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Baustelle Hartz IV

Die Arbeitsmarktreform Hartz IV steht inzwischen selbst auf der Reformagenda: Zu teuer sei sie, und zu ineffektiv, lautet die Kritik. Mit einer Reihe von Maßnahmen will die Große Koalition gegensteuern: Arbeitslosengeld-Empfänger müssen schärfere Kontrollen hinnehmen, außerdem werden derzeit Konzepte zum Aufbau des so genannten Dritten Arbeitsmarkts entwickelt.

Von Andreas Burman | 09.11.2006
    "Sie haben auch angegeben damals, dass Sie und Ihre Frau hier in der Wohnung getrennt leben, richtig?" - "Ja." - "Das müssen wir einfach nur mal gucken, wo Sie schlafen, wo Ihre Frau schläft, damit wir auch sehen, dass Sie tatsächlich hier getrennt leben in der Wohnung... Hier schläft jetzt wer normalerweise?" - "Kinder, ja." - "Hier schlafen die Kinder. Das ist 'ne Dreizimmerwohnung hier?" - "Ja." - "Hier noch mal Wohnzimmer... Hier schläft keiner?" - "Doch." - "Doch?" - "Hier schläft meine Frau."

    Ein Sozialdetektiv der Arbeitsgemeinschaft - kurz Arge genannt - bei einem Einsatz in Köln. Der Ermittler soll überprüfen, ob der Mann zurecht Arbeitslosengeld II bezieht. So will es das so genannte "Fortentwicklungs-Gesetz". Es ist seit 1. August bundesweit in Kraft. Darin ist geregelt: Die jeweils zuständigen "Argen" müssen Verdachtsfälle überprüfen.

    Anlass für die schärferen Kontrollen: Die Kosten für Hartz IV sind völlig aus dem Ruder gelaufen. Nach Überzeugung der Politiker könne das nur damit zusammenhängen, dass es unter den Langzeitarbeitslosen zu viele "Sozialschmarotzer" gebe. In Zahlen ausgedrückt: Die Große Koalition verspricht sich durch die strengeren Überprüfungen bis Jahresende rund 400 Millionen eingesparte Euro, im nächsten Jahr sogar 1,2 Milliarden.

    Für die neue Aufgabe haben die Politiker kein zusätzliches Geld und auch keine zusätzlichen Stellen zur Verfügung gestellt. Um die Arbeit erledigen zu können, sparen die Argen zum Teil an Kundenbetreuern und Arbeitsvermittlern: Statt 20 Sachbearbeitern in einer Arge gibt es zum Beispiel drei weniger.

    Winfried Lang ist Ermittler für die "Arge Köln-Mitte". Wegen seines Jobs plagen Lang keine Skrupel, im Gegenteil:

    "Im Grunde genommen möchten die Herrschaften ja etwas. Und wir möchten nur etwas klären, und dann geht das Gespräch normalerweise eigentlich in einem ziemlich ruhigen Verlauf. Die meisten Kunden, wo wir sind, die lassen's eigentlich bereitwillig zu. Ich sag mal so: Wer nichts zu verbergen hat, der ist auch offen. Wir machen sie aufmerksam, dass eine gewisse Mitwirkungspflicht da ist, und dass sie auch gewisse Rechte haben. Die fragen auch nach, wenn irgendwelche Schreiben vom Amt her kommen, was sie dagegen machen können. Dann helfen wir da auch, dass man sagt, sie können das und das machen oder... Auf jeden Fall, die Kunden bleiben nicht halb im Nebel sitzen oder so."

    Diese "gewisse Pflicht mitzuwirken", bedeutet vor allem: seit dem "Fortentwicklungs-Gesetz" muss der Verdächtige seine Unschuld selbst beweisen. Das ist nötig, wenn der zuständige Sachbearbeiter der Arge einen Hinweis bekommt, wonach der betreute Kunde seine Hartz-IV-Leistungen möglicherweise zu Unrecht bezieht. Der Tipp geht in der Regel anonym ein oder kommt von Nachbarn, Bekannten oder der Polizei.

