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Barockes Kunstwerk Schloss Ludwigslust
Paradebeispiel für Papiermaché

Papiermaché wohin das Auge reicht - nahezu alles, was im Schloss Ludwigslust bei Schwerin prunkvoll ist, besteht daraus. Der Werkstoff war bei Herzogen und Fürsten des 18. Jahrhunderts Trend und ersetzte sogar edle Hölzer. Nun kann auch der Ostflügel des Bauwerkes nach fünfjähriger Renovierung bestaunt werden.

Von Eva Firzlaff | 06.03.2016
    Sogar die Verzierungen der Säulen und der Stuck im Goldenen Saal von Schloss Ludwigslust sind aus Papiermaché.
    Sogar die Verzierungen der Säulen und der Stuck im Goldenen Saal von Schloss Ludwigslust sind aus Papiermaché. (picture-alliance / dpa / Jens Büttner)
    Schon die kleine Stadt ist etwas Besonderes, sie hat keine ur-lange Geschichte, sondern wurde sozusagen aus einem Guss angelegt, erzählt Sylvia Wegener.
    "Ludwigslust ist Anfang des 18. Jahrhundert, also etwa vor 300 Jahren aus dem "Nichts" heraus gebaut worden. Da gab es den Christian Ludwig, der sich ein Jagdschloss bauen wollte. Es gab hier ein Dorf, das hieß Klenow. Hat er gesagt: Hier ist es schön, hier gibt es Wald, hier kann ich jagen, hier lasse ich mir ein Jagdschloss errichten."
    Und gab dem Ort seinen Namen: Ludwigslust. Als sein Nachfolger seine Residenz hierher verlegte, entstand die kleine Barock-Stadt.
    "Was macht eine Barock-Stadt aus? Dass sie auf dem Reißbrett angelegt wurde, dass wir barocke Sichtachsen haben. Typisch sind auch und gerade hier sehr prägend diese breiten Straßen. Also wenn wir jetzt die Schlossstraße sehen, die ist mit ihren 35 Metern Breite ja einmalig. Zeigen Sie mir eine Kleinstadt von dem Format mit 12.000 Einwohnern, die eine Hauptstraße in der Breite hat. Und dann noch in ihrer Symmetrie. Sie könnten eine Linie durchziehen und es ist immer gegenüberliegend das gleiche. Sie könnten die Straße aber auch quer spiegeln. Genau das gleiche an den anderen Sichtachsen. Das ist eins der Gestaltungsmerkmale von barocken Städten."
    Majestätisches Frauenbild: die reitende Alexandrine
    Mitten auf dem kreisrunden Alexandrinenplatz im Verlauf der Schlossstraße steht eine Skulptur, die reitende Alexandrine. Kein Herrscher hoch zu Ross, sondern die preußische Prinzessin, einer Amazone gleich.
    "Und wenn man jetzt auch noch rauf geht auf diesen Laufsteg, da ist auch ein Zitat von Heinrich Heine eingearbeitet, das Bezug auf die reitende Alexandrine nimmt. Aber das muss man wissen. Das ist für Touristen schwer zu erkennen, dass man über diesen Kreisel rüber geht und sich den Spruch auch mal durchlesen kann."
    "Aber jenes leuchtende majestätische Frauenbild, das da mit einem buntglänzenden Gefolge auf hohem Rosse vorbeifliegt, das ist unsere Alexandrine. Im braunen festanliegenden Reitkleide, einen runden Hut mit Federn auf dem Haupte und einer Gerte in der Hand gleicht sie jenen ritterlichen Frauengestalten, die uns aus dem Zauberspiegel alter Märchen so lieblich entgegen leuchten und wovon wir nicht unterscheiden können, ob sie Heiligenbilder sind oder Amazonen."
    So schwärmte Heinrich Heine in seinen Briefen aus Berlin,1822. Auch in Ludwigslust verehrte man die Erb-Großherzogin von Mecklenburg Alexandrine.
    "Sie hatte ein sehr rühriges soziales Engagement. Sie war auch Gründerin des ersten Kindergartens hier. Den gibt es heute noch, den Alexandrinenstift. Das ist mittlerweile der viertälteste Kindergarten in ganz Deutschland. Ich glaube, 1829 gegründet. Der war vor allem für Kinder, deren Eltern sich eine Betreuung nicht leisten konnten."
