Donnerstag, 25. April 2024

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BASF-Vorstand Martin Brudermüller
"China wird sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen"

Der Handelsstreit zwischen den USA und China werde die Weltwirtschaft wohl auch im kommenden Jahr belasten, sagte Martin Brudermüller im Dlf. Vor der kommenden Weltklimakonferenz kündigte der Vorstandsvorsitzende der BASF zudem an, dass der Chemie-Konzern bis 2030 klimaneutral wachsen wolle.

Martin Brudermüller im Gespräch mit Klemens Kindermann | 02.12.2018
    Martin Brudermüller, Vorstandsvorsitzender des Chemiekonzerns BASF, gestikuliert während eines Interviews.
    Martin Brudermüller, Vorstandsvorsitzender des Chemiekonzerns BASF (dpa)
    Im Streit zwischen den USA und China geht der BASF-Vorstandsvorsitzende Martin Brudermüller nicht von einer schnellen Einigung aus: "Da geht es um viel mehr als nur um den Handel", sagte Brudermüller, lange für das Asien-Geschäft der BASF verantwortlich. "Wir reden eigentlich darüber: Wie positionieren sich diese zwei Supermächte?" China werde sich nicht einfach "die Butter vom Brot" nehmen lassen. Der Streit könne sich noch durch das Jahr 2019 ziehen und negative Auswirkungen auf das Weltwirtschaftswachstum haben.
    BASF: Klimaneutrales Wachstum
    BASF wolle bis 2030 klimaneutral wachsen, sagte Brudermüller vor der Weltklimakonferenz in Kattowitz. Dies sei eine Herausforderung: wenn die Produktionsmenge in den nächsten Jahren bis 2030 erhöht werde, heiße das, "dass spezifisch pro Tonne Chemieprodukt, die produziert wird, der CO2-Anteil runtergeht".
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    BASF-Vorstand Martin Brudermüller im Gespräch mit Klemens Kindermann (Deutschlandradio/N. Heider)
    Gentechnik – Wo ist die moralische Grenze?
    Brudermüller nahm auch zum angeblichen Genomversuch an Kindern in China Stellung. Fortschritte in der Gentechnik seien prinzipiell gut. So könne besonders die Genschere CRISPR/Cas in der Medikamentenforschung oder bei der Entwicklung klimaresistenter Pflanzen helfen: "Aber ich glaube, es gibt auch ein paar Punkte, wo man sich, wie bei anderen Technologien auch, überlegen muss: Wo ist eigentlich die moralische Grenze?"

    Das Interview in voller Länge
    Kindermann: Herr Brudermüller, morgen, am Montag, beginnt in Kattowitz die Weltklimakonferenz. Hitzewellen, Waldbrände, Stürme und eine noch nie dagewesene Konzentration von CO2 in der Atmosphäre haben dieses Jahr geprägt. Kann man aus Ihrer Sicht sagen, 2018 ist das Jahr, in dem das Klimasystem – ja – saftige Rechnungen an die Welt geschickt hat?
    Brudermüller: Was man schon sagen kann, dass man, wenn man auch die Statistiken anguckt, sich die verschiedenen Einflüsse häufen, in den verschiedenen Indikatoren, die Sie gerade genannt haben. Und ich glaube, man kann ja nicht mehr leugnen, dass es einen Einfluss auf das Klima gibt. Die Zahlen natürlich über die hohen CO2-Emissionen weltweit, die sind natürlich schon bedenklich. Wir arbeiten ja alle daran. Wir reden über dieses Thema viel. Und ich glaube, es ist schon an der Zeit, dass man sich das eine oder andere noch mal überlegt, wo man wirklich ansetzen kann. Sie wissen ja auch, dass wir das in der Strategie, in der neuen BASF Corporate Strategy auch getan haben. Wir haben ja eine tolle Bilanz, über die letzten 30 Jahre unseren CO2-Ausstoß halbiert zu haben, obwohl wir unsere Produktionsvolumina verdoppelt haben. Jetzt sind wir natürlich dann technisch auch mal irgendwo an der Grenze. Wir haben uns dennoch vorgenommen nach vorne, bis 2030 klimaneutral zu wachsen. Aber ich glaube, das ist eine Herausforderung. Die nehmen wir auch gern an. Da gibt es ja auch noch technologische Möglichkeiten noch, wie man das machen kann. Und ich glaube, das müssen wir auf der ganzen Breite machen, dass wir wirklich die Möglichkeiten ausschöpfen. Aber das müssen wir natürlich global tun.