    Der Kunde hat das Recht, die Zusammenarbeit jederzeit zu verweigern. In einem solchen Fall treten die Ermittler den Rückweg an, erläutert die Leiterin des Dienstes in Bonn, die ungenannt bleiben möchte:

    "Die Ermittler sind sehr ruhig, sind auch sehr darauf bedacht, keine Konflikte entstehen zu lassen. Sie sind auch dementsprechend ausgesucht worden aufgrund ihrer beruflichen Vorerfahrung her. Das heißt, also dass da sehr wenig an Aggressions-Potential schon von Anfang an auftritt. Also wenn uns ein Kunde nicht reinlassen möchte, dann gehen wir da auch nicht rein. Also da gibt es nicht einen Fuß in der Tür oder sonst irgendwas. Das ist das gute Recht."

    "Zu 99,9 Prozent" verliefen die Besuche aber reibungslos. Wenn die Leute sich ertappt sähen, räumten sie ihre Falschangaben in der Regel reumütig ein. Die Kollegen in der benachbarten Millionenstadt Köln berichten von weniger Einsicht. Wenn ein Verdächtigter die Mithilfe verweigert, wird das in dem Bericht der Ermittler an den Sachbearbeiter vermerkt. Der hat dann die Möglichkeit, den Leistungsbezug stufenweise zu kürzen oder sofort ganz zu streichen. Einig sind sich alle Ermittler mit dem Kollegen Lang, der klarstellt:

    "Wir sind keine Schnüffler. Ich bin auch kein Detektiv. Wenn ich ein Detektiv wäre, wäre ich selbständig. Und schnüffeln tu' ich auch nicht, sondern ich überprüfe, ob der Antrag, den der Kunde gestellt hat, gegenüber dem Steuerzahler, das heißt hier der Arge, ob der gerechtfertigt ist. Und ob die Hinweise, die über andere Mitbürger an den persönlichen Ansprechpartner gegangen sind, richtig sind."

    Das bisherige Ergebnis der Überprüfungen in Köln gibt ihm Recht. Im August und September wurden Missbrauchsfälle im Umfang von 170.000 Euro ermittelt. Die stellvertretende Leiterin der Arge Köln-Mitte, Gabriele Kornetki:

    "Wir haben circa 600 Aufträge bisher überprüft und können sagen, dass in 80 Prozent der Fälle der Verdacht auch bestätigt wurde. Das heißt, da ist davon auszugehen, dass der Kunde keine wahrheitsgemäßen Angaben gemacht hat."

    Wie hoch die Dunkelziffer ist, kann - zumindest vorläufig - niemand sagen. Bundesweit wird eine Missbrauchs-Quote von durchschnittlich drei bis fünf Prozent genannt. Die von den Politikern an den Pranger gestellten "Sozialschmarotzer" scheint es also nicht so häufig zu geben wie gerne suggeriert. Ex-Arbeitsminister Clement sprach von jedem Fünften aller Leistungs-Bezieher. Bestätigen sich die erwarteten Einsparungen für dieses und das nächste Jahr, rechtfertigen die erwarteten 1,2 Milliarden dennoch den Einsatz der Arge-Ermittler.

    Die Frage nach dem Sinn und Nutzen stellt sich auch bei dem bislang - statistisch gesehen - erfolgreichsten Hartz-IV-Instrument. Das sind die so genannten Ein-Euro-Jobs, in der Amtssprache: "Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwands-Entschädigung". Im Start-Jahr 2005 gab es bundesweit rund eine halbe Million Ein-Euro-Jobber.

