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"Batteriekosten sind immer noch sehr hoch"

16 neue E-Automodelle präsentieren die Hersteller auf der IAA in Frankfurt. Obwohl diese Fahrzeuge mindestens 30.000 Euro kosten, sieht Klaus Bräunig, Geschäftsführer des Verbandes der Automobilindustrie, die Elektromobilität auf der "Schwelle von der Vision zur Realität".

Klaus Bräunig im Gespräch mit Mario Dobovisek | 12.09.2013
    Mario Dobovisek: Bis 2020 will die Bundesregierung eine Million Elektroautos auf den Straßen sehen. Doch davon ist Deutschland noch weit entfernt. Ob die Internationale Automobilausstellung in Frankfurt daran etwas ändern kann? Mit dem Rundgang der Bundeskanzlerin beginnen heute die Fachbesuchertage der IAA.

    Am Telefon begrüße ich Klaus Bräunig, er ist einer der Geschäftsführer des Verbandes der Automobilindustrie und Leiter der IAA. Guten Morgen, Herr Bräunig.

    Klaus Bräunig: Guten Morgen an den Deutschlandfunk.

    Dobovisek: Ein E-Mobil hier, ein Hybrid dort – wir hören also, dass die deutschen Autobauer in Sachen E-Mobilität deutlich nachlegen. Die Modelle kosten 30- 40.000 Euro. Ist Elektromobilität nur etwas für Besserverdiener?

    Bräunig: Wir sehen hier auf der IAA, dass die Elektromobilität hier in Frankfurt die Schwelle von der Vision zur Realität überschreitet. Das sind Kampfpreise, denn die Batteriekosten sind immer noch sehr hoch. Aber jetzt zeigen die Deutschen, dass sie mit 16 neuen elektrischen Modellen bis Ende 2014 wirklich Angebote haben, die auf die Straße kommen – mit sehr unterschiedlichen Konzepten, die Sie schon in Ihrem Vorbericht angedeutet haben. Also ich glaube, wir sagen zurecht dieses Jahr mit dem Motto "Die automobilste Schau der Welt", hier gibt es wirklich mehr Automobil wie nirgendwo sonst.

    Dobovisek: Unter den 16 Modellen, die Sie ansprechen, unter anderem, um ein Beispiel zu nennen, von Volkswagen der E-Up. Der kostet allerdings dreimal so viel wie sein Benzinbruder. Also noch einmal die Frage: nur etwas für Besserverdiener?

    Bräunig: Ich glaube nicht, sondern diese Konzepte sollen helfen, den "First Mover" zu überzeugen, den Käufer zu überzeugen, dass trotz dieser sehr hohen Batteriekosten – daran wird ja noch weiter geforscht – Marktreife da ist, und wir rechnen hier mit einem deutlichen Ansteigen in den kommenden Monaten. Natürlich setzen wir auch auf die Verbrennungsmotoren weiterhin. Sie werden die Masse immer noch der Neuzulassungen prägen. Und wichtig ist, dass der Markthochlauf jetzt einen Start bekommt, und deswegen ist die Elektromobilität neben der Vernetzung des Fahrzeuges mit der Infrastruktur, diese beiden großen Technologietrends prägen diese Internationale Automobilausstellung.

    Dobovisek: Das politische Ziel der Bundesregierung lautet, bis 2020 sollen eine Million Elektromobile auf Deutschlands Straßen fahren. Nur 3.000 wurden jedoch im vergangenen Jahr zugelassen. Ist das Ziel erreichbar?

    Bräunig: Das Ziel ist erreichbar, und es ist wichtig, dass man diese Latte mal hochhängt. Das ist ein Marathonlauf und das ist die typische Phase für die Implementierung einer neuen Technologie. Man muss zum Start auch viel Mut machen, man muss gute Angebote machen, und ich denke, gerade die letzten zwei Jahre zeigen, dass die Unternehmen, Hersteller wie Zulieferer, ihren Job gemacht haben, und das soll auch hier auf der IAA dem breiten Publikum deutlich werden. Deswegen die vielen neuen Konzepte. Es werden ja nicht nur einfach neue Modelle angeboten, die Sie beispielsweise schon zum Teil genannt haben, durch alle deutschen Hersteller, vom E-Smart bis zum Ford Focus Electric, dem E-Golf und dem VW E-Up, oder auch der BMW I3, der ein ganzes Service-Konzept drum herum bietet und deshalb hier wirklich mit elektrischen Probefahrten auf der Messe zum 65. Geburtstag der IAA zeigt, die Automobilindustrie bleibt neugeboren.

    Dobovisek: Schön, dass Sie das sagen. – Sie sprechen von Neuheiten, von Start, von Neubeginn. Den Prius Hybrid von Toyota, den gibt es bereits seit 15 Jahren. Warum wachen die deutschen Autobauer erst jetzt auf?

    Bräunig: Ich glaube, das kann man so nicht sagen. Wenn Sie den starken Erfolg der Verbrauchsreduzierung im Vergleich zu 2006 nehmen der deutschen Hersteller, dann können wir froh und dankbar sein, dass der Benziner und der Diesel hier enorm gerade bei der deutschen Flotte CO2 reduziert hat und den Verbrauch gesenkt hat. Das sind starke Erfolge und …

    Dobovisek: Erfolge mit alten Antriebsmodellen!