    Kindermann: Wenn Sie jetzt von Ihrem Unternehmen sprechen – und Sie sagen, das sind ehrgeizige Ziele, also, Sie wollen ja die Treibhausgasemission bis 2030 auf dem Niveau von 2018 konstant halten – kann man natürlich auch sagen: Ist das nicht dann doch vielleicht auch noch zu wenig? Müsste das Ziel nicht sozusagen noch eine reale Reduzierung der Emissionen sein, auch bei einem Wachstum der Produktion?
    Brudermüller: Herr Kindermann, ich glaube, worüber wir uns auch immer unterhalten müssen, das ist technologische Machbarkeit. Und nicht alles kann man nur machen, weil man es eben will. Wir haben das ausgenützt, jetzt technologisch. Und das heißt natürlich auch, wenn wir unsere Produktionsmenge erhöhen in den nächsten Jahren bis 2030, dass spezifisch pro Tonne Chemieprodukt, die produziert wird, der CO2-Anteil runtergeht. Was wir uns aber, glaube ich, mit der Politik auch unterhalten müssen – und die Diskussion führe ich auch: Wie stimuliert denn die Politik zum Beispiel das Thema Innovation und Technologieentwicklung? Und wie investiert sie in diese Dinge, dass wir dann auch noch mal weiter runterkommen? Denn das passiert ja nicht von alleine.
    Kindermann: Sie sind ja ein weltweit agierendes Unternehmen. Chemieindustrie gehört zu den größten Emittenten von Gasen, die klimaschädlich sein können. Können Sie denn garantieren, dass Ihre CO2-Ziele auch in allen Anlagen global Ihres Unternehmens umgesetzt werden?
    Wir haben wirklich globale Standards"
    Brudermüller: Also, wir sind in der Tat natürlich eine sehr energieintensive Branche und damit auch die BASF. Wobei man immer sagen muss, wenn wir dekarbonisieren, da schüttelt es mich immer ein bisschen, weil rund 77 Prozent des Kohlenstoffs, den wir einkaufen, der landet nicht in den Emissionen, sondern in unseren Produkten. Das heißt, wir verkaufen wirklich auch Karbon. Deswegen sprechen wir eigentlich auch von Karbon-Management sinnvollerweise. Und wir bei BASF haben immer, bei allem, was wir tun, globale Standards. Das heißt, das, was wir in Ludwigshafen tun, tun wir auch in einem Entwicklungsland oder in China, wenn wir einen neuen Standort aufbauen. Also, insofern haben wir wirklich globale Standards.
    Kindermann: Sie haben gerade eben erwähnt, dass Sie mit der Politik in den Dialog gehen. Darf ich Sie fragen, ist es richtig, dass Sie sich seit Kurzem im Wirtschaftsbeirat von Bündnis 90/Die Grünen, dass Sie sich da engagieren?
    Brudermüller: Ja, das ist richtig. Ich bin angesprochen worden von Frau Andreae von den Grünen, ob ich in den Wirtschaftsrat der Grünen gehen würde – mit dem Ziel, dass die Partei Bündnis90/Die Grünen einen Dialog mit der Industrie führen will über einerseits das, was wirklich auch geht und was politisch umsetzbar ist, was ihre Ziele sind. Und ich halte das für hervorragend. Wir brauchen den Dialog mit allen politischen Parteien. Wir haben ihn weniger gehabt mit den Grünen als mit den anderen. Deswegen werde ich mich dort auch engagieren und in genau diesen Dialog gehen. Es ist mir bewusst, dass wir uns da manchmal auch streiten werden, weil wir da andere Ansichten haben, aber das hilft ja nichts. Wir müssen ja gemeinsam zu Positionen und zu Wegen nach vorne kommen, die uns helfen, diese Probleme anzugehen. Und deswegen habe ich das Mandat auch angenommen. Ich war auch in der ersten Sitzung. Und, ja, ich freue mich auf diesen Dialog nach vorne.
    Kindermann: Vertreten Sie da auch die Interessen der Chemieindustrie allgemein? Denn nicht jedes Unternehmen ist ja so ambitioniert was die Klimaziele angeht, wie Ihres.
    Brudermüller: Na ja, also, wenn die BASF über Chemie spricht, dann haben wir eigentlich im Geleitzug natürlich viele andere Unternehmen auch. Denn die Fragestellungen, die wir haben, haben andere auch. Unser Selbstverständnis ist, dass die BASF ein führendes Unternehmen in unserer Branche ist und da gehören natürlich auch diese Dinge dazu, mit denen man dann den Geleitzug anziehen muss.
    Kindermann: Bleiben wir noch mal beim globalen Blick. Die Wirtschaftsperspektiven trüben sich weltweit ein. Wie gefährlich ist der Handelskonflikt zwischen den USA und China?