    Die Argen und die eigenständigen Kommunen sollen beim "Arbeitslosengeld II" nach dem Grundsatz "Fördern und Fordern" verfahren. Soll heißen, dass Langzeitarbeitslose die Leistung nur erhalten können, wenn sie bereit sind, jede zumutbare Arbeit anzunehmen, also auch Ein-Euro-Jobs. So will der Staat testen, ob seine Hilfsempfänger überhaupt arbeitswillig sind. Im Gegenzug verspricht er ihnen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

    Claudia Jahn, Mutter zweier Grundschulkinder, arbeitet seit einem dreiviertel Jahr als so genannte Ein-Euro-Jobberin im Elías-Haus, einem Obdachlosen-Wohnheim in der Kölner-Innenstadt. Sie hilft dort den oft alkoholisierten Männern beim Kochen, begleitet sie zum Arzt und erledigt auch einfache Büroarbeiten in der Verwaltung. Die 36-jährige ist mit ihrer Tätigkeit zufrieden.

    "Auf meine Situation als alleinstehende Frau mit Kindern, ja, könnt' ich es jedem empfehlen. Zumal die Leute, die im Hintergrund sind, die einem sehr helfen und für einen da sind und auch weitergucken, dass es auch Jobs gibt, die für einen geeignet sind, also muss ich sagen, die bemühen sich doch sehr."

    Dennoch kann der Deutsche Gewerkschaftsbund den Ein-Euro-Jobs kaum etwas Positives abgewinnen. Ingo Kolf, Arbeitsmarktexperte im DGB-Bundesvorstand, sieht vielmehr seine frühen Befürchtungen bestätigt:

    "Wir haben immer gesagt als Gewerkschaften, wir können uns das Instrument in wenigen begründeten Einzelfällen vorstellen, wo's wirklich Sinn macht, die Leute an Arbeit heranzuführen, die lange vom Arbeitsmarkt weg waren. Aber was wir jetzt beobachten können ist, dass dieses Instrument wie mit der Gießkanne übers Land ausgestreut wird. Es wird einfach versucht, in kurzer Zeit große Fallzahlen zu erzeugen."

    So werden Langzeitarbeitslose auch zum Kartoffelschälen oder Laubfegen vermittelt - ohne Rücksicht auf Ihre Qualifikation und ohne Aussicht auf einen festen Arbeitsvertrag.

    Enttäuscht ist zum Beispiel Mike Müller, der in der "Schatzinsel" arbeitet, einem Second-Hand-Kaufhaus der Caritas in Bonn. Dort repariert der 25-jährige gelernte Radio- und Fernsehtechniker gebrauchte Elektro-Hausgeräte für den Wiederverkauf:

    "Die Leute werden in Ein-Euro-Jobs vermittelt so nach dem Motto: Jetzt sind sie von der Statistik weg. Ich bin jetzt knapp ein Jahr in Hartz IV und mir hat man noch nicht ein einziges Jobangebot vorgelegt. Gar nichts, was denn das betrifft. Ich hab' mich selber für diesen Ein-Euro-Job beworben. Wenn ich mich selber nicht drum gekümmert hätte, wäre' ich heute noch nicht drin. Also man wird sehr, sehr alleine gelassen."

    Die eher ziellose Vergabepraxis unterstreicht ein Bericht des Bundesrechnungshofes an den Bundestag von Ende Mai. Darin heißt es: Bei jedem zweiten überprüften Ein-Euro-Job wissen die Argen gar nicht richtig, welche Arbeit die Beschäftigten überhaupt erledigen.

    Ein großes Problem ist auch, dass die Ein-Euro-Jobs offiziell keine regulären Arbeitsplätze verdrängen dürfen. Die Tätigkeiten sollen gemeinnützig und zusätzlich sein und Chancen auf reguläre Jobs bieten.