    Bräunig: Nein. Das sind moderne Antriebe, die weiterentwickelt wurden.

    Dobovisek: Ein moderner Antrieb, haben Sie selber gesagt, sei ein E-Antrieb.

    Bräunig: Auch beim Diesel werden wir mindestens noch 20 Prozent Verbrauchsreduzierung und Effizienzsteigerung sehen, und deswegen setzen die Deutschen nicht nur auf ein Pferd, sondern auf die sogenannte Fächerstrategie und gehen in allen Technologien voran. Denn am Ende entscheidet der Kunde, welche Umwelttechnologie sich am Markt durchsetzt. Und eine solche Messe, die die wirklich größte und wichtigste Automobilmesse weltweit ist, mit einem noch höheren internationalen Anteil von Ausstellern und auch Journalisten, die will natürlich Mut machen und die neuen Trends nicht nur den Fachbesuchern heute und morgen, sondern auch dem breiten Publikum in der kommenden Woche ab dem Wochenende zeigen, und ich denke, die letzten 48 Stunden haben hier schon toll vorgelegt. Es ist eine Superstimmung und das ist der Beitrag, den eine Messe wirklich leisten muss.

    Dobovisek: Klingt wie ein Werbespot, den ich allerdings an dieser Stelle abbrechen muss, Herr Bräunig, denn ich möchte gerne doch noch mal die Frage stellen: 15 Jahre Vorsprung haben die Asiaten. Warum war die deutsche Automobilindustrie in Sachen E-Antrieb so zögerlich?

    Bräunig: 15 Jahre Vorsprung haben die Asiaten nicht, sonst wären wir nicht mit 50 Prozent Marktanteil in Europa erfolgreich und wir wären auch nicht mit 20 Prozent Weltmarktanteil bei Russland bis hin über China, wo wir schon über 22 Prozent Marktanteile haben. Also ich glaube, die Erfolgsgeschichte der Deutschen spricht eine eigene Sprache.

    Dobovisek: Wie wollen Sie Kaufanreize setzen in Richtung E-Mobilität?

    Bräunig: Wir haben zwei wichtige politische Ziele in dieser Legislaturperiode erreicht. Das ist die Kraftfahrzeugsteuer-Befreiung für Elektroautos, also für Fahrzeuge, elektrische, die bis 2015 neu zugelassen werden. Die sind zehn Jahre von der Kraftfahrzeugsteuer befreit. Das ist ein wichtiger erster Ansatz. Und der zweite, der gelungen ist, dass Firmenwagen, die privat genutzt werden dürfen, dass für die Besteuerung des geldwerten Vorteils der Nachteilsausgleich gelungen ist, dass Sie, wenn Sie ein elektrisches Fahrzeug als Dienstfahrzeug nutzen, nicht mehr bezahlen als für einen Benziner und Diesel. Davon erhoffen wir uns auch einen Schub, denn über die Dienstwagenflotten wird natürlich ein Schub leichter möglich sein, und deswegen sind das zwei sehr gute Elemente, auf die wir setzen.

    Dobovisek: Norwegen geht da deutlich weiter. Es entfallen 25 Prozent Mehrwertsteuer beim Kauf eines E-Mobils, Strom darf kostenlos an allen öffentlichen Ladestationen im Land gezapft werden, für E-Auto-Besitzer gilt weder City-, Brücken-, noch Tunnelmaut, auch Parkgebühren entfallen. Was erwarten Sie darüber hinaus, über das, was Sie eben geschildert haben, von der Politik in Deutschland?

    Bräunig: Natürlich können wir uns an der einen oder anderen Stelle noch zusätzliche Instrumente vorstellen. Da sind Länder und Kommunen mitgefragt, ihre Fantasie mitzuentwickeln, beispielsweise Parkflächen für Elektroautos, kostenloses Parken in Innenstadtbereichen, Ausbau der Lade-Infrastruktur unterstützen und auch schnelle unbürokratische Entscheidungen, wenn beispielsweise neue Ladesäulen entstehen. Hier müssen Wirtschaft und Politik Hand in Hand arbeiten und ich denke, da können wir in der nächsten Legislaturperiode auf neue Fortschritte setzen.

    Dobovisek: Sollte es eine Prämie für den Kauf von Elektrofahrzeugen geben?

    Bräunig: Das Thema wird immer wieder diskutiert und natürlich hat die Politik mit der Umweltprämie eine sehr außerordentliche Erfahrung gemacht, als alle internationalen Märkte schuldenkrisenbedingt gleichzeitig kaputt waren. Ich glaube, diese außerordentliche Situation darf man nicht einfach extrapolieren. Zurzeit ist das sicher kein politisches Thema und ich denke, wir sollten jetzt alle Anstrengungen tun, die Elektromobilität voranzubringen. Sie ist ein großes Thema neben der Vernetzung der Fahrzeuge und dem automatisierten Fahren, auf das wir zumarschieren und dem Verbraucher ein ganz neues Mobilitätserlebnis zeigen wird.

    Dobovisek: Klaus Bräunig, Geschäftsführer des Verbandes der Automobilindustrie. Heute beginnen die Fachbesuchertage der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt. Ich danke Ihnen für das Interview.

    Bräunig: Herzlich willkommen auf der IAA!

    Dobovisek: Danke!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.