Dienstag, 19. März 2024

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Bayerns Finanzminister Söder
"Der Länderfinanzausgleich belohnt das Nichtstun"

Ähnlich wie für Griechenland in der Eurokrise müsse es für schwache Bundesländer in Deutschland Anreize und Druck geben, ihren Haushalt in Ordnung zu bringen und Strukturreformen anzustoßen, forderte Bayerns Finanzminister Markus Söder im Interview der Woche des DLF. Das bisherige System schädige starke wie schwache Länder.

Markus Söder im Gespräch mit Stephan Detjen | 21.09.2014
    Der bayerische Finanz- und Heimatminister Markus Söder (CSU), aufgenommen am 05.12.2013 auf einer Pressekonferenz in München.
    Fordert im DLF mehr Steuer-Spielräume für die Bundesländer: Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) (picture alliance / dpa / Andreas Gebert)
    Stephan Detjen: Herr Söder, die Schotten haben sich entschieden. Knapp ist es ausgegangen, aber sie bleiben "drin". Frage an den bayerischen Heimatminister, der Sie auch sind – Sie sind Minister für Finanzen, Landesentwicklung und Heimat: Wie wäre ein Unabhängigkeitsreferendum in Bayern ausgegangen?
    Markus Söder: Das ist eine spannende Frage. Aber die Bayern, glaube ich, insgesamt, lieben ihr Land, bekennen sich zu ihrer Region, sind überzeugte Bayern, einige auch überzeugte Franken, im Übrigen, aber insgesamt auch gerne Deutsche. Also ich glaube, diese Bestrebung gäbe es in Bayern nicht.
    Detjen: Die Bundeskanzlerin hat sogar gesagt, "es wäre eine absurde Frage", als Ihr Sprecher hier in der Bundespressekonferenz gefragt wurde.
    Söder: Na ja, wir haben viele Staaten in Europa. Wir haben größere Staaten, wir haben kleinere Staaten – es funktioniert da auch ganz gut. Und was ich glaube, was im Vereinigten Königreich jetzt ohnehin kommen wird, ist mehr Autonomie, mehr Subsidiarität. Das wird nicht nur für Schottland gelten. Ich nehme an, Wales beispielsweise wird das genauso einfordern. Und ich glaube, da steckt eigentlich schon ein ganz interessanter Aspekt – auch nach der Europawahl – dahinter, dass man eben nicht von vorneherein nur die zentrale Einheit sieht, von Europa, sagen wir mal, die alles entscheidet, sondern mehr Subsidiarität. Das heißt, dass, was man vor Ort entscheiden kann – regionaler, lokaler –, das sollte man auch dort belassen.
    Detjen: Ja, es gab ja gerade bei Ihnen in der Partei, in der CSU, immer Sympathien, Europa weniger als eine Union, einen Bund von Nationalstaaten zu sehen, als einen Verbund von sehr starken Regionen. Die Botschaft Bayerns in Brüssel ist viel prächtiger, viel größer – in einem Palais, mitten in der Staat –, als hier die Landesvertretung in Berlin. Ist das eine Richtung, in die Sie denken wollen?
    Söder: Na ja, man muss eines sehen: Nach der Europawahl war ja alles klar – jetzt nicht nur das individuelle Wahlergebnis. Sondern es gibt auch so einen Trend in Europa: Schon wieder diese Skepsis gegenüber dem Zentrum Brüssel. Jetzt glaube ich auf der einen Seite, dass wir eine Stärkung brauchen, was Brüssel betrifft, wenn es jetzt um internationale Fragen geht. Es ist kein absolut super Bild, was Europa abgibt, wenn es zum Beispiel um die Hilfe bei Ebola geht. Da müssen jetzt die Amerikaner schon wieder eingreifen und die Europäer ziehen langsam nach. Wie schwer es ist, spürt man ja in der Ukraine-Russland-Frage, da ein einheitliches europäisches Modell zu entwickeln. Da wäre "mehr" Europa, glaube ich, wichtiger. Dagegen die vielen kleinen Fragen der Regulierung und auch die Frage: Wie muss eine Gesetzgebung bei kleinen Fragen sein? Welche Vorschriften sind da bei Wasserliberalisierung und Ähnliches mehr? Da, finde ich, sollte man mehr Kompetenz den Regionen geben. Und ich glaube, wenn man die Balance neu justieren würde, dann gäbe es auch wieder mehr Akzeptanz für das große Projekt "Europa".