    Nach Ansicht von Utz Krahmer, Sozialwissenschaftler an der Fachhochschule Düsseldorf, sind diese Auflagen in der Praxis jedoch nicht zu erfüllen:

    " Das Zusätzlichkeitskriterium will eigentlich die Quadratur des Kreises. Es ist ja absurd auf der einen Seite zu fordern, dass die Arbeiten, die in den Ein-Euro-Jobs eingerichtet werden, nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt reguläre Arbeitsplätze verdrängen können, während sie gleichzeitig nach Auftrag des Gesetzgebers geeignet sein sollen die Menschen wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu re-integrieren. "

    Für Arbeitsmarkt-Experte Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft ist klar, dass die Billig-Jobs mehr und mehr reguläre Arbeitsplätze ersetzen.

    "Das sind oftmals Kommunen selber oder auch Wohlfahrtsorganisationen. Und die haben ein starkes Interesse daran, reguläre teure Beschäftigung durch billige Ein-Euro-Jobber zu ersetzen. Und wenn dann auch noch die Kommune selber sich kontrolliert und sich selber bescheinigt, dass ihre Ein-Euro-Jobber ja gesetzeskonform eingesetzt werden, dann braucht man sich nicht wundern, wenn es in einigen Bereichen zu ganz eindeutiger Verletzung der gesetzlichen Vorgaben kommt."

    Der Bericht des Bundesrechnungshofes unterstützt Schäfer. Darin heißt es, dass bei den Überprüfungen ein Viertel der Ein-Euro-Jobs nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprachen. Sie seien nicht im öffentlichen Interesse, nicht zusätzlich oder nicht wettbewerbsneutral gewesen.

    Werner Eichhorst, Arbeitsmarkt-Experte am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit in Bonn kritisiert, dass bevorzugt Freiwillige zum Einsatz kommen und die Beschäftigung extra bezahlt wird:

    "Ein-Euro-Jobs könnten ein aktivierendes Instrument sein, sind es aber derzeit nicht, sondern eher ein willkommener Hinzuverdienst auch für die Langzeitarbeitslosen. Und wir werden auch, je konsequenter man in diesem Bereich vorgeht, sehen, dass eben auch Personen sich aus dem Leistungsbezug verabschieden, weil ja, wenn eben diese Gegenleistung tatsächlich eingefordert wird, auch eine geringe Lohntätigkeit wesentlich attraktiver wird, als sie derzeit ist."

    Unter dem Strich verdiene ein Hartz-IV-Empfänger mit einem Ein-Euro-Job soviel, dass er keinen Anreiz mehr verspüre, eine niedrig bezahlte Arbeit anzunehmen. Erst recht, wenn er das Salär durch Schwarzarbeit ergänzt.

    Nicht zuletzt aus dieser Erkenntnis haben die Fünf Wirtschaftsweisen der Bundesregierung vor kurzem empfohlen, das Arbeitslosengeld II zu kürzen.

    Ernüchternd auch, dass Ein-Euro-Jobber zwar die Arbeitslosen-Statistik erheblich verbessern, aber gerade mal geschätzte fünf bis zehn Prozent von ihnen in reguläre Arbeit vermittelt worden sind. Ein Ergebnis, das für den Arbeitsmarkt-Experten Kolf vom Deutschen Gewerkschafts-Bund den Gesamt-Aufwand in Frage stellt:

    "Sie müssen sehen, dass da nicht nur die Mehraufwands-Vergütung - diese Ein-Euro, teilweise sind's auch 1,50 - gezahlt wird, sondern der Träger bekommt noch sein Geld, und zusätzlich wird auch das Arbeitslosengeld II in voller Höhe weiter gezahlt: also Regelsätze für die ganze Familie, die Miete wird weiter gezahlt. Und das führt dazu, wir haben das mal aufgelistet, dass für einen Single-Haushalt pro Monat etwa 1.500 Euro anfallen. Und damit ist der Ein-Euro-Job ein sehr teures Instrument."

