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BAMF-Bearbeitungstempo
"Die Beteiligung des Bundes ist eigentlich nur beschämend"

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) hält es für unverständlich, dass die Bearbeitung der Asylanträge durch den Bund soviel Zeit in Anspruch nehme. Die Kommunen dagegen hätten den Löwenanteil bei der Betreuung der Flüchtlinge zu leisten, obwohl das eine nationale Aufgabe sei, sagte Jäger im DLF.

Ralf Jäger im Gespräch mit Peter Kapern | 11.06.2016
    NRW-Innenminister Ralf Jäger im Untersuchungsausschuss des Landtags zur Kölner Silvesternacht
    NRW-Innenminister Ralf Jäger nennt den Beitrag des Bundes zur Unterbringung von Flüchtlingen "beschämend" (dpa / Federico Gambarini)
    Peter Kapern: Das ist doch eigenartig: Da greifen Mutmaßungen über den vermeintlich zu geringen Integrationswillen von Flüchtlingen in Deutschland immer weiter um sich, angefacht nicht zuletzt von rechtspopulistischen Parteien, und dann erfahren wir, dass Tausende Asylbewerber vor Gericht ziehen, damit sie überhaupt ihren Asylantrag stellen können, um damit endlich zu Integrations- und Deutschkursen zugelassen zu werden.
    Wie er dies beurteilt, das hat uns kurz vor der Sendung Ralf Jäger von der SPD, der Innenminister von Nordrhein-Westfalen erläutert:
    Ralf Jäger: Das ist für viele wirklich ein großes Problem, für die Städte und Kommunen, die diese Menschen ja unterbringen und im Asylverfahren noch finanziell unterstützen müssen, das ist aber auch vor allem für die Betroffenen ein Problem. Manchmal über ein, manchmal sogar über zwei Jahre nicht zu wissen, ob man hier eine Perspektive hat oder nicht, ist für die Betroffenen ein Problem. Wir sollten viel eher denen sagen, die eine Perspektive hier haben, dass sie hier auch bleiben können, und denen, die keinen Schutz brauchen, ehrlich sagen, dass sie hier keine Zukunft haben.
    Kapern: Da spielt natürlich auch noch etwas anderes rein in diese Meldung: Da haben wir in den letzten Wochen und Monaten lange diskutiert über ein Integrationsgesetz, das ja auch unterstellt, dass manche Flüchtlinge sich vielleicht gar nicht so gern integrieren wollen und wir sie fordern müssen, damit sie sich wirklich integrieren. Und nun lesen wir, dass Tausende Asylbewerber gerne einen Sprachkurs besuchen würden, dies aber nicht können, weil sie ihren Asylantrag gar nicht loswerden.
    "Der Bund hat nur eine Aufgabe, nämlich die Asylanträge zu bearbeiten"
    Jäger: Ja, das ist insgesamt ein Problem. Man muss sich einfach vorstellen, dass in diesem ganzen Asylverfahren es unterschiedliche Zuständigkeiten gibt. Die Länder und Kommunen sind dafür zuständig, die Menschen unterzubringen – Bett, Essen, medizinische Versorgung, Schulplätze, Kindergartenplätze, Integration in den Arbeitsmarkt –, all das leisten Länder, aber vor allem Kommunen. Der Bund hat nur eine Aufgabe, nämlich die Asylanträge zu bearbeiten. Dass das so lange dauert, kann man in Teilen nachvollziehen.
    In Teilen, sage ich, wenn die Kommunen vor allem im letzten Jahr nicht diesen Kraftakt geleistet hätten, eine Million Menschen unterzubringen, die hätten dann unter der Brücke schlafen müssen. Es ist unverständlich, dass eine reine Antragsbearbeitung derartig viel Zeit in Anspruch nimmt.
    Kapern: Warum haben Sie so viel Verständnis für die zögerliche Antragsentgegennahme, von Bearbeitung kann man ja noch nicht mal sprechen, es geht ja um die Entgegennahme von Anträgen. Da hat das BAMF einen neuen Chef bekommen, der hat schon einmal die Innenministerkonferenz sehr enttäuscht mit seinen Darlegungen, und jetzt sind Monate ins Land gegangen, und offenbar hat sich beim BAMF nichts Substanzielles geändert.
