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Bayerischer Energiedialog
"Wir sind gut im Zeitplan"

Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) hat Kritik am Verlauf der Energiewende im Freistaat zurückgewiesen. "Wir sind in Bayern sehr weit", sagte sie im Deutschlandfunk. Es werde in den kommenden Jahren aber auch viel Energie aus konventionellen Kraftwerken kommen müssen.

Ilse Aigner im Gespräch mit Jasper Bahrenberg | 03.11.2014
    Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU)
    Aigner: "Brauchen grundlastfähige Kraftwerke auch in Zukunft." (picture alliance / dpa / Andreas Gebert)
    Bayern sei bei weit über einem Drittel erneuerbare Energien, im Bund liege der Schnitt bei einem Viertel. Sie betonte: "Erneuerbare Energien auszubauen allein reicht eben nicht, solange vor allem auch noch keine Speichertechnologien das ganze Jahr zur Verfügung stehen." Deshalb werde man auch in Zukunft grundlastfähige Kraftwerke brauchen.
    Bis 2025 werde die Energie aus Windkraft erst 40 bis 45 Prozent betragen. Der Rest komme deshalb auf jeden Fall aus konventionellen Kraftwerken - offen sei, aus welchen. Es sei fraglich, ob es sinnvoll sei, Wind im Norden, Kohle in der Mitte und in Bayern keine Kapazitäten mehr vorzuhalten.