    Detjen: Die Beispiele, die da immer genannt wurden – die normierten Traktorensitze, die Gurken –, das waren ja sehr starke Normierungsbestrebungen, die auch aus den Regionen von der Industrie, von Landwirten kamen, die auch bei Ihnen in Bayern sitzen?
    Söder: Ja klar, das sind ja nur einzelne Beispiele. Aber, ich glaube, insgesamt gibt es schon so eine Mischung, das hat man ja gemerkt. Die Menschen fühlen sich sehr europanah, wenn sie im großen Verbund sind, aber sie wollen halt auch die eigene Identität haben. Und diese eigene Identität muss ich ein Stück auch wiederfinden. Also ich glaube, wenn man da die Balance etwas neu justiert – das ist auch die Chance jetzt für den neuen Kommissionspräsidenten, die neue Kommission –, dann sollte man das annehmen. Und vielleicht ist dieses schottische Referendum da so ein Merkposten für ganz Europa, nicht nur für die Engländer.
    "Bayern kann es alleine - Franken im Zweifelsfall auch"
    Detjen: Aber so ein paar – gerade bei den Älteren, auch bei Ihnen in der CSU –, die gibt es schon, die das Ganze, wie man in Bayern sagt, „schneidig“ fanden, was die Schotten da auf die Beine gestellt haben. Wilfried Scharnagl – ehemaliger Bayernkurier-Chef und Redakteur –, geht angeblich in der Parteizentrale noch ein und aus, sagt: "Bayern kann es auch allein!"?
    Söder: Ja, ich habe dann immer gesagt zum Wilfried: "Bayern kann es alleine – Franken im Zweifelsfalle auch!". Weil das ja auch innerhalb Bayerns…
    Detjen: Ist das eine Ankündigung?
    Söder: Nein, nein, aber diese Dinge sind ja, glaube ich, auch so, wir haben ja zwei Elemente. Das eine ist tatsächlich schon ein bisschen auch ein Bekenntnis zur eigenen Region – das darf auch sein. Auf der anderen Seite gibt es zum Beispiel natürlich auch immer Überforderungstendenzen. Also wenn ich jetzt anschaue, dass der Freistaat Bayern über 60 Prozent oder fast 60 Prozent des Länderfinanzausgleichs zahlt und dann noch dafür beschimpft wird in der Bund/Länder-Konstellation, dann gibt es schon Momente, wo man ein bisschen an der Gemeinschaftssolidarität zweifelt und sich ärgert. Das wird aber eher zu dem Wunsch führen, das System zu reformieren und jetzt nicht hier irgendwie auszutreten. Das, glaube ich, kommt nicht.
    Detjen: Also jetzt sind wir beim Thema "Föderalismus in Deutschland". Die Bund-Länder-Finanzen haben Sie gerade aufgeworfen. Wenn man sich die föderale Ordnung des Grundgesetzes in dieser Bundesrepublik anschaut, dann muss man auch noch mal sehen, dass Bayern, dass die CSU dem immer kritisch gegenüber stand. Als im Bayerischen Landtag am 20. Mai 1949 über das Grundgesetz abgestimmt wurde, hat die CSU-Mehrheit im Landtag – im ersten Bayerischen Landtag – mit 101 zu 64 Stimmen gegen das Grundgesetz gestimmt, weil zu viele Kompetenzen bei der Zentrale damals in Bonn lagen. In den 65 Jahren seitdem, hat sich das noch mehr verschoben. Die Länder haben immer mehr Kompetenzen abgegeben an den Bund – heute hier in Berlin. Also müssten Sie eigentlich komplett gegen diese föderale Ordnung des Grundgesetzes sein!