    "Wir sollten gelernt haben, dass bei Handelsbeschränkungen am Ende alle verlieren"
    Brudermüller: Ja, der Handelskonflikt ist natürlich schon alarmierend. Wir haben uns über die letzten Jahrzehnte ja in vielerlei Hinsicht in der Globalisierung wirklich weiter nach vorne entwickelt. Die Globalisierung hat insgesamt das Wirtschaftswachstum weltweit beflügelt. Ich glaube, man kann sich heute darüber unterhalten, ob alle Gewinner waren, oder ob es da auch Verlierer gibt. Ich glaube, das ist auch die Thematik, dass sich einige in dem globalen Welthandel benachteiligt fühlen und jetzt, sagen wir mal, Korrektur nachfordern. Nur, ich glaube, was wir auch gelernt haben sollten, dass insgesamt bei Handelsbeschränkungen eigentlich am Ende alle verlieren. Und das ist natürlich eine Sorge, die wir als globales Unternehmen haben. Wir haben zwar den größten Teil unserer Produktion immer in den Ländern, wo wir auch unsere Produkte verkaufen und wo sie verbraucht werden, aber es bleibt natürlich auch nicht aus, dass wir als so großes Unternehmen natürlich auch zwischen Ländern und Regionen transportieren müssen. Und das kann natürlich eigentlich nur zu Zusatzkosten führen, zu Verlangsamung, zu Verkomplizierung der Themen und natürlich dann auch zu wirklich vermissten Chancen oder verpassten Chancen für alle. Insofern macht das Sorge, aber ich glaube, bei dem Handelskonflikt zwischen China und USA, da geht es um viel mehr als nur um den Handel.
    Kindermann: Herr Brudermüller, Sie kennen sich ja besonders gut aus. Vielleicht wie kaum ein deutscher Manager überhaupt kennen Sie China. Sie waren für die BASF fast ein Jahrzehnt für die Region Asien-Pazifik verantwortlich. Wie ist denn Ihre Einschätzung? Wird China da irgendwie nachgeben in dem Handelsstreit?
    Brudermüller: Ja, Sie haben recht. Ich habe ja zehn Jahre lang in Hongkong gelebt – von 2006 bis 2015, dort die Geschicke der BASF im Asiengeschäft als Vorstand verantwortet. War natürlich in der Zeit sehr viel in China. Bilde mir ein, ich verstehe es ein kleines bisschen besser als andere – sofern man China überhaupt verstehen kann. Und ich muss Ihnen schon sagen, ich glaube eben dadurch, dass wir eigentlich nicht nur über Handelskonflikte reden, sondern wir reden eigentlich darüber: Wie positionieren sich diese zwei Supermächte? Die eine geht etwas runter, die andere steigt. Und die müssen sich irgendwie einigen, wie sie sich sozusagen in der Welt arrangieren. Deswegen glaube ich auch nicht, dass es nur um ein paar Zölle geht, sondern in dieser Positionierung wird China nicht nachgeben. China wird sich in dieser Fragestellung jetzt die Butter nicht vom Brot nehmen lassen. Sie hat natürlich hohe Ansprüche und auch Ambitionen. Die versuchen sie auch durchzubekommen. Sie werden sicherlich auch nicht Herrn Trump einen einfachen Sieg geben, sondern das muss irgendeine Lösung sein, die beide mit erhobenem Gesicht auf diesem Konflikt rausgehen lässt. Ich glaube immer noch und bin Optimist von Natur, dass sie sich einigen. Ich glaube aber, dass es nicht ganz so schnell geht, wie wir uns das vorstellen. Und es kann durchaus sein, dass sich diese Problematik durch 2019 durchschleppt und damit natürlich in der Tat, wie Sie es gesagt haben, dann auf das Weltwirtschaftswachstum natürlich sich negativ auswirkt.
    Kindermann: In China hält man ja sehr viel von langjährigen Geschäftsbeziehungen. Die BASF selbst ist da eigentlich das beste Beispiel. Ihr Engagement in China reicht sehr lange zurück, sogar bis in die Kaiserzeit. Mehr als 130 Jahre. 1885 haben sie dort schon Textilfarbstoffe verkauft. Vor dem Ersten Weltkrieg wurden 14 Prozent des BASF-Umsatzes in China gemacht. Daher die Frage an Sie. Gerade in einem Land, wo Verlässlichkeit in den Wirtschaftsbeziehungen so eine Rolle spielt, wie kommt da ein so impulsiv und aggressiv vorgetragener Handelskonflikt an?
