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Bayern
Widerspruch gegen den Kreuz-Erlass

Nach dem Erlass von Ministerpräsident Markus Söder weigern sich manche Börden, ein Kruzifix aufzuhängen. Auch Theater, Museen, Hochschulen und sogar Kirchen üben Kritik. Die Landesregierung verteidigt sich: Mit dem Kreuz-Erlass werde ein Zeichen für die christliche Prägung Bayerns gesetzt.

Von Burkhard Schäfers | 01.06.2018
    Ein Kreuz hängt am 23.01.2018 im Landgericht in Traunstein (Bayern) an der Wand.
    Landratsämter unterstehen nicht direkt dem Freistaat - sie können nicht verpflichtet werden, ein Kruzifix aufzuhängen. Die Justizbehörden sind dagegen weisungsgebunden (dpa)
    "Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen." So gilt es von heute an im Freistaat, und dieser Erlass der bayerischen Staatsregierung schlägt weiter Wellen. Das Kreuz als bayerisches Symbol - staatlich verordnet? Dagegen gibt es Widerspruch: In der Gesellschaft, sogar seitens der Kirchen und auch in den Behörden selbst. Im Mittelpunkt steht die Frage: Wie neutral ist der Staat? Unser Landeskorrespondent Burkhard Schäfers berichtet.
    Der Landkreis Roth liegt beschaulich ziemlich in der Mitte Bayerns, südlich von Nürnberg. Die Gegend ist christlich geprägt. Trotzdem wird Landrat Herbert Eckstein im Foyer seines Amtes kein Kreuz aufhängen. "Glauben kann man leben. Den kann man ja nicht als Flagge vor sich hinhalten, nach dem Motto: Ich bin Christ, wie die Bayern-Fahne oder was anderes. Ich halt deswegen von solcher Symbolik, wenn's nicht gelebt wird, nichts."
    Ein "Wahlkampfgag" des CSU-Ministerpräsidenten
    Landrat Eckstein ist evangelisch und praktiziert seinen Glauben auch. In seinem Amtszimmer finden sich gleich zwei schlichte Holzkreuze, ebenso eines im Sitzungssaal des Landratsamts von Roth. Alle diese Kreuze seien schon länger dort. Sie hätten nichts mit der neuen Vorschrift der bayerischen Staatsregierung zu tun, Kruzifixe am Eingang von Behörden aufzuhängen. Die nennt SPD-Mann Eckstein einen "Wahlkampfgag" des CSU-Ministerpräsidenten.
    "Wir sind jetzt seit 30 Jahren ohne Herrn Söder in dem Gebäude zurechtgekommen. Es hat auch keiner irgendwo vermisst. Ich glaube, wir leben im Landratsamt sehr nach diesen Grundsätzen, und das ist wichtiger, als irgendeine Äußerlichkeit zu zeigen, die man dann unter Zwang aufhängt. Das ist mir zu seicht. Glaube ist wirklich Privatsache und kann nicht verordnet werden."
    Da die Landratsämter nicht direkt dem Freistaat unterstehen, gilt hier nur eine Empfehlung, den Kreuzerlass umzusetzen. Aber auch andere Einrichtungen weigern sich: Im staatlichen Neuen Museum Nürnberg sehen sie die Freiheit der Kunst gefährdet. Weil andere Häuser ähnlich argumentieren, ruderte die Staatsregierung bereits zurück: Theater, Museen und Hochschulen müssten nicht unbedingt ein Kreuz ins Foyer hängen.
    Das Symbol wird "degradiert"
    Proteste gibt es auch an den Universitäten: Tarek Carls, studentischer Sprecher der Uni Regensburg, hat eine Online-Petition gestartet und schon mehr als 50.000 Unterschriften gegen den Kreuzerlass gesammelt.
    "Ich möchte nicht, dass jemandem vorgeschrieben wird: Das ist das Symbol, was dich eint. Das ist das Symbol, auf das du stolz sein musst, nach dem du dich identifizieren musst. Jeder hat das Recht und auch den Anspruch zu sagen: Dieses Symbol vertritt mich nicht."
    Tarek Carls - selbst evangelisch-reformiert - findet, der Staat handle übergriffig. In der Petition setzt sich der Student für Vielfalt ein und dagegen, in Bayern eine bestimmte Religion zu bevorzugen.
    "Religion ist und bleibt Privatsache. Und das zu entfremden zu einer bloßen schnöden Vorschrift - ähnlich wie Vorschriften, wo haben Möbel in Büros zu stehen oder in jedem Büro hat ein Feuerlöscher zu hängen, und das Symbol so zu degradieren - das kann nicht staatliche Aufgabe sein."
    Selbst Kirchenvertreter hadern mit dem Erlass: Der Münchner Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, sagte, durch den Erlass sei eher Spaltung, Unruhe, Gegeneinander entstanden. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann widerspricht.
    "Das Kreuz ist nach dem christlichen Glauben niemals ein Zeichen der Ausgrenzung, niemals ein Zeichen, das sich gegen jemand richtet. Es ist ein Symbol für die unendliche Liebe Jesu Christi zu den Menschen. Man kann eigentlich nie etwas Schlechtes daran finden."
    "Da machen die einen sehr, sehr großen Fehler"
    Mit dem Kreuzerlass setze die Staatsregierung ein klares Zeichen für die christliche Prägung Bayerns, so Innenminister Herrmann: "Wir werden den Zusammenhalt in der Gesellschaft, wir werden auch den gegenseitigen Respekt und die Toleranz nicht dadurch fördern, dass wir Fragen der religiösen Überzeugung ausklammern aus dem öffentlichen Leben."
    Dieses Leben spielt sich in Ämtern ab, bei der Polizei und an Gerichten, wo viele Menschen ein- und ausgehen. Obwohl es immer wieder Debatten um Kreuze in Gerichtssälen gibt, haben die Gerichte in Nürnberg den neuen Erlass umgesetzt, sagt Sprecher Friedrich Weitner.
    "Es ist ja so, dass die Justiz in diesem Bereich Teil der Verwaltung ist, und da sind wir auch tatsächlich weisungsgebunden. Wir sind nicht weisungsgebunden, soweit es um unsere richterlichen Entscheidungen geht, da sind wir völlig frei. Aber wenn beispielsweise Halbmastbeflaggung angeordnet wird, dann müssen wir dem auch nachkommen. Und so kommen wir jetzt eben auch der Vorgabe nach, dass in den Eingangsbereichen jeweils ein Kreuz aufzuhängen ist."
    Im Foyer des Landratsamts Roth hängen Infotafeln und moderne Kunst, aber kein Kruzifix. Landrat Herbert Eckstein findet es anmaßend, das Kreuz per Erlass für Bayern zu vereinnahmen.
    "Ein Kreuz ist ein christliches Symbol und das hat keine Landes- oder Bundes- oder welche Grenzen auch immer. Da machen die einen sehr, sehr großen Fehler. Wenn man ein Kreuz auf Grenzen beschränkt, wird da ein Denken sichtbar, das mir überhaupt nicht behagt."