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Barbis Ruder und ihre Influencer-Performance
15 Minuten Ruhm - viral für alle Zeit

Die sozialen Medien sind ein Marktplatz der Emotionen, findet Künstlerin Barbis Ruder. Als digitales Alter Ego "Influenca" spielt sie mit den Erwartungen der User und den Mechanismen des Netzes. Facebook hat ihre virtuellen Performances gelöscht - doch beim Donaufestival darf sie ganz real erscheinen.

Von Paul Lohberger | 04.05.2018
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    Die Künstlerin Barbis Ruder alias Influenca bei ihrer Performance "Channeling #LikeMeToo" (HELMUT PROCHART)
    Influenca: "I’m on my phone right now, and I’m super, super mega happy, because I got three more likes, just in the last three hours, for some pictures that I did last weekend, on saturday. I was out and I was doning a happying, because I’m really into happying and into happynism, and hashtags are my favorite food!"
    Influenca, die Influencerin mit der schicken silbernen Mähne, ist total gut drauf und sehr überzeugt von sich. Selfies von ihr und der Welt zeugen davon. Auf Instagram und Twitter dokumentiert Influenca seit einiger Zeit ihr tolles Leben, und ab 6 Euro 66 kann man eigene Botschaften in diese Kanäle einspeisen.
    Der Traumberuf Influencer war relativ anstrengend
    Influenca ist das Alter Ego der Künstlerin Barbis Ruder. Vor dem diesjährigen Donaufestival hat sie viel Zeit damit verbracht, die Influenca-Personality zu etablieren, auf allen verfügbaren Kanälen im Netz Communities aufzubauen und diese zu bespaßen. Der schicke Traumberuf Influencer erwies sich dabei als relativ anstrengend:
    "Naja, es ist extrem schwierig. Erstmal muss man sich eine Crowd aufbauen, die hab ich nicht unbedingt – ich hab gute Aufträge, aber ich habe einfach keine mehrere tausend Follower, ich hab 150 als Influenca. Ich hatte schon mehr Facebook-Freunde, ich hatte schon 500 Facebook-Freunde innerhalb einer Woche. Ich finde, das ist ein ganz guter Schnitt, aber dann wurde mir Facebook leider gelöscht."
    Influenca war vielleicht zu ironisch, wurde jedenfalls als unechter Name erkannt, verstieß also gegen die Klarnamenpflicht, mit der es Facebook in diesem Fall sehr genau nahm. "Demnach hab ich aber bei der Performance die großartige Chance, sehr viele Follower zu bekommen. Und ich hoffe, diese Plattform des Donaufestivals auch gebührend zu nützen, damit mein Social Reach größer wird."
    Influenca: "One product that is selling like super greatly, it’s the online tears, it's like that tears that I cried on the internet – I cried exactly 33 tears, and I already sold 19 of the tears. And my team always says: "You know, if Mother Mary, if there was the internet back then, she also would have cried real tears, she would have cried online tears." Because who wants to cry real tears? That really ruins your make-up."
    Soziale Medien als Marktplatz der Emotionen
    Exklusive Online-Tränen, die das Make-up schonen, wer will die nicht? Die sozialen Medien sind ein Marktplatz der Emotionen. Fluch und Segen gehen dabei Hand in Hand, das zeigt schon der Untertitel - respektive Hashtag - #LikeMeToo. Ernsthafte Anliegen sind gut, besser ist es, zu emotionalisieren: Emotionen bringen Aufmerksamkeit, Aufmerksamkeit lässt die Kasse klingeln. Die Bloggerin, die von einem Hotel abgewiesen wurde und sich öffentlich im Netz ausheulte, wurde dadurch bekannter, und das brachte ihr vermutlich auch mehr Aufträge ein.
    Wer als Influencer sein Geld verdienen möchte und neu einsteigt, hat es zunächst aber schwer: Keilen gehört zum Beruf, auf viele Anfragen kommen wenige Aufträge. Barbis Ruder: "Das ist eigentlich, was wir Künstler ohnehin schon lange machen, nämlich Leute fragen, ob sie uns Sachen umsonst sponsern, oder die ganzen Sponsoren aufm Flyer mitnehmen – im Grunde ist es das gleiche. Natürlich nicht eins zu eins, aber es hat ähnliche Logiken."
    Barbis Ruder weiß, wovon sie spricht – vor dem Kunststudium hat sie Kulturmanagement studiert. Passend zur Doppelausbildung hat sie nun einen Teil ihrer Persönlichkeit als Influenca abgespalten. Die Performance beim Donaufestival aber bestreiten beide gemeinsam. Nebenher produziert Barbis Ruder noch die Musik und Videos rund um Influenca.
    Influenca soll vor allem Kunst vermarkten
    Barbis Ruder: "Eine Sache, die mir auch wichtig ist, ist offenzulegen, wie man produziert oder wie man Sachen herstellt – meist sieht man sich ein Stück an und fragt sich gar nicht, was dahintersteht; in meinem Fall vier, fünf Monate konkretes Arbeiten, eineinhalb Jahre Konzeptarbeit, bis man dann zu dem kommt, was es ist. In diesem Fall habe ich unglaublich viele Verkaufsemails geschrieben. Und 80 bis 90 Prozent der Zeit ist Organisieren und Tun und Leute aufstellen und Proben, und da sagt irgendwer ab, und das und das und das... sehr wenig Zeit kommt fürs Kunstproduzieren zu stande."
    Influenca soll mittelfristig vor allem Kunst vermarkten. Diesen Service bot Barbis Ruder im Vorfeld der Performance gezielt bei Kunstorganisationen an: "Ich möchte eigentlich aus dem Produzieren oder aus dem Marketing, das es so gibt, das wieder in Kunst umwandeln, aber auch auf humorvolle Art und Weise zeigen, was die Realität ist für Künstler heutzutage – man braucht Glück, um einen Agenten zu haben, eine Galerie zu haben. Wenn ich nicht selber das alles auftelle, kann ich das nicht tun, was ich tun möchte."
    Auch nach der Performance wird Influenca weiterleben, so lange Barbis Ruder davon und damit leben kann.
    "Channeling #LikeMeToo" wird am 04.05. um 18 Uhr und am 05.05. um 15 Uhr beim Donaufestival aufgeführt.