    Söder: Ja, damals, glaube ich, hat man da sehr clever agiert. Man wusste, dass es sowieso kommt, also konnte man - die damaligen Väter und Mütter der Landtagsentscheidung haben sehr clever abgestimmt. Die wussten: Es kommt sowieso, haben aber dann sozusagen dagegen gestimmt, weil sie dann noch mal ein Zeichen setzen wollten.
    Detjen: Also so ganz ernst darf man die Bayern da nie nehmen?
    Söder: Ja, ich glaube, die muss man besonders ernst nehmen, weil sie besonders clever sind bei solchen Entscheidungen. In den letzten Jahren – wir waren ja mal ein Nehmerland, beispielsweise, beim Länderfinanzausgleich, wir haben viel Solidarität auch erfahren. Das darf man nicht unterschätzen. Wir haben, wenn man zusammenrechnet, in 40 Jahren um knapp fünf Milliarden Euro bekommen – wenn man das auch auf heutige Maßstäbe überträgt. Wir haben das mal ausrechnen lassen. Dann haben wir es aber geschafft, mit der Unterstützung und aus eigener Kraft, zu einem Geberland zu werden. Mittlerweile haben wir über 40 Milliarden einbezahlt – also anderen Ländern gegeben. Wir zahlen jedes Jahr. Mittlerweile wächst es fast auf fünf Milliarden an, der Länderfinanzausgleich, den Bayern beisteuert. Insofern, ist bei uns im Moment die Debatte eigentlich schon über die Überforderung. Vor allem weil wir glauben, dass das föderale System etwas ins Wanken kommt. Ein Beispiel, aber dabei will ich gar nicht einmal von Bremen, vom Saarland oder Berlin reden, sondern nehmen wir das Beispiel Nordrhein-Westfalen. Wenn das größte Bundesland, auch ein ökonomisch an sich starkes, in Zeiten von Rekordsteuereinnahmen und Niedrigzinsen – also die beste Konstellation, die man fiskalisch eigentlich haben kann –, wenn ein solches Bundesland strukturell fast nicht mehr lebensfähig ist oder fast insolvent und pleite, dann kann etwas zumindest in der föderalen Finanzordnung nicht mehr stimmen, dann muss sich was ändern.
    "Die Geberländer werden bestraft"
    Detjen: Da würden Ihre nordrhein-westfälischen Kollegen, der nordrhein-westfälische Finanzminister Borjans natürlich heftig widersprechen. Der würde sagen: Wir haben heftige Strukturprobleme, das ist richtig, aber wenn man etwa den Finanztransfer insgesamt sieht – nicht nur den reinen Bund-Länder-Finanzausgleich, sondern auch die Einbeziehung der Umsatzsteueranteile –, dann gehört Nordrhein-Westfalen zu den Geberländern!
