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Basel bebte

Seismologie. - Das schlimmste Erdbeben, das Mitteleuropa in historischer Zeit erschütterte, zerstörte vor fast 650 Jahren Basel. Dieses Ereignis ist nicht nur von historischem Interesse, denn die geologische Störung, die sich damals regte, ist immer noch aktiv. Schweizer Forscher haben heute in "Science" eine Analyse des damaligen Bebens und eine Abschätzung der gegenwärtigen Gefährdung veröffentlicht.

14.09.2001
    Am Abend des 18. Oktobers 1356 erschütterte der erste Erdstoß die reiche Handelsstadt Basel am Rhein. Drei Stunden später bebte die Erde erneut und vollendete das Zerstörungswerk der ersten Welle. Allein 40 Burgen im Baseler Gebiet wurden zerstört, in einem Umkreis von 200 Kilometern wurden Kirchen und Schlösser schwer beschädigt, von gewöhnlichen Wohnhäusern nicht zu reden. Die Zerstörungskraft des Bebens glich der der jüngsten Beben in Izmit und Düzce in der Türkei. Basel liegt auf einer Bruchzone in der Erdkruste, dem Oberrheintalgraben. Hier driften zwei Blöcke Europas auseinander und verursachen hin und wieder Erdbeben, die mitunter große Zerstörungen anrichten können. Seit dem Beben von 1356 ist es in Basel ruhig geblieben, doch das muss nicht so bleiben. Zwar ist der Oberrheintalgraben ruhiger als andere Bruchzonen der Erde, doch ungefährlich ist er deshalb nicht. Und inzwischen ist Basel und das Baselbiet ein dichtbesiedeltes, hoch industrialisiertes Gebiet. Ein Beben vom Ausmaß desjenigen von 1356 könnte ungeheure Schäden verursachen, von 70 bis 100 Milliarden Mark ist die Rede.

    Die Seismologen von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und den Universitäten Basel und Straßburg haben die Störung unter Basel jetzt gefunden. Sie beginnt in den Bergen des Schweizer Jura und läuft dann nach Nordosten auf das Baseler Stadtgebiet zu. Sichtbares Zeichen ist eine Hügelkette, die etwa acht Kilometer lang und 30 bis 50 Meter hoch ist. Nähere Untersuchungen des Untergrundes ergaben, dass die Störung in den vergangen 8500 Jahren drei schwere Erdbeben hervorgerufen hat. Das heißt rechnerisch alle 1500 bis 2000 Jahre ein Beben. Das ist allerdings ernster als es sich anhört. "Wenn man davon ausgeht, dass es in den nächsten 1000 Jahren ein großes Erdbeben geben wird, hat ein Kind, das heute geboren wird, ein zehnprozentiges Risiko, dass sich das Erdbeben zu seinen Lebzeiten ereignet", verdeutlicht der Geologe Domenico Giardini von der ETH Zürich. Da dieses Risiko höher ist, als in einen großen Verkehrsunfall verwickelt zu werden, wollen die Geowissenschaftler vorbeugen. Detaillierte Untersuchungen sollen die Gegebenheiten unter den einzelnen Vierteln der Stadt, möglicherweise sogar unter einzelnen Häusern aufklären. Schon ist klar, dass im Osten der Stadt sogar kleinere Häuser gefährdet sind, weil dort der Untergrund sehr hart ist. Im Zentrum und im Westen sind dagegen vornehmlich Hochhäuser in Gefahr.

    [Quelle: Dagmar Röhrlich]