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Bauhaus-Universität
Was von Gropius geblieben ist

Den Spirit des Aufbruchs, den spüren Studierende und Ehemalige der Bauhaus-Universität in Weimar noch immer. Die Ausstellung „Studio 100 – Unser Bauhaus“ ist eine Reminiszenz an diese Stimmung, macht aber auch klar: Den Geist von damals kann man nicht zurückholen.

Von Henry Bernhard | 07.12.2018
    Das Hauptgebäude der Bauhaus-Universität Weimar (Thüringen).
    Der Grundgedanke des Bauhauses spiegelt sich im Studium nur noch bedingt wider (picture alliance / dpa / Sebastian Kahnert )
    Ein Objekt bringt die Auseinandersetzung mit und die Abgrenzung vom historischen Bauhaus auf den Punkt. Das Bauspiel aus Holz, "Wagenfällt" von Lisa Dinges. Die hat bis 2010 Produktdesign an der Bauhaus-Universität in Weimar studiert. Mit ihrem Bausatz kann man die ikonische Bauhaus-Tischlampe aus dem Jahr 1923 von Wilhelm Wagenfeld nachbauen – nur eben mit 71 präzise gearbeiteten Holzklötzchen statt mit Metall und Opalglas. Und wenn man am Schalter zieht, zerfällt die Holz-Lampe wieder in ihre Teile. Mit "Wagenfällt" zerbröselt das Klischee vom Bauhaus-Stil und ermöglicht gleichzeitig den neuen kreativen Umgang mit den Klötzchen. Für HP Grossmann, der Organisator und Kurator der Ausstellung "Studio 100 – Unser Bauhaus", ein Glücksfall.
    "In unserem Konzept und auch im Konzept dieser Leute hier und auch im Geist dieser Leute ist es verankert, dass man ein Bauhaus, so wie es stattgefunden hat, nicht wiederholen kann, weil man daran nur scheitern würde. Und das spiegeln, glaube ich, auch die Leute, die sich hier zur Eröffnung treffen, wenn man die fragt, auch wieder."
    Aufbruchsstimmung und Experimente
    Grossmann hat 1996 mit dem Studium in Weimar begonnen. An der Hochschule, die Kunst und Design gerade wieder mit ins Portfolio genommen hatte, nachdem Jahrzehnte nur Architekten und Ingenieure ausgebildet worden waren.
    "Zu der Zeit war das einfach eine unglaubliche Aufbruchsstimmung; einmal hier in der Stadt und dann an der Universität, wo einfach noch keiner wusste, in welche Richtung das Experiment Bauhaus Universität überhaupt geht. Wir haben damals angefangen zu studieren: Ein Professor – fünf Studierende – im ersten Semester. Im zweiten Semester ein Professor – zwölf Studierende! Das war natürlich phantastisch."
    Die Videokünstlerin Canan Yilmaz, die die aktuelle Ausstellung gemeinsam mit Großmann gestaltet hat, wechselte ein paar Jahre nach ihm von Berlin nach Weimar.
    "Weil hier so viel passiert ist, weil hier so viel durchgegangen ist. Also, wenn man einen Schritt nach Weimar macht, dann ist man irgendwie in einer anderen Zeit. Man ist total raus aus dieser Welt, wie in so einem Sog. Klar, das Bauhaus von damals spielt viel mit, natürlich, ist eine Lehre und eine Praxis, aber: "Also, unser Projekt heißt ja auch 'Studio 100'. Weimar ist ja so klein wie eine Museumsinsel in einer anderen Großstadt. Und wir haben während des Projekts auch ganz oft zu uns gesagt: Wir leben eigentlich hier in einer Stadt, die ein Studio ist"
    Die Ausstellung "Unser Bauhaus" soll in sieben Teilen insgesamt 100 Werke von Alumni, aber auch aktuell an der Bauhaus Universität studierenden Künstlern und Designern zeigen, zuerst im Umfeld von Weimar, aber auch in Ulm und New York. Sie ist natürlich eine Reminiszenz an die eigene Studienzeit und den Spirit des Aufbruchs.
    "Komplett andere Lehre als vor 100 Jahren"
    Aber auch heute wird an der Bauhaus Universität Kunst, Design und Gestaltung gelehrt – wenn auch mit etwas schlechterem Personalschlüssel als noch vor 20 Jahren. Hannah Meyer hat die Bauhaus Uni vor zwei Jahren absolviert und arbeitet heute selbständig im Designbüro "Hüftstern" in Weimar – keine 300 Meter von der Uni entfernt. Hat sie das Bauhaus im Studium verspürt?
    "Also ich glaube, im angewandten und sehr praxisbezogenen Studium spiegelt sich der Grundgedanke des Bauhauses schon ein bisschen wieder, aber es ist natürlich eine komplett andere Art der Lehre als das vor 100 Jahren von Gropius & Co. begründet worden ist. Diese Grundlagenlehre und dieses allumfassende Lehren-Wollen-Konzept von damals, das findet man natürlich heute nicht wieder, also gerade auch in Bachelor-Master-Studiengang ist das nicht umsetzbar."
    Dennoch sei das Studium in Weimar sehr projektbezogen und verlangt viel Verantwortung – deutlich mehr als etwa an einer Fachhochschule.
    "Also, dass man sich ein Projekt pro Semester hernimmt und sich da aus verschiedenen Sichtweisen mit einem Thema beschäftigt und da am Ende bei einem Ergebnis rauskommt, wie auch immer das geartet sein mag. Da kann wahrscheinlich nicht unbedingt jeder mit, aber ich kenne auch viele – und in meinem Fall war es auch so –, dass wir da sehr dran gewachsen sind und gemerkt haben: Wo sind unsere Stärken? Wo sind unsere Schwächen? Wo sind auch Motivationen, Schwächen zu verbessern? Oder wo sagt man auch: Nee, das ist nicht mein Ding! Das lasse ich jetzt beiseite und fokussiere mich auf was anderes!"
    Und um den Blick vom eigenen Fach auf andere zu erleichtern, gelten in diesem Semester, dem "Bauhaus-Semester", in Weimar andere Regeln: Scheine aus anderen Fakultäten werden anerkannt, fächerübergreifende Projekte werden gefördert. Ein bisschen wie vor der Bologna-Reform.