Dienstag, 19. März 2024

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BGH erlaubt Kündigung alter Verträge

Bausparkassen dürfen Bausparverträge kündigen, wenn Kunden die Darlehen auch zehn Jahre nach Zuteilungsreife noch nicht abgerufen haben. Dies entschied der Bundesgerichtshof im Fall der Bausparkasse Wüstenrot.

21.02.2017
    Das Bild zeigt den Elften Zivilsenat beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am 21.02.2017 vor der Urteilsverkündung zur Kündigung gutverzinster Bauspar-Altverträge.
    Der Elfte Zivilsenat beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am 21.02.2017 vor der Urteilsverkündung zur Kündigung gutverzinster Bauspar-Altverträge. (dpa-bildfunk / Uli Deck)
    Damit machte das Gericht die Hoffnung von hunderttausenden Bausparern auf weiter hohe Zinsen durch ihre Altverträge zunichte. Einen solchen Vertrag über mehr als zehn Jahre als reine Sparanlage laufen zu lassen, widerspreche dem Sinn und Zweck des Bausparens, heißt es in dem Urteil. Das Ansparen sei dazu gedacht, Anspruch auf ein Darlehen zu erhalten. Dieser Zweck sei mit Erlangen der Zuteilungsreife erreicht. (Az. XI ZR 185/16). Im Ergebnis also bedeutet dies, dass bereits ausgesprochene Kündigungen rechtens waren. Außerdem ist für die Kassen der Weg frei, um weitere solcher Altverträge kündigen zu können.
    Kündigungswelle seit 2015
    Hintergrund: Viele Bausparer in Deutschland erhalten seit einiger Zeit unliebsame Post. Finanzinstitute kündigen ihnen den Bausparvertrag mit eben jener Begründung, die Kunden hätten ihre Darlehen trotz über zehnjähriger Zuteilungsreife immer noch nicht abgerufen. Von Geldanlagen mit üppigen Zinsen können Sparer nämlich derzeit nur träumen. Da verwundert es kaum, dass viele ihre alten Bausparverträge mit günstigen Konditionen aus den 80er und 90er Jahren ausreizten, so lange es eben ging. Sie sehen in den Verträgen eine lukrative und sichere Geldanlage, bis zu 4,5 Prozent Zinsen erhalten sie so für ihr Erspartes. Seit einigen Jahren gehen die Finanzinstitute vehement gegen diese Praxis vor. Im Jahr 2015 setzte eine Kündigungswelle ein, mehr als 250.000 Altverträge sollen die Bausparkassen seither gekündigt haben. Konkret prüfte der BGH nun die Rechtmäßigkeit von zwei Kündigungen der Bausparkasse Wüstenrot. Dagegen geklagt hatten zwei Sparer, das Stuttgarter Oberlandesgericht gab ihnen 2016 zunächst noch Recht.
    Das Bild zeigt Gisela Prelle, Klägerin gegen die Wüstenrot Bausparkasse. Sie wartet am 21.02.2017 im Bundesgerichtshof in Karlsruhe auf das Urteil. 
    Gisela Prelle, Klägerin gegen die Wüstenrot Bausparkasse, wartet am 21.02.2017 im Bundesgerichtshof in Karlsruhe auf das Urteil. (dpa-bildfunk / Uli Deck)
    Gegen diese Entscheidung hatte sich Wüstenrot gewehrt - weshalb nun der BGH entscheiden musste. Verbraucherschützer werfen den Geldinstituten vor, die Bausparverträge einst selbst als Geldanlage beworben und damit gut verdient zu haben.
    Alte Zinsen, neue Zinsen
    Die Krux liegt in der Zinsentwicklung der vergangenen Jahre in der Euro-Zone. Die Europäische Zentralbank will mit ihrer Nullzinspolitik die Konjunktur vor allem in Krisenstaaten beflügeln. Die deutschen Altverträge aber orientierten sich an Gegebenheiten, wie sie noch aus der Zeit der D-Mark bekannt waren: Schwankende und in Zeiten deutschen Wirtschaftswachstums auch zum Teil recht hohe Zinsen. Damals galten Bauspardarlehen als attraktiv, weil sich mit ihnen Geld zu in der Regel niedrigeren Zinsen als bei der Hausbank leihen ließ. Heute aber liegt der Fall genau umgekehrt, denn auf Bauspardarlehen sind Bauherren und Immobilienkäufer derzeit nicht mehr angewiesen.
    Institute zufrieden, Verbraucherschützer enttäuscht
    Der Verband der Privaten Bausparkassen, zu dem auch Wüstenrot gehört, reagierte erleichtert auf das BGH-Urteil: "Das ist eine gute Nachricht für die Bauspargemeinschaft als Ganzes, die weiterhin auf die Stabilität dieses Systems vertrauen darf." Denn Wüstenrot hatte in dem Prozess argumentiert, es gehe bei dem System um den Kollektivgedanken, dass also Vertragsinhaber in einer Sparphase zunächst einzahlen - also Geld geben - und danach Darlehen ziehen - also Geld bekommen. Für die unterlegenen Bausparer hingegen hatte Anwalt Peter Wassermann darauf verwiesen, dass es hier um langjährige Verträge gehe. Beim Abschluss wisse niemand, ob er das Darlehen in der Zukunft tatsächlich gebrauchen könne. Den Kassen hätte klar sein müssen, dass sich die Verhältnisse ändern können, betonte er. "Dass jetzt eine Niedrigzinsphase eingetreten ist, darf nicht zulasten der Kunden gehen." Hartmut Schwarz, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bremen, erwartet nun weitere Kündigungen: "Bausparkassen werden nun erst Recht auf massenhafte Kündigung von Bausparverträgen setzen, um Kunden loszuwerden." Er empfiehlt verunsicherten Kunden unabhängigen Rat einzuholen: "Lassen Sie sich nicht vorschnell zum Handeln drängen!"
    Gesetzliche Vorgaben
    Bausparkassen dürfen ihre Vermögen nicht überall anlegen", erläutert unser Frankfurter Wirtschaftsexperte Michael Braun. Das verbiete das Bausparkassengesetz. "Das hatte vor allem den Sinn dafür zu sorgen, dass die Kassen jederzeit berechtigte Darlehenswünsche auszahlen können." Seit Ende 2015 hat der Gesetzgeber die Zügel gelockert. Seitdem dürfen die Bausparkassen selbst genutzten Wohnraum höher beleihen. Kunden müssen in der Regel auch keine Risikoversicherung für den Kredit abschließen. "Das sollte den Bausparkredit attraktiver machen", betont Michael Braun. Zugleich können seit Jahresbeginn Bausparkassen auch ihre Vermögen renditeträchtiger verwalten. Bis zu fünf Prozent dürfen sie in Aktien anlegen, was zuvor verboten war.
    Urteil mit Signalwirkung
    Das Grundsatzurteil aus Karlsruhe dürfte weitreichende Folgen für die gesamte Branche und zahlreiche Sparer haben. Weil die obersten Zivilrichter die Linie für die gesamte deutsche Rechtsprechung vorgeben, ist das Urteil von erheblicher Bedeutung. Allein beim BGH sind nach Angaben des Vorsitzenden Richters Jürgen Ellenberger derzeit mehr als 100 Bauspar-Verfahren anhängig. In Deutschland gibt es rund 30 Millionen Bausparverträge.
    (db/gwi/jcs)