    Das Geld, so Kolf, könnte man angesichts der hohen Sockel-Arbeitslosigkeit sinnvoller einsetzen. Etwa für einen Dritten Arbeitsmarkt. Erfahrene Praktiker wie Dieter Liminski, in Bonn Leiter der Arge und des Sozialamtes, sehen darin die letzte Chance für viele Langzeitarbeitslose:

    "Es sind zum Teil Langzeitarbeitslose, es sind Jugendliche ohne Schulabschluss, ohne Berufsausbildung, mit abgebrochenen Berufsausbildungen. Es sind aber auch Personen, die aufgrund persönlicher Umstände in ihrem bisherigen Beruf nicht mehr arbeiten können. Da müsste man natürlich geeignete Umschulungs-, Qualifizierungs-Maßnahmen und dergleichen davor schalten. Aber das ist der Personenkreis, der eigentlich am ersten Arbeitsmarkt derzeit - wenn überhaupt und nur im Einzelfall - ganz, ganz schwer zu vermitteln ist. Für den Personenkreis brauchen wir Angebote."

    Diese Erkenntnis setzt sich inzwischen auch bei der Bundesregierung durch. Einem bestimmten Personenkreis helfe nun einmal auch der Weiterbildungskurs oder das Bewerber-Training nicht mehr, räumt der Arbeitsmarkt-Experte der SPD, Klaus Brandner, ein:

    "Es bringt eher mehr Frust, Belastung, dass man dabei so ehrlich sein sollte, dass man für so einen Personenkreis so einen Extra-Markt organisiert. Der muss immer klein und begrenzt sein. Der Kernpunkt bleibt einfach, dass man sich ehrlich macht in der Arbeitspolitik."

    Nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit sind rund 300.000 Langzeit-Arbeitslose seit fünf Jahren ohne Arbeit. Weitere 300.000 haben sogar noch nie gearbeitet. Für diese Menschen könnte staatlich subventionierte Beschäftigung sinnvoll sein:

    Mithilfe in Kindergärten, Pflege von Sportanlagen, Streicharbeiten in heruntergekommenen Klassenräumen, für die sonst Eltern ihre Freizeit opfern müssen, kurz: soziale Dienstleistungen ohne professionelle Ausbildung.

    SPD-Experte Brandner denkt auch an handwerkliche Arbeiten wie sie von Behinderten-Werkstätten angeboten werden. Tätigkeitsfelder, die Unternehmen vernachlässigen, weil sie betriebswirtschaftlich uninteressant sind.

    Der Bonner Arge-Leiter Liminski hat auch die vielen Möglichkeiten haushaltsnaher Dienstleistungen im Blick. Da gebe es eine Menge früher selbstverständlicher Beschäftigungen, die heute nicht mehr ausgeübt würden.

    "Ich könnte mir vorstellen einen Träger, der "Essen auf Rädern" anbietet: Man würde den mit einer gewissen finanziellen Grundausstattung unterstützen, der könnte versicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse einrichten. Es gibt Möglichkeiten bei älteren Leuten hauswirtschaftlich sich zu betätigen, die Wohnung in Ordnung halten, kochen... alle solche Geschichten: Wenn wir die zusammenfassen als ein Dienstleistungs-Angebot, sehe ich eine Chance, Leute frei von Transfer-Leistung ihr Leben neu gestalten zu können, auch unterzubringen."

    Davon auszunehmen seien Jugendliche ohne Arbeit. Hierin stimmt der Arbeitsmarkt-Experte der CDU, Ralf Brauksiepe, mit dem Kollegen Brandner überein:

    "Also wir müssen gleichwohl darauf achten, dass insbesondere junge Leute nicht jetzt in diese Gruppe hineinkommen, obwohl sie eigentlich in einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können, und statt dass da Pflicht-Verletzungen sanktioniert werden, sie dann gewissermaßen mit einer dauerhaft geförderten Beschäftigung belohnt werden. Da muss man sicherlich aufpassen."