    "Die chinesische Führung denkt in sehr langen Zeitkategorien"
    Brudermüller: Sie haben wirklich gut recherchiert. Die Zahlen sind auch alle so richtig. Das ist auch eine Geschichte der BASF, ich glaube, die in unserer Industrie einmalig ist. Macht auch eine ganz besondere Positionierung der BASF aus. Ich könnte Ihnen jetzt sehr viel darüber erzählen. Aber Sie haben natürlich recht. Das chinesische Volk und auch die chinesische Führung denkt in sehr langen Zeitkategorien. Sehr lange strategisch nach vorne mit verschiedenen Meilensteinen, die man erreichen will und dann auch mit der entsprechenden Geduld, diese Ziele umzusetzen. Und das unterscheidet China ganz deutlich vom Westen. Wir sind immer sehr kurzfristig geprägt und vergeben damit auch viele Chancen. Insofern können wir also, was Strategiearbeit angeht, von den Chinesen wirklich lernen. Wir als BASF … und ich glaube, das ist wichtig, wenn man in China tätig ist, und wenn man mit China Geschäfte macht: Es muss immer eine Balance da sein zwischen den eigenen Vorteilen, die man erzielen will, aber auch den Vorteilen, die das eigene Tun für China hat. Es gibt viele Unternehmen, die in Helikopter-Manier nach China reinfliegen, wenn die Zeiten gut sind. Machen ein Geschäft und genauso schnell verabschieden sie sich wieder, wenn es schwierig wird. Das schätzen die Chinesen überhaupt nicht, sondern man muss dann in guten und in schlechten Zeiten zusammenstehen. Das hat die BASF immer gemacht. Das sind die Pfründe, auf die wir heute auch bauen können. Deswegen ist die BASF … und die agierenden Personen der BASF, die immer nachvollziehbar, kalkulierbar eigentlich agiert haben, die schätzen die Chinesen sehr. Und deswegen kommen wir auch in China, glaube ich, noch mal deutlich besser voran. Und wir haben jetzt noch mal die Chance im Rahmen dieser Marktöffnung für die Chemiemärkte, in der Provinz Guangdong im Süden Chinas einen großen Verbundstandort zu bauen, den wir bis 2030 mit 10 Milliarden Dollar aufbauen wollen, der vielleicht mal irgendwann fast die Größe von Ludwigshafen erreichen wird.
    Kindermann: Sie werden ja sehr für diesen Verbundstandort, den neuen, gelobt von der Regierung. Machen Sie sich da nicht ein Stück weit auch abhängig von der Politik, von der Regierung in Peking?
    Brudermüller: Na ja, also, wir waren bei den Aktivitäten in China eigentlich immer ganz fest in die Politik eingebunden. Das war schon zur damaligen Zeit, als Herr Hambrecht den Verbundstandort Nanjing aus der Taufe gehoben hat, da waren wir in der Diskussion während der Asien-Krise. Da haben dann die Leute auch gefragt: Um Gottes willen, wie kann man denn jetzt einen Standort in China bauen? Das war im Blick zurück eine ganz wichtige strategische und auch richtige Entscheidung. Man muss bei solchen Entscheidungen auch immer ganz langfristig gucken, denn wir bauen Anlagen, und wenn wir sie dann gut pflegen, dann produzieren die auch 50 Jahre oder mehr. Insofern kann man keine Entscheidung jetzt kurzfristig treffen, sondern man muss sie wirklich strategisch langfristig treffen. Und da muss man sich dann dran gewöhnen, wenn man solche großen Projekte hat, dass man natürlich auch in der Politik ist und die Aufmerksamkeit hat der Politik. Umgekehrt ist das aber eigentlich immer auch ein sehr stabilisierendes Element. Und ich glaube, dass gerade unser Projekt, was natürlich die Aufmerksamkeit sowohl der Bundesregierung hat als auch der chinesischen Regierung, aber auch eine viel größere Signalwirkung hat als nur unseren eigenen Vorteil, dass wir in China wachsen können. Ich glaube, das ist stabilisierend für die Verhältnisse zwischen den Ländern und es ist auch stabilisierend für unser Projekt.
    Kindermann: In Deutschland ist ja der Roboter-Hersteller Kuka vor zwei Jahren von chinesischen Investoren übernommen worden. Jetzt musste vor wenigen Tagen der Konzernchef Till Reuter gehen. Geht es nicht am Ende für die Chinesen hier in Deutschland auch einfach um deutsche Technologie?
