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Bayerischer Innenminister: "Die Länder sind dafür nicht zuständig"

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat der Auffassung des Bundesjustizministeriums widersprochen, eine Neuregelung der Sicherungsverwahrung könne auf Landesebene erfolgen. Vielmehr sei dafür nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts der Bund zuständig, sagte der CSU-Politiker. Es sei nicht zu verantworten, die bisherige Regelung ersatzlos zu streichen.

Joachim Herrmann im Gespräch mit Christoph Heinemann | 06.08.2010
    Christoph Heinemann: Mitgehört hat jetzt Joachim Herrmann, CSU, der Innenminister des Freistaates Bayern. Guten Morgen!

    Joachim Herrmann: Guten Morgen!

    Heinemann: Herr Hermann, wir haben jetzt gelernt: Sicherungsunterbringung, also das, was die Union vorschlägt, das ist Ländersache. Wird Bayern das in jedem Fall einführen?

    Herrmann: Das können wir leider nicht und es ist erstaunlich, dass der Staatssekretär im Justizministerium hier expressis verbis eine Auffassung vertritt, die im Widerspruch steht zu dem, was das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden hat: Denn wir hatten es ja bereits vor zehn Jahren in Bayern versucht, auf Landesebene genau eine solche Regelung einzuführen, und die ist vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 2004 aufgehoben worden, und zwar nicht mit der Begründung, dass das Gesetz schlecht wäre, sondern mit der ausdrücklichen Begründung, dass für dieses Thema ausschließlich der Bund zuständig ist. Schwarz auf weiß, das Urteil ist jetzt gerade mal sechs Jahre alt, und es ist bemerkenswert, dass sowohl Herr Stadler wie seine Bundesjustizministerin dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts nun schon seit Wochen in der Diskussion ignorieren. Ich hätte keine Probleme damit, das auf Landesebene zu machen. Aber es ist nun mal von Karlsruhe definitiv entschieden worden: Die Länder sind dafür nicht zuständig, allein der Bund, und das ist genau der Grund, weshalb ich vom Bund fordere, dass dieses Thema jetzt umfassend geregelt wird.

    Heinemann: Klingt nach einem weiteren zünftigen Streitthema für die Koalition.

    Herrmann: Wir wollen da sehr konstruktiv rangehen. Ich habe auch keinen Zweifel daran, dass sowohl Frau Leutheusser-Schnarrenberger wie Herr Stadler an einer Lösung interessiert sind.

    Heinemann: Wie könnte die aussehen?

    Herrmann: Vieles von dem, was Herr Stadler gerade gesagt hat, ist auch völlig richtig. Ich halte es für gut, dass wir die elektronische Fußfessel einführen, begrüße das ausdrücklich. Aber das reicht nicht für die letzten Fälle, um die es geht. Es sind in der Tat nur wenige, wie Herr Stadler zutreffend gesagt hat, es geht aber um einige ganz harte, schwierige Fälle, wo genau das Problem eintritt: Manchmal können wir erst während der Strafhaft erkennen, dass jemand so hochgefährlich ist, dass jemand nicht nur einmal jemanden vergewaltigt hat, sondern dass er den Trieb dazu hat, das immer wieder zu tun. Und wenn wir das während der Strafhaft erkennen, dann können wir doch nicht blindlings jemand wieder freilassen, sondern dann muss in der Tat auch noch während der Strafhaft, am Ende der Strafhaft ein Gericht die Möglichkeit haben, zu sagen: Der bleibt hinter Gittern, weil es unverantwortlich ist, ihn auf die Menschheit loszulassen.

    Heinemann: Aber das hatte Herr Stadler ja gerade eben erklärt: In einem solchen Fall, also wenn das während der Haft sich herausstellt, dann könnte der Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof Revision erwirken.

    Herrmann: Nein, das hat er zwar so formuliert, das kann aber nur funktionieren, wenn diese Revision sofort zu Beginn der richterlichen Entscheidung erfolgt, das wäre, wenn das ursprüngliche Urteil gesprochen wird. So hat er das gemeint. Das ist richtig, aber das deckt eben genau nicht den Fall ab, wenn da jemand dann fünf Jahre, acht Jahre, zehn Jahre hinter Gittern sitzt und erst während dieser Haft dann erkannt wird, dass der so hochgefährlich ist. Genau dieser Fall wird eben nicht abgedeckt. Und deshalb ist es nicht verantwortbar, dass das, was bisher an nachträglichen Entscheidungen möglich war, ersatzlos gestrichen wird. Wir haben ja aus guten Gründen erst im Laufe der Jahre diese Möglichkeit der nachträglichen Anordnung verstärkt, es haben sich Lücken dann immer noch ergeben, und wir haben im Koalitionsvertrag im Oktober einvernehmlich festgelegt, dass diese Lücken geschlossen werden müssen, das heißt, dass das Netz dichter geschlossen werden muss. Stattdessen wird jetzt, was diese nachträgliche Anordnung anbetrifft, das ganz gestrichen, obwohl das mit dem Urteil - und das ist jetzt ja auch deutlich geworden -, obwohl das mit dem Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs überhaupt nichts zu tun hat.

    Heinemann: Herr Herrmann, wir lernen jetzt aus beiden Gesprächen: Union und FDP befinden sich in der Phase der juristischen Grundlagenforschung. Wie kommen Sie denn beide jetzt zusammen?

    Herrmann: Mir liegt sehr viel daran, dass wir auf jeden Fall in den allernächsten Monaten, noch in diesem Jahr wirklich zu einer handfesten Lösung kommen, denn es ist leider so, ...

    Heinemann: Die dann wie aussähe?

    Herrmann: Unser Konzept liegt auf dem Tisch, das ist verfassungsrechtlich tragfähig. Letztendlich kann keiner bestreiten, dass das verfassungsrechtlich tragfähig ist. Es geht nur darum, das zu wollen. Ich hoffe, dass heute bei dieser Besprechung im Bundesjustizministerium, denke ich, die Positionen insofern auch klar werden, dass wir uns hier ein Stück weit annähern können. Wir brauchen eine Lösung, denn ich sage noch mal: Es ist unverantwortlich, solche Leute in Freiheit zu setzen und ein hohes Risiko einzugehen, dass dann demnächst wieder kleine Kinder missbraucht oder Frauen vergewaltigt werden.

    Heinemann: Joachim Herrmann, CSU, der Innenminister des Freistaates Bayern. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Herrmann: Ich danke Ihnen auch, einen schönen Tag!