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Baumschwebebahn in Bad Harzburg
Streit über die "Verrummelung" des Waldes

In sanften Kurven langsam durch die Kronen alter Bäume schweben, das soll künftig in Bad Harzburg möglich sein. Dort soll für rund eine Million Euro die erste Baumschwebebahn Norddeutschlands entstehen. Die Stadt hat schon zugestimmt, Umweltschützern geht das aber zu weit. Sie befürchten, dass der Wald zum Rummelplatz wird.

Von Dietrich Mohaupt | 19.09.2016
    Der Einstieg zum Baumwipfelpfad in Bad Harzburg.
    Der Einstieg zum Baumwipfelpfad in Bad Harzburg. (Dietrich Mohaupt)
    Schon der Zugang zum Bad Harzburger Baumwipfelpfad ist ein Erlebnis: Es geht durch einen kurzen Tunnel, in dem optisch und akustisch einiges los ist.
    "Ja, das ist der Urknall – 15 Stationen, wir hören es auch und sehen es auch optisch, wir sind jetzt im Urknalltunnel und erleben eben die Entstehung des Universums."
    Die Leiterin des Baumwipfelpfades, Eva Ronkainen-Kolb, marschiert zügig die rund 300 Meter lange, spiralförmig ansteigende Rampe hinauf, vorbei an Schaukästen und Infotafeln zur Entstehung des Universums und der Erde. In 26 Metern Höhe schließlich – mitten zwischen den Baumwipfeln – bietet sich ein fantastischer Ausblick über das sogenannte Kalte Tal, durch das sich der Pfad in luftiger Höhe windet. Der Ausblick ist aber nicht alles – hinter dem Projekt steht auch ein umweltpädagogisches Konzept.
    Wandern zwischen Baumkronen
    "Wir haben 50 Erlebnisstationen an der Zahl plus einen Glassteg – und das war uns eben wichtig, dass man nicht nur auf dem Pfad laufen kann, sondern eben auch ganz viele Informationen mitnehmen kann, und einfach wieder ein bisschen sensibilisiert wird, das die Perspektive verändert wird auf die Natur."
    Wer kann schon im normalen Leben mächtigen alten Eichen zum Beispiel von oben in die Krone schauen – das geht hier auf dem Baumwipfelpfad. Und dieses etwas andere Naturerlebnis soll schon bald eine Ergänzung erhalten – durch eine Baumschwebebahn, die künftig vom Burgberg über rund 500 Meter durch das Kalte Tal bis zum Endpunkt des Baumwipfelpfades führen soll. Mit etwa 15 Kilometern pro Stunde in knapp 20 Metern Höhe sicher angegurtet durch die Kronen eines alten Mischwaldbestandes gleiten – das gibt es in Deutschland bisher nur in Bayern und im Saarland, Eva Ronkainen-Kolb hat das bei einer ähnlichen Bahn in Südtirol schon erlebt.
    "Und das ist wirklich ein ganz genüssliches und langsames Naturerlebnis, weil man einfach den Berg hinunter schwebt, man hat die Bäume ganz nah, man kann sie anfassen, man hat eine tolle Aussicht und man hat einfach so vier, fünf Minuten, die man ganz bei sich ist – das schärft einfach die Sinne noch mal auf eine ganz andere Art und Weise."
    Unterwegs in luftiger Höhe zwischen den Baumwipfeln auf dem Baumwipfelpfad in Bad Harzburg
    Unterwegs in luftiger Höhe zwischen den Baumwipfeln. (Dietrich Mohaupt)
    Das Problem: Das Kalte Tal, durch das die Baumschwebebahn – auch Flyliner genannt – führen soll, ist Landschaftsschutzgebiet. Das war schon beim Bau des Baumwipfelpfades Thema – Umwelt- und Naturschützer akzeptierten damals aber die Pläne, auch wegen des umweltpädagogischen Konzepts, betont der Sprecher der Umweltverbände im Landkreis Goslar, Friedhard Knolle.
    "Das ist nicht Massentourismus, und das ist nicht Halligalli oder Ballermann im Wald, ich überspitze das jetzt mal ein bisschen, sondern das ist ja auch Nachdenklichkeit: Wie sehen die Bäume von oben aus, wer lebt da, welche Vögel brüten da. Das kommt bei diesem Pfad auch gut rüber."
    Also – eigentlich klingt das ja, als ob auch Naturschützer sich mit einer gewissen touristischen Nutzung des Landschaftsschutzgebietes im Kalten Tal angefreundet hätten – eigentlich…
    "Und dann kam die Idee dieses Flyliners – und das haben wir uns auch genau angekuckt. Jetzt stellt sich aber heraus, dieser Flyliner ist nichts weiter als Fez und Spaß im Wald – das hat mit Umweltbildung nichts mehr zu tun. Und dann haben wir gesagt, im Landschaftsschutzgebiet wäre dieser Flyliner nicht genehmigungsfähig."
    Stadt hat dem Projekt schon zugestimmt
    Der Flyliner sei der Einstieg in die "Verrummelung" des Kalten Tals und des unter Denkmalschutz stehenden Burgbergs ,befürchtet Knolle – und stößt damit beim Geschäftsführer der Kur-, Tourismus- und Wirtschaftsbetriebe der Stadt Bad Harzburg, Bernd Vollbrodt, auf völliges Unverständnis.
    "Also ich denke nicht, dass die Baumschwebebahn, so wie sie konzipiert ist, zu einer Verrummelung führt – ganz im Gegenteil, wenn man sich mit der Schwebebahn näher beschäftigt und sieht, wie sie funktioniert, wie sie schwebt – das ist eine sehr angenehme Geschichte, passt auch in das Konzept – auch wenn der eine oder andere Kritiker das jetzt vielleicht anders darstellt."
    Auch die Besucher des Baumwipfelpfades sind sich uneins. Die meisten haben von den Plänen für die Baumschwebebahn noch nichts gehört – manche finden aber die Idee als solche Klasse:
    "Ja, ich finde, das ist eine super Idee – und zwar finde ich, das ist erst mal ein super Gefühl, man muss nicht selber gehen, sondern man schwebt, und das möchte doch sicherlich jeder mal gerne."
    Andere dagegen sehen das eher skeptisch.
    "Ich denke, es ist tatsächlich so, dass es eher Rummel wäre – ich denke mal so ein Baumwipfelpfad an sich – ganz normal – ist erst mal mir ausreichend."
    Ende August hat der Rat der Stadt Bad Harzburg dem Projekt bereits zugestimmt – heute Nachmittag muss der Goslarer Kreistag entscheiden, ob die geplante Strecke für die Baumschwebebahn aus dem Landschaftsschutzgebiet entlassen wird. Damit wäre dann der Weg frei für die weiteren Planungsschritte – und im kommenden Jahr könne bereits der Bau der Schwebebahn beginnen, hoffen die Verantwortlichen.