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Bankenexperte: Nicht überlebenswichtige Bankteile "den Bach runtergehen" lassen

Ihr Zusammenbruch gilt als Gefahr für das gesamte Finanzsystem. 36 Banken in Deutschland stehen auf der Liste der Finanzaufsicht BaFin. Professor Reinhard Schmidt, Bankenexperte an der Universität Frankfurt, begrüßt die Idee eines Bankentestaments, in dem festgelegt wird, welche Teile tatsächlich gesamtwirtschaftlich wichtig sind.

Das Gespräch führte Sandra Schulz | 19.12.2012
    Sandra Schulz: Ihr Zusammenbruch gilt als Gefahr für das gesamte Finanzsystem: 36 Banken in Deutschland stehen auf der Liste der Finanzaufsicht BAFIN. Im Notfall werden sie mit Steuergeld gerettet, die Institute sollen aber auch selbst einen Abwicklungsplan ausarbeiten, der dann die Basis für ein sogenanntes Bankentestament ist. Ist die Gefahr einer neuen Krise zumindest an dieser Front jetzt gebannt? – Unter anderem darüber haben wir hier im Deutschlandfunk gestern mit dem Bankenexperten Professor Reinhard Schmidt von der Frankfurter Universität gesprochen.

    - Zuerst hat ihn mein Kollege Mario Dobovisek gefragt, wie so ein Bankentestament aussehen könnte.

    Reinhard Schmidt: Ein solches Testament könnte aussehen wie ein Testament im normalen Leben, das heißt, eine Festlegung darüber, was soll passieren, wenn eine Bank in einer jeweils ganz bestimmten Situation nicht mehr richtig lebensfähig ist. Also zum Beispiel könnte ein solches Testament besagen, dann müssten diese oder jene Verträge gekündigt werden, dieser oder jener Unternehmensteil müsste ausgegliedert werden, dieser oder jener Vermögensteil dürfte Pleite gehen. Und das ist ja eigentlich die wichtige Logik hinter der ganzen Sache, dass man eine Bank, die ein sehr komplexes Gebilde ist, in Teile zerlegt, von denen einige aus gesamtwirtschaftlichen Überlegungen überlebenswichtig sind und andere, die man dann einfach den Bach runtergehen lässt.

    Mario Dobovisek: Um Ihr Wort im normalen Leben noch einmal aufzugreifen: Wenn es im normalen Leben tatsächlich ein Testament gibt, dann kann der Erbe ein Erbe eben auch ausschlagen, zumal es mit großen Schulden verbunden ist. Wer wird dann das Erbe einer solchen, in Schieflage geratenen Bank antreten müssen?

    Schmidt: Also es gibt Eigentümer einer Bank und die sind meistens die ersten, die haften müssen, wenn die Dinge vernünftig geregelt sind. Und dann gibt es Gläubiger, die man einteilen kann in erstens die sogenannten Einleger einer Bank. Die sind per Gesetz und Einlegerschutzverordnung aller möglicher Art weitgehend geschützt und die möchte man eigentlich nicht gefährden. Dann gibt es Gläubiger, die mit starken Sicherungsrechten ausgestattet sind, die will man eigentlich auch nicht so sehr dran glauben lassen. Und dann gibt es die ungesicherten Gläubiger, die typischerweise, wenn die Dinge gut laufen, einen höheren Zinssatz kriegen. Und man möchte, dass außer den Eigentümern auch die ungesicherten Gläubiger im Falle einer richtigen Schieflage einer Bank diese die Verluste tragen. Das ist die Logik der Marktwirtschaft.

    Dobovisek: Kann denn mit einem solchen Notfallplan oder mit einem solchen Testament verhindert werden, dass der Steuerzahler einspringen muss?

    Schmidt: Also ganz verhindern kann man das deswegen nicht. Aber man kann die Wahrscheinlichkeit reduzieren und man kann den Schaden im Fall eines Einspringen-Müssens drastisch verringern.

    Dobovisek: Wie drastisch verringern?

    Schmidt: Wie drastisch verringern? – Die ganze Situation wird damit überschaubar. Und wenn sie überschaubar ist, dann ist für die Regierung, für den Staat meistens die Notwendigkeit, insgesamt einzuspringen, nicht mehr gegeben. Und dann muss der Staat nur noch einspringen für bestimmte Dinge wie zum Beispiel die Rettung von Einlegern, also normalen Kunden, ...

    Dobovisek: Also Sparern?

    Schmidt: Ja, Sparern, aber auch Leute mit Sichteinlagen, die durch ein Sicherungssystem nicht abgedeckt sind. Das könnte, kann ich mir vorstellen, in vielen Fällen vielleicht ein Fünftel oder ein Achtel von dem sein, was so eine Gesamtsicherung und Rettung einer Bank kosten könnte.

    Dobovisek: Nun stehen auf dieser BaFin-Liste insgesamt 36 Banken. Nicht alle aber gelten als systemrelevant und müssen einen Notfallplan vorlegen. Was bedeutet diese Unterscheidung, Herr Schmidt?

    Schmidt: Das weiß ich nicht. Das weiß ich nicht, weil man es nicht weiß. Man sagt uns ja nicht, der Öffentlichkeit nicht, welche nun wirklich die systemrelevanten Banken sind und welche, die mit der Pflicht, ein Testament anzulegen, ausgestattet sind, weil das etwas wäre, wogegen Spekulanten spekulieren könnten. Deswegen hält man das geheim.

    Dobovisek: Ist das also eine gute Sache?

    Schmidt: Bitte?

    Dobovisek: Ist das also eine gute Sache?

    Schmidt: Dass das geheim gehalten wird?

    Dobovisek: Ja.

    Schmidt: Ja, halte ich für ganz vernünftig.

    Dobovisek: Heißt das aber, dass eine wirklich systemrelevante Bank, von der wir ja gar nicht wissen, dass sie möglicherweise existiert, außer vielleicht bei der Deutschen Bank, die als einzige deutsche Bank auch international als systemrelevant eingestuft wurde, dass diese Banken unbegrenzt mit Steuermitteln um jeden Preis gerettet werden können?

    Schmidt: Nein, nein. Wenn wir ein Testament haben und wenn man gewisse Vorschläge, wie sie etwa die Liikanen-Kommission jetzt gemacht hat zur teilweisen Aufspaltung von Banken, wenn man diese Vorschriften befolgt, dann gibt es immer einen Teil einer solchen Bank, der gerettet werden muss, aber einen anderen Teil, der den Bach runtergehen darf.

    Dobovisek: Ein Fonds soll auch eingerichtet werden, in den die Banken selber einzahlen, um am Ende möglicherweise einen Mitbewerber zu retten. Warum sollte eine Bank dies freiwillig tun?

    Schmidt: Wenn ein Autohersteller Pleite geht, dann freut das die anderen, weil die anderen versorgen nämlich die Kunden, die dann bei dem Pleite gegangenen Autohersteller nicht mehr zu Potte kommen. Bei einer Bank ist das ganz anders. Wenn Sie sich eine Bankbilanz anschauen, dann sehen Sie: Der größte Posten ist die Verbindung zwischen den Banken, also die Schulden des einen und die Forderungen des anderen. Und diese Verbundenheit macht Banken gemeinsam sehr stark betroffen davon, wenn eine einzelne Bank in eine Insolvenz gerät.

    Schulz: Professor Reinhard Schmidt, Bankenexperte der Goethe-Universität in Frankfurt am Main, im Gespräch hier mit dem Deutschlandfunk. Die Fragen stellte Mario Dobovisek.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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