    Wie für die Ein-Euro-Jobs soll auch für den Dritten Arbeitsmarkt gelten: Reguläre Arbeitsplätze dürfen nicht vernichtet werden. Zusatz also statt Drehtür-Effekt. Sozialdemokrat Brandner räumt zwar ein, dass die staatlich geförderten Jobs zwangsläufig mit regulären konkurrieren, wenn sie sinnvoll sein sollen. Dennoch hält er die Subventionen in diesem Fall moralisch für gerecht, weil es darum gehe, diesen Menschen zu helfen:

    "Der Ausgleich, der geleistet werden muss über die Subvention, gleicht ja nur die Nachteile aus, die der Einzelne nicht zu verantworten hat. Und insofern ist es ein Stück weit eine Chance an den Arbeitsmarkt heranzuführen, aber nicht eine unfaire Chance, normale Arbeitsverhältnisse zu verdrängen."

    Am "Forschungs-Institut zur Zukunft der Arbeit" in Bonn hält man alle Überlegungen zum Dritten Arbeitsmarkt für verfrüht. Noch sei gar nicht klar, ob Hartz IV zu wenige Anreize schaffe eine reguläre Beschäftigung anzunehmen.

    Zugleich aber räumt das Institut ein: wer dauerhaft Transfer-Leistungen bezieht, sollte auf jeden Fall eine entsprechende Gegenleistung erbringen - ohne zusätzlichen Verdienst. Die Beschäftigung sei ja nicht mit den Anforderungen des regulären Arbeitsmarktes vergleichbar und werde subventioniert, sagt Arbeitsmarkt-Experte Eichhorst:

    "Wir müssen sehr stark aufpassen: Wenn wir hier einen dauerhaften Workfare-Ansatz fahren, dann gehen wir im Prinzip davon aus, dass es eher Null-Euro-Jobs sind. Weil wir eben auch aufpassen müssen, dass hier keine Anreize geschaffen werden hier in diesen Bereich sozusagen freiwillig reinzugehen und dort zu verharren. Das heißt wir haben ja eine Transferleistung in Höhe des Arbeitslosengeldes II plus Unterkunfts-Kosten. Ich sehe aber keine Möglichkeit und keine Notwendigkeit hier sozusagen eine zusätzliche Honorierung vorzunehmen und auf keinen Fall eine Tariforientierung und auch nicht eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in diesem Bereich."

    Für eine "angemessene Anerkennung" plädiert dagegen Unions-Experte Brauksiepe, wobei er Form und Umfang offen lässt. Sein Kollege von der SPD, Brandner, denkt an einen Lohn, der motivieren und sozialversicherungspflichtig sein sollte. Die Bundesanstalt für Arbeit möchte, dass der Lohn die Grundsicherung für eine eigenständige Existenz abdeckt.

    Konkret fordert der Paritätische Wohlfahrtsverband einen sozialversicherungspflichtigen Lohn nicht niedriger als 20 Prozent unter den ortsüblichen Tarifen. Freilich sollte dann gelten, was Arge-Chef Liminski für den Dritten Arbeitsmarkt voraussetzt:

    "Es ist keine Schutzhülle, in der sich der eine oder andere sozusagen zurücklehnen kann, dann bräuchten wir nichts zu verändern, sondern er muss sich den Gegebenheiten eines Arbeitsmarktes stellen, er muss Leistung bringen, er muss diese Leistung qualifiziert bringen, er muss sie ausreichend bringen. Er kann sich da nicht drin ausruhen. Das ist ja mit eine der Forderungen. Insofern unterscheidet sich von den Rahmenbedingungen der so genannte Dritte Arbeitsmarkt nicht vom Ersten Arbeitsmarkt."

    Noch im November will eine Expertengruppe des Bundesarbeitsministeriums Vorschläge für einen Dritten Arbeitsmarkt präsentieren. Geht alles gut, ließe sich im kommenden Frühjahr eine Gesetzesvorlage auf den Weg bringen.