    "Es ist immer gut, wenn beide Seiten was zu verlieren haben"
    Brudermüller: Also, ich glaube, es ist legitim, sich natürlich für unsere Technologie zu interessieren, genauso wie wir uns für unsere Märkte in China interessieren. Ich kann die Verhältnisse bei Kuka nicht beurteilen. Die Tatsache, dass eine Führungsperson geht, muss jetzt noch nicht eine Krise auslösen und eine Fundamentalfrage auslösen, wie chinesische Eigentümer von Geschäften hier sich in Deutschland verhalten. Ich glaube, in der Summe sind die Erfahrungen eigentlich gut. Ich kann nur sagen, wenn man eigentlich miteinander Geschäfte macht, dann muss eine gewisse Reziprozität gelten. Das heißt, ich finde es gut, wenn die Chinesen bei uns investieren. Mir würde es noch mal ein bisschen besser gefallen, wenn sie nicht nur Firmen kaufen, sondern wenn sie wirklich auch Anlagen bauen, hier Arbeitsplätze generieren. Und ich glaube, wir brauchen nachher die Mischung aus beiden. Aber grundsätzlich glaube ich, kann man auch sagen, für schwierige Zeiten und politisch schwierige Zeiten ist es immer gut, wenn beide Seiten was zu verlieren haben. Und das ist immer genau dann der Fall, wenn man beim anderen eigentlich auch Eigentum besitzt und Verantwortung übernehmen muss.
    Kindermann: Sie hören das Interview der Woche mit dem Vorstandsvorsitzenden der BASF, Martin Brudermüller. Herr Brudermüller, uns erreichte diese Woche außerdem eine Nachricht aus China, die weltweit Aufmerksamkeit findet. Es geht um Gentechnik. Offenbar ein Genomversuch an Kindern. Das wird aller Voraussicht nach die Debatte über den Einsatz von Gentechnik beeinflussen. Sie, Herr Brudermüller, gelten als Befürworter gentechnischer Forschung. Ist da in China jetzt die Büchse der Pandora in der Gentechnik geöffnet worden?
    Brudermüller: Herr Kindermann, ich bin wirklich fasziniert von technologischem Fortschritt. Ich glaube aber, Fortschritt und Technologie muss natürlich immer auch mit einer Diskussion um Moral und Ethik einhergehen. Wir können auch nicht Messer verbieten, weil ich damit jemanden umbringen kann. Und ich glaube, wir sind uns einig, dass ein Messer ein gutes Instrument ist im alltäglichen Leben. Deswegen glaube ich auch, dass die Fortschritte in der Gentechnik prinzipiell gut sind und uns helfen werden, ganz besonders CRISPR/Cas, was ja eben gerade in aller Munde ist, ein Instrument für Gentechniker, uns noch mal helfen wird an vielen Stellen, sei es in der Medikamentenforschung und in der Entwicklung neuer Medikamente, aber auch Pflanzen, sagen wir mal, resistenter gegen Klimathemen zu machen. Aber ich glaube, es gibt dann auch ein paar Punkte, wo man sich, wie bei anderen Technologien auch, eben überlegen muss: Wo ist eigentlich die moralische Grenze? Ich habe es gelesen. Ich habe auch große Bedenken und ein Bauchgrummeln, in das Genom von Menschen einzugreifen, finde das auch nicht gut. Und ich glaube, dass vielleicht dieses Event, was jetzt hier passiert ist, dazu führen muss, dass wir da global eine Diskussion noch mal drüber führen müssen. Wo sind die Grenzen einer Technologie?
    Kindermann: Sie selbst als BASF haben ja die Forschung zu gentechnisch modifizierten Organismen in die USA verlagert. Ist Europa von der Gentechnik abgekoppelt?
    "Wir machen hier einen neuen Fehler, uns um eine Zukunftstechnologie in Europa zu berauben"
    Brudermüller: In vielen Dingen leider ja. Und gerade die Position des Europäischen Gerichtshofes jetzt neulich wieder zur Positionierung von CRISPR/Cas, eine sehr, wie ich meine, auch teilweise emotionale und nicht vollständig wissenschaftlich basierte Entscheidung, die stimmt natürlich schon bedenklich. Das ist ein Zukunftsmarkt. Das sind auch Zukunftschancen, die wir Europäer hier vergeben. Wir hatten das ja in der Vergangenheit bei weißer Biotechnologie schon erlebt. Und wir haben dann eben als Konsequenz auch, weil es nicht einfach ist zu forschen hier und dann aber noch schwieriger ist später, die entsprechenden Produkte hier dann auch auf den Markt zu bringen, die Konsequenz getroffen, dass wir unsere biotechnologische Forschung aus Limburgerhof hier, aus der Pfalz, dann auch in die USA verlegt haben. Insofern, ja, ich würde Ihnen zustimmen. Wir machen hier wahrscheinlich wieder einen neuen Fehler, uns um eine Zukunftstechnologie hier in Europa zu berauben.
    Kindermann: Wird Großbritannien nach einem Brexit zu einem Forschungsstandort für Gentechnik werden?
