentzündungen wie Morbus Crohn zum Beispiel. Es wird spannend sein zu untersuchen, ob es ein genereller Trend ist, dass diese für den Menschen spezifischen Bakterien mit Krankheiten assoziiert sind."

    Als Nächstes wollen die Forscher aber erstmal untersuchen, wie lange es diesen Bakterienklüngel unter Menschenaffen schon gibt. Dazu werden sie den Kot von den weiter entfernt verwandten Gorillas und Orang-Utans unter die Lupe nehmen - und darin nach den klassischen Bakteriengemeinschaften Ausschau halten.