    Söder: Aber zu den Mini-Geberländern, erstens. Zweitens einmal, bei uns wächst das dann auf fast acht Milliarden an – wenn ich das mal in der Relation sagen darf. Übrigens ist das deswegen nicht ganz so überzeugend, denn bei dem Umsatzsteueranteil bezieht es sich ja einfach auf den normalen Verbrauch. Das ist ja das, was der Kollege da immer einbezieht. Und dass natürlich das größte Bundesland mit den meisten Menschen – da ist ja der tägliche Einkauf dabei –, dass die da mehr ausgeben und mehr ermitteln, als jetzt das Saarland, mit den "wenigen Einwohnern", ist keine überzeugende Variante. Die andere Debatte ist natürlich die heftigere. Weil, wenn sie nämlich die normale Länderfinanzausgleichssituation sehen, dann haben sie vor allem die Steuern, die auch Wirtschaftskraft demonstrieren, und da kommt man in Schieflage. Und deswegen muss sich an dem System etwas ändern. Und zwar weniger nur die Frage der Quantität – das ist auch ein Teil, also wir wollen die Überforderung Bayerns von der Summe her natürlich deutlich reduzieren –, es muss sich aber die Qualität ändern. Also wir brauchen ein anderes System – parallel zu Europa. In Europa selber haben wir einen Fiskalpakt vereinbart. Das heißt, die Ländern haben Konsolidierungsziele – die müssen sie erfüllen. Die Länder müssen Wettbewerbselemente einführen. Sie werden dafür auch ein Stück motiviert, das zu tun. Wir haben ja in Deutschland derzeit das komplette Gegenmodell. Im Grund genommen werden beiden Seiten bestraft. Die Geberländer werden bestraft, weil sie, wenn sie viel erwirtschaften, alles abgeben müssen, aber auch die Nehmerländer. Denn Nehmerländer werden nicht für Konsolidierungsbemühungen belohnt und sie werden auch nicht belohnt, wenn sie stärker werden, weil dann fließt quasi von dem, was sie stärker werden, sofort alles wieder ab. Insofern, glaube ich, braucht es tatsächlich eine komplette Änderung dieses Länderfinanzausgleichs.
    Detjen: Der Druck entsteht ja jetzt konkret weniger durch das, was Sie "Überforderung Bayerns" nennen, sondern einfach durch einen Termindruck. Die Schuldenbremse des Grundgesetzes gilt ab 2020 auch voll für die…
    Söder: Und weil der Länderfinanzausgleich – der jetzige – 2019 ausläuft.
    Detjen: Und der läuft 2019 aus.
    Söder: Genau. Es kommen drei, vier Dinge zusammen.
    Detjen: Also das muss verfassungsrechtlich neu geregelt werden.
    Söder: Richtig, es kommt auch das Auslaufen des Solidarpakts dazu und das Ende, sozusagen, der Entflechtungs- und Regionalisierungsmittel, was zum Beispiel für viele Ballungsräume wichtig ist, also Öffentlicher Nahverkehr. Da fließen sozusagen mehrere Finanzströme in diesem Jahr 2019 zusammen. Und deswegen ist das auch an sich ein guter Anlass, jetzt darüber nachzudenken und eine Lösung zu finden. Man kann auch sagen, wenn man keine Lösung fände, dann schlägt das 2019 sehr wuchtig auf. Das ist für uns zum Beispiel ein Argument beim Länderfinanzausgleich. Wenn es jetzt keine Einigung gäbe, dann ist das Thema sozusagen nur vertagt. Wir wären aber interessiert daran, dass wir jetzt einmal ein sauberes Übereinanderlegen haben all dieser Herausforderungen und letztlich auch eine befriedigende Lösung für alle Fälle.
    Detjen: Der Punkt, Herr Söder, ist: Sie sprechen jetzt von einer "Überforderung Bayerns" – Bayern will weniger geben. Sie haben mal in den Raum gestellt: "Mehr als eine Milliarde wollen wir nicht mehr geben." Damit würden Sie doch faktisch die schwachen Länder – Sie haben eben Bremen, Berlin, das Saarland genannt – nicht nur überfordern, sondern faktisch in den Ruin treiben. Die würden das nie schaffen, die Ziele zu erreichen, wenn sie bis dahin nicht sogar eher mehr bekämen.
    "Wir glauben an Wettbewerbsfragen, Steuerautonomie, Regionalisierung"

    Stephan Detjen im Gespräch mit Dr. Markus Söder (CSU) im Studio.
