The Good, the Bad and the Queen: "Merrie Land"

Melancholischer Brexit-Pop

Die Band The Good Bad and the Queen spielt ein Konzert
Melancholischer Pop und düstere Stimmung - das sind die Kennzeichen von The Good, the Bad and the Queen. © imago stock&people
Andreas Müller im Gespräch mit Martin Böttcher · 19.11.2018
Den Britpop aus Blur-Tagen hat Damon Albarn längst hinter sich gelassen. Auf dem neuen Album seiner All-Star-Band The Good, the Bad and the Queen zeichnet er ein düsteres Stimmungsbild Großbritanniens und beschwört die Geister der Vergangenheit.
Mit seiner Band Blur war Damon Albarn ein zentraler Protagonist im Britpop-Wahnsinn der 90er-Jahre: Unvergessen sind die Auseinandersetzungen zwischen seiner Band und Oasis, zwischen Manchester und London, zwischen Nord und Süd. Doch anders als fast allen seiner Kollegen aus dieser Zeit ist es ihm gelungen, sich etwa mit Projekten wie Gorillaz von den gängigen Rock-Klischees zu emanzipieren, weiterhin interessante Musik zu machen und dabei trotzdem noch erfolgreich sein.

Ein Album über den Brexit

2007 überraschte er mit einer ganz anderen Geschichte: der Band The Good, The Bad And The Queen, die neben dem früheren Verve- und Blur-Aushilfsgitarristen Simon Tong zwei veritable Legenden in ihren Reihen aufweist: die Punk-Ikone Paul Simonon (The Clash) und den einzigartigen Afro-Beat Drummer Tony Allen. Nachdem Anfang 2018 bereits ein neues Gorillaz-Album erschienen war, verdichteten sich zuletzt die Gerüchte, dass auch ein neues Album dieses All-Star-Quartetts in der Mache sei – und tatsächlich: jetzt ist "Merrie Land" erschienen.
Andreas Müller hat sich die Platte angehört. Das bestimmende Thema des Albums sei der Brexit, sagte er im Gespräch: Schon das erste Stück setze mit Zitaten aus den "Canterbury Tales" ein und beschwöre das Idyll eines "merrie England", von dem zwar auch Brexit-Befürwortern gerne sprechen, dass es aber so in Wahrheit nie gegeben hat. Und "Albarn sagt: Ich liebe dieses Land. Aber die Stimmung ist trübe. Und man spürt seine Trauer: Am Anfang könnte er auch von einer Frau singen, die ihn verlässt. Aber es geht eben um die Trennung Englands vom Rest Europas - für einen Internationalisten wie Albarn ein höchst traumatischer Vorgang."

Wenn ein Männerchor im Dunkel verschwindet

"Merrie Land" ist in Wales entstanden und sei wieder ein sehr gutes Album geworden, bekräftigte Müller im Gespräch: Im Stück "Lady Boston" gebe es gar "einen der schönsten musikalischen Momente des Jahres", wenn am Ende der walisische Männerchor Cor y Penryhn "im ungewissen Dunkel verschwindet".
Die todtraurige, nautische Stimmung dieses Stücks sei typisch für das ganze "sehr eindringliche" Album, so Müller: "Albarn ist ein Meister darin, solche Atmosphären zu schaffen".

Rückblick auf 100 Jahre britische Geschichte

Außerdem spanne Albarn mit "Merrie Land" einen erzählerisch weiten Bogen: Es erinnert mit "Nineteen Seventeen" an den Ersten Weltkrieg, thematisiert in "The Last Man to Leave" den Umgang der britischen Regierung mit den karibischen Einwanderern, die seit 1948 nach England kamen und deren Nachfahren man plötzlich die Staatsbürgerschaft nicht mehr anerkennt.
Aber Albarn ist eben auch als Eigenbrötler bekannt. Macht eine so prominente Besetzung wie in dieser Band überhaupt Sinn?
Durchaus, meint Müller dazu. "Diese typisch stolpernden Rhythmen - Albarn kommt einfach nicht von Kurt Weill los, der hier wieder ein starker Einfluss ist - kann ein Tony Allen eben unvergleichlich spielen. Paul Simonon ist ja eigentlich kein Profi-Musiker mehr und spielt so Bass, wie es sonst niemand tun würde. Seltsame Linien, ganz einfache Motive, die sich vom traditionellen Spiel abwenden. Und Simon Tong, den ich für einen der besten Gitarristen überhaupt halte, ist brillant darin, Sounds zu schaffen, die noch Gitarre sind, aber eben kein Rock-Klischee. Dass der berühmte Tony Visconti produziert hat, hört man glücklicherweise nur am guten Klang der Platte."
Fazit des Kritikers: "Vielleicht das beste Damon-Albarn-Produkt seit der Blur-Reunion im Jahr 2015. Aber es ist auch ein wichtiges Dokument. Wenn spätere Generationen wissen möchten, wie sich viele Engländer fühlten, damals, als der Brexit kam, hier ist es zu hören und zu spüren."
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