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Bandsalat in Bremen

In den 80er-Jahren eröffnete die Audiokassette Künstlern ganz neue Möglichkeiten: Zeitschriften entstanden, Sound-Kunst, Radiosendungen. Und auch als reines Objekt fand sie Verwendung. Daran erinnert jetzt die Ausstellung "Bandsalat -Aufnahme, Rücklauf, Wiedergabe, Stopp" in der Weserburg.

Von Franziska Rattei | 11.02.2013
    Auf einem kleinen Tischchen im Museum für Moderne Kunst, der Bremer "Weserburg", steht ein Kassettenrekorder. Geschätztes Baujahr: 1990. Im Innern: eine Zeitschrift. Genauer: "The Tellus Audio Cassette Magazine".

    "Das ist in New York von '83 bis '93 entstanden. Das sind ungefähr 27 Kassetten, alle zwei Monate kam eine Kassette heraus. Das ist einfach, wie gesagt, eine Zeitschrift in Form einer Kassette."

    Anne Thurmann-Jajes leitet das Studienzentrum für Künstlerpublikationen in der Weserburg. Auf dem Tischchen vor ihr liegen noch mehr Kassetten.

    Ein "Konzert über Telefon" zum Beispiel oder ein Orgelkonzert-Mitschnitt aus dem Jahr 1986.

    Besucher der Ausstellung "Bandsalat – Aufnahme, Rücklauf, Wiedergabe, Stopp" können die Kassetten selbst einlegen. Die Hüllen sind beschriftet, aber extra Erklärtexte gibt es nicht. Hier soll weniger gelesen als gehört werden, sagt Anne Thurmann-Jajes. Denn genau das hat die Audio-Kassette ja geschafft – Hörbares abbilden.

    Anne Thurmann-Jajes: "Die Künstler wurden unabhängig, autonom, und sie konnten eigentlich zum ersten Mal richtig mit dem Sound arbeiten. Also, zum ersten Mal kann man jetzt nicht sagen, aber in einer breiteren Masse. Und finanziell erschwinglich. Ja, und das hat die Kassette ausgelöst. Also, insofern auch letztendlich auch die ganze Entwicklung in Sound-Art beeinflusst."

    Für Anne Thurmann-Jajes ist ein Ausstellungsstück besonders wichtig. Der erste tragbare Kassettenrekorder von 1963:

    "Da gibt's dann nur einen Schieberegler, und den musste man in unterschiedliche Richtungen schieben, und dann entweder Rücklauf-Vorlauf oder Stopp. Und das funktionierte auch nur mit Batterie. Und hat damit eigentlich, '63, eine kleine Revolution, also unglaublich viel ausgelöst."

    Auch Bettina Brach, die Kuratorin der Ausstellung, erinnert sich noch daran, wie sie als Jugendliche Radiosendungen aufgenommen hat. Aber aus purer Nostalgie heraus hat sie das Projekt in der Weserburg nicht übernommen, sagt sie. Es gab bislang einfach nichts Vergleichbares:

    "Es hat seinen Reiz und ist auch wirklich verbunden mit der Kunstgeschichte der letzten Jahrzehnte. Also wir haben hier nicht so ein kleines exotisches Kabinett, sondern all die Kunstwerke, die hier in der Sammlung sind, sind Teil der zeitgenössischen Kunst, und da kann man wunderbare Sachen dran ablesen und aufzeigen."

    Zum Beispiel, dass Künstler die Audiokassette nicht nur als Tonträger benutzt haben, sondern auch als Objekt an sich. In der Ausstellung finden sich viele Exponate, die das belegen. Nur ein Beispiel: ein Kassetten-Bild: ein DinA4-großer Rahmen mit Scherben, Kies, Sand und Steinen, in dem sich unter anderem eine Kassette versteckt – nicht mehr hörbar, versteht sich. Das größte Exponat für Audiokassetten-Objekt-Kunst steht aber ein einem Nebenraum.

    Bettina Brach: "Für mich ist die Arbeit von Armin Chodzinski wirklich ein Highlight, weil es auch eine Installation, eine ganze Raum-Arbeit für sich ist. Der Künstler hat hier vier Tage aufgebaut, und es war wirklich spannend zu sehen, wie dieser Turm aus Kassetten wächst, und da kamen dann am Ende sechzehntausend Stück zusammen. Das ist schon sehr beeindruckend."

    Armin Chodzinskis Werk "Like Anselm Kiefer" ist übermannshoch und sieht aus wie ein großes, buntes Iglu ohne Dach. Die Installation bezieht sich auf ein Werk von Kiefer, weil der einmal Bilder übereinanderstapelte, ohne dass man sehen konnte, was auf ihnen abgebildet war. Die Wände sind komplett aus Kassetten gebaut: Radio-Mitschnitte. Ein inzwischen verstorbener Bekannter von Chodzinski hat sie gesammelt. Weil er 18 Jahre lang arbeitslos war und nicht untätig sein wollte. Die Installation soll seine Sammelwut illustrieren, sagt Anne Thurmann-Jajes. Aber sie soll auch daran erinnern, wie wichtig die Kassette eine Generation lang war.

    Anne Thurmann-Jajes: "Da ist natürlich auch eine Zeit vorbei. Das wird hier natürlich noch mal ansichtig. Man erinnert sich auch noch mal an seine eigenen Stapel, die man so hatte und an die Kassetten, die sich in Regalen endlos entlang reihen."