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Barenboim-Said-Akademie
Musik ohne Grenzen

Die Barenboim-Said-Akademie ist nicht nur ein nagelneuer Kammermusiksaal in Berlin. Sie ist auch eine Hochschule für begabte Musiker aus dem Nahen Osten, ein Ort der Begegnung ebenso wie Friedensprojekt. Am Donnerstag wird die Akademie eröffnet.

Von Christiane Habermalz | 08.12.2016
    Sie sehen den Pierre Boulez Saal der Barenboim-Said Musikakademie, hier ein Archivbild von September 2016.
    Am Donnerstag wird die Barenboim-Said-Akademie eröffnet. (picture-alliance / dpa / Soeren Stache)
    Alles begann mit einer gekritzelten Zeichnung, einem vogelnestartigen Oval auf einem Zettel. Der Architekt Frank Gehry skizzierte darauf für seinen Freund Daniel Barenboim seine Idee für einen Konzertsaal, der als Ellipse frei im Raum schwebt, in dem die Zuschauer von allen Seiten auf eine runde Bühne in der Mitte herabblicken können. Der Zettel hängt heute in einem Bilderrahmen im Büro von Michael Naumann, Direktor der Barenboim-Said-Akademie. Und er ist, in stilisierter Form, zum Logo der ganzen Akademie geworden.
    "Also die Akustik, das weiß man ja, ist bei Konzertsälen immer gewissermaßen fast eine Zauberei, wenn man sie vorher festlegen will. Wir haben nun den zurzeit den vielleicht den weltberühmtesten Akustiker engagiert, Yasuhisa Toyota – ich behaupte mal, das hat hier eine Stradivari-Qualität."
    Von der Skizze bis zur Eröffnung der Akademie heute Nachmittag sind nur sagenhaft kurze vier Jahre vergangen. Das ehemalige Kulissenmagazin der Staatsoper am Bebelplatz, ein DDR-Funktionsbau aus den 50er Jahren hinter historischer Fassade, musste dafür komplett umgebaut, der spektakuläre Gehry-Saal quasi in den Altbau hineinkonstruiert worden.
    Gleichzeitig ein Friedensprojekt
    Ab März nächsten Jahres wird hier der Konzertbetrieb losgehen und ein neuer Kammermusiksaal mit eigenem Ensemble für Berlin bereit stehen, der 682 Besucher fassen wird. Zunächst aber wird das feierlich eingeweiht, was Daniel Barenboim, Dirigent und Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper, ein "Experiment in Utopie" nannte: Eine Musikhochschule für begabte junge Musiker aus dem Nahen Osten, die gleichzeitig ein Friedensprojekt ist. Michael Naumann:
    "Der Plan ist es, junge Menschen aus dem Nahen Osten, aus diesen Konfliktländern, aus miteinander verfeindeten Nationen, zusammenzuführen in musikalischer Ausbildung, die ja bekanntlich sehr viel mit der Einübung von Harmonie zu tun hat und mit gegenseitigem Respekt."
    Zum Beginn des Wintersemesters im Oktober haben bereits 37 begabte junge Stipendiaten aus Israel, Palästina, Syrien, Jordanien, Iran, Ägypten und der Türkei angefangen. Sie werden nach vier Jahren mit einem Bachelor-Abschluss die Akademie verlassen.
    "Und dann sind sie vielleicht 22 Jahre alt und können auch noch andere Dinge studieren, vor allem aber haben sie in dieser vierjährigen Ausbildung aneinander Geschmack gefunden, sie haben sich kennengelernt, sich miteinander befreundet in Berlin, und werden in ihre Heimatländer zurückkehren mit dem Gefühl, dass auf der anderen Seite der Grenze Menschen sind, die genauso sind wie sie selbst."
    Für die Bewerbungsgespräche ist Dekan Mena Mark Hanna zweimal in den Nahen Osten gereist. Voraussetzung sei, neben der herausragenden musikalischen Eignung, dass die jungen Leute offen sind für Neues, sagt Hanna. Denn sie sollen im Geiste des west-östlichen Diwan-Orchesters von Daniel Barenboim und dem 2003 verstorbenen palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward Said unterrichtet werden, und das heißt vor allem: Dem Humanismus und der Aufklärung verpflichtet.
    Immer auch eine unabhängige Persönlichkeit
    Deswegen stehen neben dem Unterricht in Piano, Cello oder Musiktheorie auch Geisteswissenschaften auf dem Lehrplan: Philosophie, Geschichte, Literatur – von Nietzsche bis Kafka, von westlichen zu orientalischen Texten. Dahinter steht die Vorstellung, dass ein Musiker immer auch ein Intellektueller, eine unabhängige Persönlichkeit sein sollte.
    Faris Amin, Violinstudent aus Palästina, gehört zu einem Probejahrgang, der bereits ein Jahr früher mit einem Vorbereitungsstudium angefangen hat. Das letzte Jahr in Berlin und in der Gruppe habe sein Leben verändert, sagt er.
    "Du redest jeden Tag, du machst Musik zusammen, du hörst ihre Sichtweisen und Meinungen. Und du fängst an, die Dinge auf eine andere Weise zu sehen. Ich denke, davon profitieren wir alle zusammen
    Musik sei eine sie alle verbindende, gemeinsame Sprache, ergänzt Miri Saadon, Klarinettistin und jüdische Israelin.