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Baumeister, Bauherren, Bauinvestoren

Die Architekturbiennal in Venedig zeigt nicht nur Werke und Ideen von Superstars der Szene wie Norman Foster oder Muck Petzet, sondern auch Architektur, die fast ohne Geld gebaut wird und dennoch traumhaft schön ist.

Von Jörg Biesler | 29.08.2012
    Wenn David Chipperfield als Direktor der Architekturbiennale antritt, dann fährt man mit großen Erwartungen nach Venedig. Chipperfield hat den gefeierten Umbau des kriegsverwüsteten Neuen Museums in Berlin verantwortet und das leichte, unprätentiöse Folkwang-Museum in Essen. Er gilt als einer der intelligentesten zeitgenössischen Architekten, ist witzig und für einen Architekten uneitel. "Common Ground" hat er ausgerufen als Thema der Biennale und gefragt, was das Gemeinsame sein könnte, worauf seine Kollegen sich in der Architektur einigen könnten und was es an Gemeinsamem in der Gesellschaft gibt, in der Stadt, Chipperfield:

    "Was ist mit der Kultur der Architektur, wie sinnvoll ist unsere Umgebung, zu was leisten die Gebäude einen Beitrag. Für mich ist kein Thema, das man ausstellt, sondern eines, das zu diskutieren ist. Common Ground meint, was haben wir gemeinsam, wenn zwei Länder kämpfen und sie wollen Frieden, setzen sie sich zusammen und fragen sich, was ist uns gemeinsam, worauf können wir uns einigen."

    Die Antwort seiner global agierenden Kollegen fiel erstaunlich einhellig aus: keine Ahnung! Chipperfields eingeladene Architektursuperstars haben nicht mal Interesse am Problem. Zaha Hadid zeigt ihre ewigen computererzeugten Raumformen, Hans Kollhoff seine ewigen, historisierenden Steinfassaden, jeweils in klein und groß als Zeichnung und Modell. Herzog und DeMeuron stellen die Elbphilharmonie aus und Norman Foster die alte Hongkong und Schanghai Bank. Eitelkeit, das vielleicht ist die einzige wirkliche Gemeinsamkeit und dafür gibt es keine schönere Bühne als Venedig. Chipperfield hätte das eigentlich wissen müssen und trotzdem lässt er die Kollegen einfach machen. Sinnvoll anschauen lässt sich das nur als hoffentlich kalkulierte Realsatire, die uns Stararchitekten als gesellschaftsferne Formfetischisten vorführt.

    Aber Chipperfield hat auch Kollegen dazugebeten, die mehr Bodenkontakt haben. Die indianische Architektin Anupama Kundoo zeigt Backsteinarchitektur, die fast ohne Geld gebaut werden kann, wenn alle mithelfen. Und die dennoch nicht billig ist, sondern traumhaft schön.

    In den Länderpavillons setzt sich diese kritische Haltung fort. Aus Chile erfahren wir, dass nicht jeder sich ein Fertighaus wünscht oder eine Designvilla, sondern vielmehr das Recht zu bauen wo und wie er will. Die Einwohner eines Fischerdorfes haben sich organisiert, um ihren Common Ground und ihre Hütten am Strand gegen Privatisierung zu verteidigen. Und also auch das Gemeinwesen gegen den Kommerz. Italien feiert Adriano Olivetti und seine auf Dauer angelegte Firmenstrategie, die in der Nachkriegszeit soziale, ästhetische und ökologische Bedürfnisse gewinnbringend integrierte. Fast alle Länderpräsentationen reflektieren über die Kommerzialisierung der gebauten Umwelt und die Mutation des Bürgers zum Kunden. Vorgestellt werden Projekte, die Architektur wieder in den Dienst gemeinschaftlicher Interessen stellen. Der deutsche Pavillon ragt dabei ästhetisch wie inhaltlich heraus. Der Münchner Architekt Muck Petzet, selbst bekannt für seine Umbauten bestehender Gebäude, zeigt die Arbeiten von Kollegen, die ihre Eitelkeit ein wenig zurückgenommen haben, um an das anzuschließen, was schon da ist. Muck Petzet:

    "Das ist eben die Intelligenz, die gefragt ist, die wir hier ansprechen und das ist die Haltung, die wir propagieren wollen. Sozusagen nicht die Veränderung um der Veränderung willen, sondern immer den Wert mitnehmen, der schon da ist. "

    Das ist einerseits ökologisch sinnvoll, weshalb der deutsche Beitrag mit Reduce, Reuse, Recycle auch eine Hierarchie der Abfallvermeidung aufstellt. Andererseits führen Strategien der Umformung oft zu besonders interessanten Ergebnissen. Auf wandhohen Fotografien sind nun Architekturen zu sehen, die mit kleinen und kleinsten Eingriffen wieder funktionsfähig gemacht wurden. Eine Außentreppe von Arno Brandlhuber erschließt eine einst verlassene, rohe Berliner Industrieruine und macht sie zum angesagten Szenetreffpunkt, eine neue Fassade von sorgt ästhetisch angelehnt an die alte für warme Wohnungen im Münchner Olympiapark und ein Formsteinrohbau erweitert ein Klinkerhaus in den Garten, Petzet:

    "Man wird diese Werte nicht mehr so fröhlich wie bisher wegschmeißen können und ich hoffe, dass unsere Ausstellung auch in diese Richtung wirkt, einfach zu sehen: Es muss nicht alles so trocken und langweilig sein, sondern das ist ein hochspannendes Feld. Ob das jetzt auch für Hochglanzmagazin geeignet ist, ist für mich sekundär."

    Sagt der Architekt Muck Petzet, der findet, dass die Aufgabe des Architekten auch mal darin bestehen kann, unnötige Architektur zu verhindern.