    Künstlich angelegte Wasserspiele und Bassins
    Geht man die Schlossstraße weiter zum Schloss, sieht man das lange nicht, sondern nur einen weiten Platz am Ende der Straße. Erst dort fällt der Blick rechts auf das Schloss und links auf Wasser-Kaskade und Bassin, das wie ein Teich angelegt ist. Denn zu einer barocken Anlage gehörten unbedingt Wasserspiele. Doch es gab keinen Fluss oder Bach.
    "Wenn wir kein Wasser haben, dann holen wir uns welches her. Und man hat einen 28 Kilometer langen Kanal gegraben, der die Röcknitz und die Stör verbindet. Dieser Kanal transportiert das Wasser nach Ludwigslust. Ist alles ohne Pumpen, wurde sehr geschickt angelegt, dass kleine Fallstufen überall eingebaut wurden und wir eben das Wasser hier am Bassin haben als Gestaltungselement."
    Schloß Ludwigslust - das mecklenburgische Versaille
    Der Sohn Christian Ludwigs Herzog Friedrich war nach seiner Grand Tour durch Europa begeistert von Versailles und ließ anstelle des Jagdhauses das jetzige Barock-Schloss als Residenz errichten. Wobei es noch viel größer gedacht war. Doch die geschwungenen Seitenflügel wurden nicht gebaut. Deshalb wirkt der Schlossplatz so groß und leer. Im symmetrisch gestalteten Schloss residierte im Westflügel die Dame, im Ostflügel der Herr. Und eben dieser Ostflügel öffnet nun nach fünf Jahren wieder, prächtig wie schon lange nicht mehr. Denn Herzogs Gemächer waren Büros. Zwischenwände waren gezogen, Toiletten eingebaut. Einzig der Goldene Saal diente als Festsaal der Stadt.
    "Zu DDR-Zeiten waren wirklich alle Räume Verwaltungsräume. Es gab dann zwei Zugangsräume vor dem Goldenen Saal, die mit Musealien ausgestattet waren, aber kein Museum. Man hatte vor, ein Museum einzurichten, ist aber nicht ausgeführt worden. Man hatte auch 1969 vor, aus dem Schloss Ludwigslust ein Kulturhaus zu machen. Das ist glücklicherweise auch nicht ausgeführt worden."
    Glamour aus Papiermaché - der Goldene Saal
    Peter Krohn ist Leiter des Museums Schloss Ludwigslust. Prunkvoller Mittelpunkt ist der Goldene Saal, der sich über zwei Etagen erstreckt und mit prächtigen Säulen und vergoldetem Stuck glänzt. Doch der Stuck ist keiner, der Marmor kein Marmor, die Edelhölzer im Schloss sind auch keine: sondern Papiermaché.
    "Mecklenburg-Schwerin war ein kleiner Territorialstaat. Der Herzog hatte eigentlich nicht viel zu sagen, hier war die Ritterschaft, man hatte die Ständeversammlung. Steuern waren auch nicht so viel da, man musste also kostengünstig bauen. Und Papiermaché war ein preiswerter Werkstoff. Friedrich als Bauherr ging sogar so weit, dass er einen Erlass herausgab an alle Amtsstuben, alte Akten, die nicht mehr gebraucht wurden, nach Ludwigslust zu bringen. Und aus diesem Material wurde – Recycling – Papiermaché hergestellt. Da war man seiner Zeit ein bisschen voraus."
    Papiermaché gab es auch in englischen Adelshäusern, ist also keine Ludwigsluster Erfindung, wurde jedoch hier zur Perfektion getrieben und wohl deshalb Ludwigsluster Carton genannt.
    "Papiermaché haben wir überall. Angefangen hier an der Säulenbasis, dieser Kranz, die Kapitelle auf den Säulen bis hin zum Zierrat an der Decke, Masken, Vasen, Blumenmotive, Blattwerk - all dieses ist Papiermaché. In dieser Vielfalt als Material für Verzierungen ist es wohl einmalig."
    Originalgetreue Erneuerung und Restaurierung des Ostflügels
    Zu sehen sind nun neben dem Goldenen Saal Herzogs Wohn- und Audienzräume in der Bel Etage und die Gästeappartements im zweiten Stock. Die Stoffbespannung an den Wänden wurde originalgetreu erneuert. Mal wurden nur ein paar Fäden unter einem Nagel gefunden.
    "Wir hatten aber auch ein bisschen Glück. 1955 gab es hier noch in vielen Räumen Textiltapeten, die hat man damals abgerissen als die Kreisverwaltung hier drin saß und man hat Befundtafeln angelegt. Man muss sich vorstellen, so auf 50 mal 50 Zentimeter Sperrholz hat man dann die Textiltapeten geklebt. Und ungefähr 20 Befundtafeln lagerten bis dato im Landesamt für Denkmalpflege und das war natürlich eine sehr schöne Quelle, auf die wir dann zurückgreifen konnten."