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Seine Euphorie konnte Horst Seehofer kaum bremsen, als der Ministerpräsident vor drei Jahren Bayern zum Vorzeigeland der Energiewende ausrief.
    O-Ton Horst Seehofer: "Zur Energiewende gehört nicht nur der Ausstieg aus der Atomkraft, sondern es gehört dazu auch der Umstieg, das heißt der Ausbau von Netzen, von Fotovoltaik und Windenergie, von Biomasse und Wasserkraft und der Bau neuer Pumpspeicherwerke."
    Barenberg: Seit dieser Regierungserklärung 2011 allerdings hat Bayerns Regierungschef vieles infrage gestellt, was die Umstellung auf erneuerbare Energieträger so mit sich bringt. Pumpspeicherkraftwerke gehören dazu, auch Windräder. Vor allem aber stellt sich Horst Seehofer gegen die geplanten Stromautobahnen in den Süden. Der Energiedialog soll jetzt helfen, diesen Energiestreit zu befrieden. Im Landtag in München ist das der verantwortlichen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner vor Kurzem allerdings nicht gelungen.
    Am Telefon ist die Wirtschaftsministerin Bayerns. Schönen guten Morgen, Ilse Aigner!
    Ilse Aigner: Schönen guten Morgen!
    "Wir sind ja auch vor entscheidenden Schritten"
    Barenberg: Frau Aigner, es hat in Bayern schon viele Energieforen, Energiegipfel, Kommissionen und Beiräte gegeben; immer saßen Wirtschaft, Umweltverbände, Versorger und die Kommunen mit am Tisch. Kennen Sie das Sprichwort, wer nicht mehr weiter weiß, der gründet einen Arbeitskreis?
    Aigner: Nein. Ich sage, das Wichtigste ist, dass wir wirklich jetzt die Beteiligten - und die sind sehr unterschiedlicher Auffassungen teilweise - noch mal an einen Tisch holen. Wir sind ja auch vor entscheidenden Schritten, nämlich die EEG-Wende oder EEG-Reform ist umgesetzt. Wir wissen jetzt die Ausbaupfade. Wir wissen jetzt auch, dass die Netzplanung voranschreiten sollte. Und wir wissen, dass Sigmar Gabriel ja auch eine Antwort sucht für die Frage der sogenannten Kapazitätsmechanismen, also grundlastfähige Kraftwerke mit einem Grünbuch-Prozess. Also wir sind genau an der richtigen Stelle, um jetzt noch mal alle Kräfte zu bündeln.
    Barenberg: Warum ist das bisher nicht gelungen? Warum ist so viel im Sande verlaufen von dem, was in Bayern angeleiert wurde an Foren und Gipfeln und Kommissionen?
    Aigner: Erstens sind wir in Bayern sehr weit. Wir sind nämlich bei weit über einem Drittel der erneuerbaren Energien, die wir schon ausbauen. Der Bund ist im Durchschnitt bei einem Viertel. Also können wir sagen, wir sind da wirklich gut im Zeitplan. Jetzt sind in der Tat weitere Herausforderungen, weil erneuerbare Energien auszubauen allein reicht eben nicht, solange vor allem auch noch keine Speichertechnologien rund ums ganze Jahr zur Verfügung stehen. Deshalb werden wir grundlastfähige Kraftwerke auch in Zukunft brauchen. Bloß wie die dann laufen, ist noch nicht geklärt, und deshalb gibt es ja auch auf Bundesebene diesen Grünbuch-Prozess.
    Ausbau der Windenergie und konventionelle Kraftwerke
    Barenberg: Das heißt, ich verstehe Sie richtig, Sie wollen gar nicht von dem Windkraftstrom profitieren, der von Norden nach Süden gelenkt werden soll, sondern Sie wollen lieber eigene Kraftwerke bauen, Gaskraftwerke?
    Aigner: Der Windstrom wird auf alle Fälle auch im Jahr 2025 nach dem Ausbaupfad der Bundesrepublik erst 40 bis 45 Prozent der Strommenge betragen. Also wird die restliche Menge irgendwo anders noch herkommen müssen, und diese Frage ist noch nicht geklärt. 55 bis 60 Prozent kommen auf alle Fälle aus konventionellen Kraftwerken. Jetzt ist nur die Frage, aus welchen Kraftwerken werden sie kommen und welche Mechanismen gibt es dafür und wo stehen sie natürlich auch.
    Barenberg: Umso wichtiger ist ja die Frage, warum sich Bayern, obwohl anfangs zugestimmt, jetzt doch sperrt gegen den Bau dieser Hauptschlagadern der Energiewende nach Süden.
    Aigner: Weil wir Fragezeichen auch haben, was die restlichen 55 bis 60 Prozent betrifft und ob es sinnvoll ist, nur Wind im Norden, Kohle in der Mitte und in Bayern gar keine Kapazitäten mehr vorzuhalten. Bayern ist ein sehr starker Standort, auch ein industrieller Standort, übrigens auch Baden-Württemberg, und deshalb werden wir das nur in einer Gesamtschau entscheiden können.
    Barenberg: Und da sind Ihnen jetzt auf einmal Zweifel gekommen in Bayern?
    Aigner: Ja, weil eben die Mechanismen noch nicht geklärt sind, wo die Grundlast herkommt. Das ist ja seit längerer Zeit schon offen, wir haben das auch im Koalitionsvertrag festgelegt, dass das jetzt geklärt werden muss, und das ist noch nicht geklärt.
    Barenberg: Aber das ändert doch nichts an der Notwendigkeit für diese Stromautobahnen, oder?
    Aigner: Das wird sich auch im Zusammenhang nur klären lassen, ob das die alleinige Möglichkeit ist, und das werden wir auch in einem Dialog mit den Experten klären.
    Neue Regeln für Windkraft in Bayern geplant
    Barenberg: Lassen Sie uns noch über die Windkraft sprechen. Da soll es neue Regeln in Bayern geben und Kritiker sagen, damit blockieren Sie eigentlich, damit endet der Ausbau, der weitere Ausbau der Windkraft in Bayern.
    Aigner: Das sehe ich nicht so. Wir geben die Entscheidung sozusagen vor Ort. Die Gemeinden können auch mit näheren Abständen bauen. Sie müssen allerdings dann ein Bebauungsplanverfahren durchführen und ich gehe davon aus, dass die Leute vor Ort sowieso besser entscheiden können als wir am grünen Tisch von München oder vielleicht auch von Berlin aus.
    Barenberg: Und dann ist es für Sie kein Problem, dass beispielsweise das Bundesumweltamt sagt, dass nach solchen Regeln dann nur noch drei Prozent der möglichen Leistung von Windkraft tatsächlich umgesetzt werden kann.
    Aigner: Das Bundesumweltamt geht davon aus, dass alle sich dann ausschließlich an diese 10-H-Regelungen halten. Aber ich habe gerade gesagt, die Gemeinden können nach unten abweichen. Sie müssen halt nur dann ein Verfahren anwenden und dann mit den Bürgern das vor Ort klären, und die Möglichkeiten gibt es.
    "Wir brauchen eine sichere, eine saubere und eine bezahlbare Energie"
    Barenberg: Lassen Sie uns noch mal auf die grundsätzliche Idee für diesen Energiedialog zurückkommen. Sie haben ja schon dreimal ein neues Energiekonzept angekündigt und dann dreimal verschoben. Jetzt soll es dann am Ende dieses Dialogprozesses im kommenden Februar sein. Welche grundlegenden Fragen wollen Sie denn dann geklärt haben und ist es eigentlich gut und richtig, dass Sie da ohne eine klare eigene Position reingehen?
    Aigner: Wir haben eine klare Position. Wir brauchen eine sichere, eine saubere und eine bezahlbare Energie und an diesen Leitlinien - es gibt noch viel mehr, die kann ich nicht alle in der Kürze erklären - werden wir uns natürlich den Fragestellungen widmen. Wir machen das in vier Arbeitskreisen und dort sieht man auch, wie komplex das Thema ist. Es geht nämlich nicht nur um Energie verbrauchen, sondern es geht auch um Energie einsparen und um Energieeffizienz. Es geht natürlich um den Ausbau der erneuerbaren Energien und damit auch um die Speichertechnologie, die noch nicht ausreichend ist, und zuletzt die Versorgung, und am Schluss hoffen wir, dass wir möglichst bald einen Konsens dann auch erreichen können, der in unsere Beschlüsse einfließen kann. Das ist aber sinnvoll, dass man vielleicht einen Beschluss erst dann fasst, wenn man einen Dialog geführt hat. Sonst kann man sich den Dialog letztendlich ja dann sparen.
    Barenberg: Aber sicher, sauber und bezahlbar, diese Vorgabe, die haben wir ja schon seit Jahren. Jetzt geht es ja beispielsweise konkret darum, ob diese Stromautobahnen gebaut werden sollen, und ehrlich gesagt, ich kann mir da keinen Kompromiss vorstellen, weil ein bisschen bauen kann man so eine Stromleitung ja nicht.
    Aigner: Nein. Aber ich will auch noch klären, wie kann denn die Grundversorgung auch mit anderen Möglichkeiten, zum Beispiel auch dezentral unter anderem unterstützt werden. Genau da gibt es unterschiedliche Interessen und diese Fragen müssen auch noch beantwortet werden mit den Experten. Und noch mal: Es kommen eben nicht nur erneuerbare Energien durch die Leitungen, sondern es kommen auch natürlich andere. Und wo kommen die her, von Kohle-, oder von Gaskraftwerken? Das ist für mich noch nicht geklärt. Das können auch dezentrale Anlagen sein.
    Barenberg: ..., sagt die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch, Frau Aigner.
    Aigner: Danke schön! Auf Wiederhören!
    Barenberg: Auf Wiederhören!
    Aigner: Schönen Tag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.