    Brudermüller: Das ist eine gute, interessante, nach vorne gerichtete Frage. Kann ich mir sogar vorstellen, weil die Forschungslandschaft in Großbritannien eigentlich eine sehr gute ist. Ich habe ja bei diesem Projekt "Evaluierung Horizon 2020", dem europäischen großen Forschungs- und Innovationsetat, mitgearbeitet. Und, wenn Sie da sehen, wie viele Mittel nach Großbritannien fließen an gute Universitäten und Forschungsinstitute, dann ist das ein ganz wichtiger Teil eigentlich der Forschungslandschaft Europas. Wenn die sich neu orientieren müssen nach dem Brexit, dann kann ich mir durchaus vorstellen, dass die ihre Chancen dann eben genau darin sehen, unter Umständen das anzubieten, was Europa nicht hat oder die EU nicht hat und sich damit eben Vorteile verschaffen. Das kann durchaus sein, dass das sehr viel nach Großbritannien geht.
    Kindermann: Sie selbst haben ja Ihre Berufslaufbahn als forschender Chemiker im Ammoniak-Labor der BASF begonnen. Wie sehen Sie das heute an der Spitze eines forschenden Großkonzerns? Wie steht es um den Forschungsstandort Deutschland?
    "Wir haben in Deutschland eine einmalige Forschungslandschaft"
    Brudermüller: Also, zunächst, ich habe über meine 30 Jahre BASF meine Begeisterung für Forschung und Innovation und Technik nie verloren. Deswegen habe ich mir auch in der Funktion jetzt als Vorstandsvorsitzender auch noch bewahrt, dass ich der CTO (Chief Technology Officer: Technikvorstand, Anmerkung der Redaktion) bin und mich um Forschung und Entwicklung auch weiterhin kümmern darf. Insgesamt muss ich sagen, Deutschland ist immer noch ein ganz wichtiger Forschungsstandort auf der Welt. Für die Chemieindustrie kommt fast jedes achte Patent weltweit … wird immer noch hier in Deutschland geschrieben. Gerade die Zusammenarbeit aus einer relativ starken privaten Forschung aus der Industrie in der Zusammenarbeit mit guter Grundlagenforschung in den Universitäten, aber wir sollten auch nicht vergessen, meiner Meinung nach, weltweit hochdotierter und anerkannter Institute, wie Max-Planck-Institut, Fraunhofer Gesellschaft, Helmholtz, haben wir hier, glaube ich, in Deutschland eine einmalige Forschungslandschaft.
    Kindermann: Nun tut ja die Bundesregierung einiges, um das noch zu fördern. Künstliche Intelligenz wird mit drei Milliarden Euro bis zum Jahr 2025 gefördert. Reicht das?
    Brudermüller: Wir sind halt wieder sehr spät beim Thema künstliche Intelligenz.
    Kindermann: Also, die FDP sagt, das sind digitale Peanuts.
    Brudermüller: Ja, das ist, glaube ich, auch richtig. Ich glaube vor allen Dingen, dass Länder wie natürlich USA, aber vor allen Dingen auch China wieder, natürlich schon ganz, ganz weit vorne sind und das natürlich auch in dieser Langfriststrategie, die ich vorhin besprochen habe, schon viel konsequenter und strategischer auch machen. Also, insofern, wir springen sehr spät auf einen Zug auf. Die drei Milliarden sind in der Tat, meiner Meinung nach, nicht ausreichend, aber sie sind jetzt auch mal ein guter Startpunkt. Wir sollten jetzt auch nicht alles zerreden, was mal gut begonnen hat. Und deswegen, ich denke mal, wenn das jetzt erst mal umgesetzt wird, dann können wir auch darüber reden, wie es weitergeht. Ich habe allerdings einen Wunsch. Ich hoffe, dass das nicht in die Streubüchse oder mit der Gießkanne wieder über ganz Deutschland verteilt wird. Da hilft es nämlich nicht viel. Sondern wir müssen schon Zentren schaffen, zwei, drei Zentren in der Bundesrepublik, die international dann auch Relevanz haben und mithalten können.
    Kindermann: Diese Woche sind die Bedingungen für das neue Mobilfunk-5G-Netz festgelegt worden. Kann Deutschland damit Technologieführer beim Internet der Dinge werden?
    "Wir brauchen eigentlich zusätzlich Leute"
    Brudermüller: Sie haben eine ganz schöne Liste von harten Themen heute. Das 5G-Netz ist natürlich in der Tat auch eine ganz wichtige Zukunftsfrage und sie ist Teil der Digitalisierung Deutschlands. Und gerade, was die digitale Infrastruktur angeht, sind wir leider auch spät. Aber ich bin auch hier froh, dass es jetzt aufgegriffen ist und wirklich auch mal läuft. Wenngleich es holpert und viele Diskussionen gibt, würde ich mich jetzt freuen, wenn es wirklich mal losgeht. Für die BASF ist das auch ein wichtiges Thema, weil 5G auch Chancen schafft für ein Werk hier wie Ludwigshafen – mit unseren ganzen Digitalisierungsbemühungen. Also, einerseits die Fabriken, die natürlich voll sind von Sensoren und eine Flut von Daten erzeugen, dass man die dann entsprechend auch übertragen und verarbeiten kann.