    In anderen Räumen verblüfft Papiertapete, auch die ist restauriert und wirkt nicht etwa wie Papier, sondern - wie einst - plastisch wie geraffte Vorhänge, genoppt wie Leder oder strukturiert wie Gobelin.
    "Papiertapete war im 19. Jahrhundert gleichwertig neben Textiltapete. Wir denken heute: Stoff ist teurer, besser. Aber man hatte natürlich versucht, mit dieser Papiertapete auch textile Tapeten zu imitieren bis hin zu Gobelinstoffen, wie wir sie im Nebenraum sehen können."
    "Menagerie" von Jean-Babtiste Oudry bekommt seinen Platz
    In die Räume sind nun die herzoglichen Kunstsammlungen eingezogen: Miniatur-Bildchen, Uhren, Büsten, Elfenbein-Kunst, eine umfangreiche Sammlung von Kork-Modellen antiker Stätten aus dem alten Rom, Gemälde. Und endlich bekommt die so genannte "Menagerie" von Jean-Babtiste Oudry ihren würdigen Platz. Lebensgroße Gemälde exotischer Tiere aus dem königlichen Tiergarten in Versailles.
    "Oudry hat die im Auftrag eines Herren gemalt, der dann verstorben ist, und dann saß er da mit seinen Leinwänden. Da gibt es eben diesen Brief im Schweriner Archiv, wo er sie dem Herzog von Mecklenburg, den er kannte, anbietet. Ein richtig schöner Verkäuferbrief: Ich könnte sie natürlich einzeln verkaufen und viel mehr Geld dafür kriegen, aber ich biete sie Ihnen an, weil ich es natürlich viel lieber hätte, wenn sie zusammen bleiben. Und dann habe ich auch noch ein lebensgroßes Rhinozeros. Das steht so unten drunter. Der Herzog kauft einfach alles, hängt dann diese beiden Leoparden und noch ein paar andere Gemälde in seine Bildergalerie in Schwerin. Aber das Rhinozeros bleibt verpackt im Schrank. Es war einfach zu groß."
    So Dr. Gero Seelig vom staatlichen Museum Schwerin, das die Menagerie bislang gezeigt hat. Das Rhinozeros allerdings ist in Ludwigslust noch nicht dabei, das kommt später in den West-Flügel, wenn auch der restauriert ist. Mit den eindrucksvollen Gemächern der Herzogin und Alexandrines klassizistischer Wohnung.
    Zu sehen sind jetzt aus der Menagerie exotische Vögel, Antilope, Leoparden und ein prächtiger Löwe mit einem recht menschlichen Gesichtsausdruck. Alle in Lebensgröße.
    "Es ist ja das Zeitalter der Aufklärung, in dem Oudry unterwegs ist, das 18. Jahrhundert, und man entdeckt natürlich auch bei den Tieren die Seele. Und deswegen spielt der Blick der Tiere eine ganz große Rolle. Wir werden das nachher oben noch sehen bei den Leoparden, wo es eben einen männlichen und einen weiblichen gibt. Es ist nicht die reine Naturwissenschaft, sondern es ist das Wiederentdecken der menschlichen Verhältnisse in den tierischen."
    So malte Oudry den Leoparden in Herrscherpose, das Weibchen etwas unterwürfig.
    Zum Schloss gehörte natürlich ein Barock-Garten, doch der wurde umgestaltet zu einem Landschaftspark.
    "1854 bis 1856 gab es einen sogenannten Verschönerungsplan für den Schlosspark Ludwigslust Peter Joseph Lenné . Man war ja dynastisch auch verbunden mit den Preußen und borgte sich den Lenné mal kurz aus. Er hat ja in Schwerin auch seine Spuren hinterlassen und für den Ludwigsluster Schlosspark gab es dann einen Verschönerungsplan, der aber bis zur Konsequenz nicht ausgeführt wurde. Da fehlte auch wieder das Geld. Ganz klar, Schwerin war damals die Hauptresidenz, da flossen nur wenige Steuergelder nach Ludwigslust."
    Trotzdem ist es ein sehr schöner Park, der immer am zweiten August-Wochenende den stimmungsvollen Rahmen gibt für ein Kleinkunstfestival, das kleine Fest im großen Park.