    Stephan Detjen im Gespräch mit Dr. Markus Söder, CSU (Deutschlandradio / Ansgar Rossi)
    Söder: Nein. Zunächst einmal ist es ja so, dass die von uns am wenigsten bekommen – am Meisten bekommt ja das Bundesland Berlin. Also man muss ja mal sagen, der Länderfinanzausgleich hat sich ja eher zu einer dualen Finanzbeziehung entwickelt. Denn es sind gar nicht so sehr die anderen Länder überragend, die das Geld bekommen, sondern das Bundesland Berlin. Darum ist ja die erste Forderung auch zu sagen – und da gibt es auch Sympathie unter den Ländern, ehrlich gesagt: Berlin hat ja zentrale Aufgaben für Deutschland, Bundesaufgaben, also wäre es im Grunde genommen zunächst einmal wichtig, eine Entlastung von Berlin durch den Bund zu erreichen. Das ist die erste große Forderung. Die zweite ist, dass man die Stadtstaatensituation neu bewertet. Stadtstaaten haben – das sieht man an Hamburg übrigens, weil Hamburg ist erfolgreicher als Bremen – große Vorteile, weil sie kommunale Steuern bekommen – Gewerbesteuer, Vergnügungssteuer, da gibt es ja eine City Tax zum Beispiel – und zusätzlich noch die Steuermöglichkeiten, wie die der Einkommensteuer haben. Das heißt, die Finanzkraft eines Stadtstaates ist ohnehin größer, alleine von der Steuerstruktur her, plus einer Höherbewertung des Einwohners. Und bis heute ist es nicht ganz erklärbar, warum jetzt ein Hamburger mehr als ein Münchner oder ein Bremer mehr als ein Nürnberger oder Augsburger oder Kölner wert sein soll. Also das sind schon so kleine Strukturelemente, mit denen sie eine massive Entlastung erreichen können. Darüber hinaus brauchen sie in der Tat aber noch Strukturelemente. Wir glauben an Wettbewerbsfragen, Steuerautonomie, Regionalisierung, beispielsweise der Erbschaftssteuer, der Grundsteuer.
    Detjen: Was heißt jetzt konkret "Steuerautonomie"? Welche Steuersätze sollten die Länder selber heben können?
    Söder: Es gibt freie Bereiche. Die Grundsteuer steht den Ländern zu und den Kommunen. Warum sollte das zentral geregelt werden? Das können auch die Länder selber machen. Die Erbschaftssteuer steht allein den Ländern zu, das ist keine Bundessteuer. Warum sollen die Länder nicht gemeinsam diese Steuer regeln können? Und genauso bei der Einkommensteuer. Selbst Baden-Württemberg jetzt – also jetzt nicht schwarz regiert, vielleicht irgendwann mal wieder – hoffentlich –, aber natürlich in einer anderen Konstellation –, Nils Schmidt und auch Kretschmann reden darüber, man muss da mehr Spielräume geben. Das ist übrigens ein Modell der Bundesbank, vor vielen Jahren entwickelt, solche Zu- und Abschläge auf die Einkommenssteuer zu machen, von sagen wir mal zwei Prozent. Und Ähnliches mehr, um auch mehr Wettbewerb zu haben und den Ländern mehr Möglichkeit zu geben, sich auch möglicherweise selber besser zu finanzieren. Dann können die einen die Steuern – was sie ja gerne wollen – etwas erhöhen und die anderen dann senken.
    Detjen: Aber gerade aus dem Beispiel, Herr Söder, zeigt sich doch: Die schwachen Länder wären wahrscheinlich kaum in der Lage, sich einem solchen Wettbewerb zu stellen. Denn das Problem ist ja, dass man es – wenn man auf Berlin schaut – mit Ländern zu tun hat, die eben extrem schwache Wirtschaftsstrukturen haben. Bayern könnte es sich leicht leisten, die Einkommenssteuer ein Stück abzusenken und würde immer noch prächtig verdienen.
    Söder: Ja, aber das, was Sie sagen, bedeutet ja irgendwie, dass wir jetzt einen Ewigkeitsvertrag machen und festschreiben: Das ist jetzt irgendwie zufällig mal so gewesen mit den Strukturen, und das muss jetzt die nächsten 40 Jahre bleiben, da darf sich gar nichts ändern. Das ist ja völlig falsch. Wenn das so wäre, dann müssten wir auf europäischer Ebene den Griechen, den Spaniern, den Portugiesen, jetzt auch den Franzosen und den Italienern auf Ewigkeiten alles geben, weil natürlich Deutschland stärker ist. Und dann müssten wir sagen: 'Um Gottes Willen, der Fiskalpakt ist ja ein völlig falsches Signal!'