    Zahl der unbearbeiteten Anträge steigt weiter
    Jäger: Das Asylrecht in Deutschland ist kompliziert. Einen solchen Antrag entgegenzunehmen und zu bearbeiten, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Man kann nicht da irgendjemanden dransetzen, das ist schon mit einer gewissen Kompetenz versehen. Aber in der Tat gebe ich Ihnen recht:
    Bis das BAMF überhaupt mal in die Puschen gekommen ist, bis die mal angefangen haben, die Dimension und die Aufgabe zu verstehen und die Folgen, wenn dieses BAMF nicht richtig funktioniert, da ist nach meiner Ansicht zu spät diese Einsicht geschehen. Sie tun viel, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind deutlich aufgestockt worden, aber es hätte viel eher beginnen müssen.
    Kapern: Aber es gibt ja auch da etwas ganz Erstaunliches zu erkennen, nämlich die Zahl der BAMF-Mitarbeiter ist mittlerweile auf 7.100 aufgestockt worden, trotzdem steigt weiterhin die Zahl der unbearbeiteten Anträge, nämlich auf 460.000 im Mai. Das deutet doch darauf hin, dass beim BAMF überhaupt nichts vorankommt.
    Jäger: Das BAMF ist immer noch nicht in der Lage, diejenigen, die schon zum Teil seit Monaten hier sind, auf einen Termin beim BAMF warten, ihren Asylantrag stellen zu lassen. Die Bearbeitungsgeschwindigkeit beim BAMF ist gestiegen – ich muss diese Behörde nicht in Schutz nehmen, aber ich sage, da hat sich etwas verändert, aber die sind längst noch nicht so aufgestellt, dass man sagen kann, dass in einer bestimmten Zeit all diejenigen, die noch gar keinen Asylantrag stellen konnten, tatsächlich jetzt die Gelegenheit dazu bekommen.
    Kapern: Glauben Sie, dass man die Zusage des BAMF-Chefs Frank-Jürgen Weise zum Nennwert nehmen kann, der gesagt hat, bis zum Jahresende ist der gesamte Antragsstau abgearbeitet?
    "Prognosen des BAMF sind in der Vergangenheit nicht immer eingetreten"
    Jäger: Wir haben jetzt Juno, das wäre noch mal ein halbes Jahr. Ich hoffe, dass dies geschieht, insbesondere vor dem Hintergrund der Betroffenen und der Kommunen, die diese Menschen unterbringen müssen. Allerdings sind Prognosen des BAMF in der Vergangenheit auch nicht immer eingetreten.
    Kapern: Nun haben Sie verschiedentlich jetzt in diesem Interview schon auf die Integrationsleistung, die Aufnahmeleistung der Kommunen hingewiesen. Es gibt Meldungen darüber, dass sich Bund und Länder verständigt haben über die Aufteilung der Kosten für die Aufnahme der Flüchtlinge. Stimmen diese Meldungen, können Sie das bestätigen?
    Jäger: Das ist noch nicht geschehen, es ist zumindest noch nicht tatsächlich endabgestimmt. Zurzeit ist es so, dass der Bund lediglich 19 Prozent der Unterbringungskosten für Flüchtlinge in Deutschland übernimmt, den Löwenanteil müssen Länder und Kommunen tragen. Vor dem Hintergrund, dass das wirklich eine nationale Aufgabe ist, finde ich die Beteiligung des Bundes und die zögerlichen Verhandlungen da eigentlich nur beschämend.
    Kapern: Wie erklären Sie sich denn die Meldung darüber, dass es da zu einer Einigung gekommen ist, in deren Zuge die Länder auch auf einen Teil, auf einen wesentlichen Teil ihrer Forderung verzichtet haben?
    Jäger: Das ist nach meinem Kenntnisstand noch nicht endabgestimmt, aber es geht in die Richtung, ja. Da es noch nicht endabgestimmt ist, kann ich dazu leider noch nichts sagen.
    Kapern: Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger von der SPD heute Mittag im Deutschlandfunk. Das Interview haben wir kurz vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.