    Kindermann: Sie haben ja auch einen Super-Computer.
    Brudermüller: Genau, der da mithilft und im Netzwerk eingebunden ist. Aber wir haben jetzt vor allen Dingen auch selbstfahrende Fahrzeuge, die Transportleistungen im Werk übernehmen, wo wir eigentlich Mobilfunk und diese 5G-Anwendung ganz intensiv brauchen.
    Kindermann: Gehen bei Ihnen Arbeitsplätze durch die Digitalisierung verloren?
    Brudermüller: Das ist eine sehr schwierige Frage nach vorne. Bisher ist das Gegenteil der Fall. Wir brauchen eigentlich zusätzlich Leute, die das machen. Ich glaube, keiner kann richtig vorhersagen, wo es hingeht. Und es ist ja auch nicht wirklich ganz neu, dass über die industrielle Entwicklung immer mal wieder ein Berufsbild verlorengeht und dann aber auch wieder ein neues dazukommt. Wenn Sie mich so fragen, ich würde sagen, es gibt Verschiebungen in der Berufsstruktur, auch in der BASF. Es werden einige weniger gebraucht. Es wird vielleicht auch weniger manuelle Arbeit im Labor geben. Aber dafür brauchen wir dann Datenspezialisten am Super-Computer. Also, insofern, es geht was weg und es kommt was dazu. Wie das im Saldo in vielleicht zehn Jahren aussieht, vermag ich heute nicht zu sagen.
    Kindermann: Wenn Sie sagen, wir brauchen neue Leute, reicht das von der Bundesregierung jetzt geplante Fachkräftezuwanderungsgesetz aus?
    "Die Aufmerksamkeit der Politik geht im Moment nur in die Zellfertigung"
    Brudermüller: Also, es ist zumindest mal eine Chance mehr für die Unternehmen. Ich glaube, wir müssen primär natürlich noch mal mehr in Ausbildung investieren. Wir brauchen wirklich mehr junge Menschen bei uns, die für diese Aufgaben vorbereitet werden, denn der Bedarf ist groß in der Industrie, aber eben auch in staatlichen Stellen und an Universitäten. Wenn das natürlich nicht mehr reicht hier, ich glaube, dann ist es auch legitim, dass wir in der Welt dafür werben, dass wir in der Zuwanderung dann auch die Menschen bekommen, die Ausbildung haben und die hier was dazu beitragen können. Insofern würde ich sagen, das neue Einwanderungs- oder Immigrationsgesetz ist auch überfällig, dass wir Migration in unser Land mit Regeln wirklich steuern, und zwar in einer Weise steuern, wie es für uns auch gut ist.
    Kindermann: Bundeswirtschaftsminister Altmaier will die Batteriezellenproduktion mit einer Milliarde Euro unterstützen. Batteriezellen, Batterien – da haben Sie ja wahrscheinlich auch mit zu tun. Ist das eine gute Idee, hier eine Milliarde Euro für Batteriezellenfabriken?
    Brudermüller: Also, zunächst mal, was gut ist, ist das Bemühen von allen Seiten, dass wir den Wechsel von dem Verbrennungsmotor auf die Elektromobilität hier in Deutschland nach Kräften gut und schnell und erfolgreich gestalten. Es ist, glaube ich, ein Bruch in den Technologien in einer Geschwindigkeit, die es in der Dimension für die Volkswirtschaft noch nie gegeben hat. Deswegen ist es mal prima, wenn sich alle damit beschäftigen. Es ist aber ein sehr, sehr kompliziertes Thema. Die BASF macht einen ganz wesentlichen Beitrag dazu. Wir forschen auf den Batteriematerialien. Das sind auch die Kathodenmaterialien, die Materialien, die die Leistungsfähigkeit einer Batterie ganz wesentlich bestimmen. Wir sind hier schon ein Spieler seit einiger Zeit, aber eben nicht in Europa. Und wir wollen jetzt eine Produktion für diese Materialien aufbauen und damit sozusagen auch die Wertschöpfungskette wirklich hierherbringen. Die Aufmerksamkeit der Politik, die geht allerdings im Moment nur in die Zellfertigung. Und die Wertschöpfungskette ist ein bisschen komplizierter. Man fängt bei den Materialien an. Man hat dann die Batteriezelle und aus den Zellen werden dann wirklich auch die Batterien. Was wirklich wichtig ist, dass wir die Wertschöpfungskette hier haben. Und das Bemühen der Politik geht jetzt ein bisschen einseitig darauf, dass die Zellfertigung in deutscher Hand sein muss.
