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Bayern und Baden-Württemberg
Wenn die CSU gegen die CDU antreten würde

Ulm und Neu-Ulm ist mit der Donaubrücke verbunden, getrennt durch die Landesgrenze zwischen Baden-Württemberg und Bayern - auf der einen Seite die CDU, auf der anderen die Schwesterpartei CSU, die bis jetzt nur in Bayern wählbar war. Aber was wäre wenn die CSU bundesweit anträte? Gegen die CDU?

Von Michael Watzke | 14.04.2016
    Das Logo der beiden konservativen Parteien CDU und CSU.
    Ein Gedankenspiel über Trennung der Union. (JOHANNES EISELE / AFP)
    Die Donaubrücke zwischen Ulm und Neu-Ulm. Rechts ist Bayern, links Baden-Württemberg. Auf der einen Seite sitzt die Christlich-Soziale Union.
    "Ja, Grüßgott, mein Name ist Hilmar Brunner, ich bin Stadtverbands- und Orts-Vorsitzender der CSU Neu-Ulm."
    Auf der anderen Seite die Christlich-Demokratische Union:
    "Guten Tag, mei Name isch Bertram Holz, ich bin der Ulmer CDU-Vorsitzende ."
    Die Donau trennt die beiden Schwesterparteien. In letzter Zeit allerdings, sagt CSU-Mann Brunner, kämen öfter mal CDU-Wähler aus Ulm zu Veranstaltungen der CSU in Neu-Ulm und klagten ihr Leid:
    "Das hast Du hin und wieder schon mal gehört, dass wer gesagt hat: ‚Jetzt wär‘ ich schon froh, wenn ich CSU wählen könnte.‘ Leider nicht der Fall für Baden-Württemberger. Da gibt’s keine CSU."
    Noch nicht. Aber was wäre wenn? Angenommen, die CSU träte bundesweit an? Gegen die CDU? Horst Seehofer, der ewige Taktierer, will wieder mal nichts ausschließen. Vor ein paar Tagen hat er in München die neue CSU-Zentrale, das Franz-Josef-Strauß-Haus, mit folgenden Worten eingeweiht:
    "Es ist heute in der Tat eine Zäsur für die CSU."
    Eine Zäsur – auch im Verhältnis der Schwesterparteien? Das neue CSU-Headquarter ist fast doppelt so groß wie das alte. Genug Platz, um an einer Deutschland-CSU zu basteln?
    "Ach, für solche Überlegungen reicht auch mein Wohnzimmer."
    Verlorenen Landtagswahl im Ländle
    Dann grinst Seehofer sein Seehofer-Grinsen. Er gibt sich gut gelaunt, denn die Umfrage-Werte der Christsozialen in Bayern sind stabil. Anders bei der CDU in Ulm, gleich hinter der Grenze. Bertram Holz ist nach der verlorenen Landtagswahl nicht nach Grinsen zumute.
    "Nee, mit Sicherheit nicht. Gerade in der Flüchtlings-Problematik gab es in der CDU sehr kontroverse Diskussionen und unterschiedliche Meinungen. Man muss schon aufpassen, dass die CDU sich so nicht spaltet, natürlich. Gerade was die Flüchtlings-Problematik anbelangt."
    Bertram Holz, der Ulmer CDU-Vorsitzende, erinnert sich, dass er vor neun Jahren mal in der Münchner Staatskanzlei zu Besuch war, noch unter Edmund Stoiber.
    "Des is scho a Weile her."
    Damals funktionierte die Südschiene noch, der konservative Gleichklang der Union in Baden-Württemberg und Bayern. Bertram Holz würde gern mal wieder nach München fahren. Horst Seehofer besuchen.
    "Der Seehofer, der setzt eigentlich die Merkel schon manchmal unter Druck. Aber es ist gut, wenn einer bissle Druck ausübt und Impulse nach Berlin weitergibt und seine eigene Meinung und Standpunkt kundtut."
    Da schüttelt Karin Graf heftig den Kopf. Sie ist die Stellvertreterin von Bertram Holz bei der Ulmer CDU und bezeichnet sich selbst als "eine Merkel-Frau. Sie imponiert mir sehr."
    Was hält die Merkel-Frau Graf von CSU-Chef Seehofer?
    "Ähm, wer war das noch gleich? Ich frag‘ mich bei seinen Beiträgen manchmal, ob es um die Sache geht - oder ob es um die Profilierung von Personen und Parteien geht? Ich bin eine sach-orientierte Politikerin."
    Als Karin Graf neulich hörte, die CSU wolle die CDU in der Flüchtlingspolitik von innen aufbohren, da lachte sie nur.
    "Ja, das finde ich sehr witzig. Ich meine, wann hat ein kleiner Holzwurm jemals einen großen Schrank aufgebohrt? Ich kann mich nicht erinnern."
    Noch verwegener findet CDU-Kommunalpolitikerin Graf die Vorstellung, eine bundesweite CSU könnte den Christdemokraten gefährlich werden. Sollte die CSU irgendwann in Baden-Württemberg antreten.
    "Dann würde ich einfach sagen, tritt die CDU auch in Bayern an. Und dann wird man mal sehen. Die CSU würde sich bundesweit bei einer Größe einpendeln, die bei manchen in der CSU eine gewisse Bodenhaftung erzeugen würde."
    "Es ist natürlich ungleich schwerer, die CSU bundesweit auszudehnen"
    Diese nüchterne Einschätzung teilt man auch auf der anderen Seite der Donau. Bei der CSU in Neu-Ulm. Hilmar Brunner betrachtet die Sache nüchtern.
    "Es ist natürlich ungleich schwerer, die CSU bundesweit auszudehnen, also noch auf 15 Länder, als wenn das beispielsweise die CDU vorhätte, die sagt, wir würden uns gern auf Bayern ausbreiten. Ich halte das für utopisch."
    Denn die CSU bräuchte für ihre Erweiterung jede Menge Personal und müsste höllisch aufpassen, keine zwielichtigen Gestalten anzuwerben. Außerdem gelten die Christsozialen außerhalb Bayerns als eine Partei, die vor allem weiß-blau denkt.
    "Das ist auch der Markenkern. Diese bayerische CSU. Dass es nicht bloß eine CSU ist, sondern auch eine speziell bayerische Partei."
    Hilmar Brunner steht auf der bayerischen Seite der Donaubrücke und schaut hinüber nach Ulm, nach Baden-Württemberg. Der Absturz der CDU im Ländle hat ihn erschreckt. Er sei ihm eine Lehre, wie schnell so etwas gehen könne, sagt er. Und wie schwer es sei, wieder zurückzukommen.
    "Das wird sehr schwierig werden, da noch das Ruder wieder herumzureißen. Nun hat sich Bayern endgültig auf einen neuen Nachbarn einzustellen."
    Drüben, im Ulmer Rathaus, hofft Bertram Holz auf bayerische Unterstützung statt auf Drohgebärden wie einer Bundes-CSU.
    "So weit wird’s sicherlich nicht kommen. Das sind Schwesterparteien, die sollen sich gehörigst zusammenraufen. Es gibt unterschiedliche Akzente, das ist auch gut so. Wenn man unterschiedlicher Meinung ist, kann das die Politik konstruktiv nach vorne bringen. Die CDU muss sich vielleicht wieder breiter aufstellen. Sie hat konservative Kreise nicht mehr ausreichend angesprochen. Da muss sich die CDU schon überlegen, wie sich ihr dieses Wertespektrum wieder erschließt."
    Drüben, auf der anderen Seite der Donau, geben sie dabei gerne Hilfestellung.