    Kindermann: Die gibt es ja schon von den Chinesen, von den Koreanern, Japanern. Die machen da ja eigentlich schon die ganze Automatisierung.
    Brudermüller: Und die sind da auch richtig gut drin. Und es ist auch gar nicht so einfach, die da zu schlagen. Deswegen, ich komme wieder auf meine Bemerkung von früher zurück. Wir müssen es schaffen, dass die alle hier investieren, die hierherbringen, dass wir die Wertschöpfungskette schließen.
    Kindermann: Und die liefern das Batteriematerial.
    "Das Thema Elektromobilität wächst"
    Brudermüller: Richtig.
    Kindermann: Haben Sie genug?
    Brudermüller: Im Moment noch nicht. Wir müssen jetzt … machen jetzt den ersten Schritt. Wir docken uns an an den Partner Norilsk Nickel. Die haben dort … aus der Halbinsel Kola in Russland kommt Nickel und Kobalt zu uns. Das ist dann auch eine wirklich europäische Wertschöpfungskette. Und wir legen dort den Grundstein, aber wenn das Thema Elektromobilität wächst, wie es vorhergesagt ist von den Automobilfirmen, dann müssen wir noch viele Schritte mehr machen, das entsprechend zu begleiten.
    Kindermann: Die Rohstoffe liegen ja in Russland und vor allen Dingen in China.
    Brudermüller: Nein, sie liegen vor allen Dingen im Kongo, in Afrika. Und dort sind dann auch ein paar Themen, die uns beschäftigen müssen. Das ist natürlich mit sozialen Problemen dort verbunden, mit Kinderarbeit verbunden. Insofern haben wir mit der Wertschöpfungskette, die in Russland ist, glaube ich, ein sogenanntes sauberes Nickel und Kobalt. Und wir haben es vor allen Dingen wirklich hier in Europa. Also, für die BASF ist das eine Riesenchance. Das ist ein riesengroßer Chemiemarkt, der da neu entsteht. Wir rechnen mit 25 bis 30 Milliarden Umsatz in 2025. Und es ist damit auch das größte innovative Chemiearbeitsgebiet, was im Moment besteht. Und die BASF möchte hier Impulsgeber sein auch für die Automobilindustrie, die unsere wichtigste Kundenindustrie ist. Und das ist eine riesige Chance und die wollen wir uns wirklich wahrnehmen für uns.
    Kindermann: Stichwort Russland. Der Konflikt Ukraine, Russland verschärft sich. Wenn es zu neuen Russland-Sanktionen kommt, wie sehr würde das die deutsche Wirtschaft, wie sehr würde das BASF treffen?
    "Russland ist ein sehr verlässlicher Partner über viele Dekaden"
    Brudermüller: Also, zunächst mal ist es natürlich sehr bedauerlich, dass der Konflikt in der Ukraine jetzt wieder neu eskaliert. Insgesamt müssen wir sagen aus europäischer Sicht und aus Weltsicht, wir müssen Russland irgendwie wieder zurückholen in die Staatengemeinschaft. Das ist, glaube ich, auch geostrategisch und politisch für Europa wichtig. Russland ist ein großer Energielieferant und wir müssen allerhöchstes Interesse haben, dass die Gasreserven von Russland mehr nach Westen fließen und dann nicht vollständig nach Osten. Wir müssen auch einige Generationen vordenken. Wir werden auch in 20, 30, 40, 50 Jahren noch Gas brauchen.
    Kindermann: Sie fördern ja gemeinsam mit Russland Gas.
    Brudermüller: Richtig. Und deswegen haben wir auch die Erfahrung, dass Gazprom und Russland ein sehr verlässlicher Partner ist über viele Dekaden – sehr, sehr verlässlich, die auch in den schwierigen Zeiten, wenn es hier mal kalt ist, dann auch schnell mehr Gas in die Bundesrepublik rüber fließen lassen. Insofern ist das ein Potenzial mehr, das Weltwirtschaftswachstum eigentlich zu stören. Wir haben zu viele von diesen Problempunkten. Brexit, Russland, Türkei, China-USA-Handelsstreit, den wir schon angesprochen haben. Es ist schon besorgniserregend, wie viele Krisenherde wir im Moment haben.
    Kindermann: Herr Brudermüller, vielen Dank für das Gespräch.
    Brudermüller: Danke sehr.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.