    Söder: Der Druck auf Staaten wie Griechenland, Spanien und Irland hat dazu geführt, dass die Länder auf einem guten Weg sind
    Detjen: Aber realistischerweise, gerade, weil Sie das Beispiel ansprechen, wenn man auf die Griechen schaut: Sie haben auf dem Höhepunkt der Finanzkrise mal gesagt: "Man muss an den Griechen ein Exempel statuieren", "man muss sie unter Umständen rausschmeißen, aus der Europäischen Union." Heute besteht breiter Konsens: Das wäre falsch gewesen. Aber zur Ehrlichkeit der Politik gehört auch zu sagen: Das ist, wenn nicht eine ewige, aber doch eine sehr, sehr langfristige Aufgabe, die in einem solchen Verbund langfristige Solidarität erfordert, in Europa genauso wie im Bund.
    Söder: Ich finde, gerade bei Griechenland, da würde ich jetzt das Beispiel Ihnen rund rechnen und würde sagen: Genau das Gegenteil ist der Fall. Also Griechenland hat gezeigt, dass der Druck, der entstanden ist in der Frage, nicht nur einfach von vorneherein Schulden erlassen oder zu sagen, man schenkt das Geld, sondern gerade der Druck, der entstanden ist – das gilt auch für Spanien oder Portugal oder Irland –, genau der hat dazu geführt, dass die Staaten heute auf einem sehr, sehr guten Weg sind. Die Problemstaaten in Europa, wenn es um den Euro geht beispielsweise, sind ja gar nicht die angesprochenen, sondern die großen Sorgen machen ja – auch den Märkten und auch Deutschland selber – eher Italien und Frankreich beispielsweise. Also das zeigt, wenn man Reformen macht, dann kann man auch durchaus Erfolg haben. Dass die Länder möglicherweise ein Stück Zeit dafür brauchen: Ja, nur, die jetzige Struktur in Deutschland ist genau das Gegenteil. In Europa haben wir gesagt: Diese Ländern bekommen Unterstützung, aber sie müssen Reformwillens sein. Der Länderfinanzausgleich ist genau das Gegenteil, es belohnt quasi das Nichtstun.
    Detjen: Welchen Druck wollen Sie denn auf ein Land wie Berlin oder Bremen entfalten? Denen können Sie ja nicht, wie den Griechen, mit dem Rausschmiss aus dem Bund drohen?
    Söder: Ja, es geht ja hier nicht um Drohungen. Aber es geht ja auch nicht darum, dass man umgekehrt nur einfach gesagt bekommt: Das muss jetzt einfach ewig so sein, und das ist ein bisschen Zufall und der bayerische Steuerzahler, der baden-württembergische Steuerzahler, der hessische, der Hamburger, der bekommt quasi automatisch von den Steuern, die er zahlt, weniger. Man muss ja mal die Fairness bedenken. Also ein Bürger – übrigens egal wo er herkommt, es gibt ja viele Leute, die ziehen nach Bayern, die ziehen nach Baden-Württemberg, die ziehen nach Hessen und auch gerne nach Hamburg –, der zahlt Steuern, und von den Steuern bleibt ihm in der Gegenleistung für Kindergärten, für Schulen, für Ähnliches mehr, deutlich weniger übrig als woanders. Der bekommt nun etwas dazu – also es ist ja auch unfair, individuell dem Menschen gegenüber –, dann muss man es so sehen, dann braucht man eine Zeitachse, wie man das definieren kann, aber man braucht Anreizsysteme – man muss sich doch verbessern wollen. Und diese Festschreibung, jetzt stellen Sie sich mal vor, in der jetzige Situation – die Sie ja beschreiben, nicht falsch in der Situation, wie es aussieht –, bei Rekordsteuereinnahmen und Rekordniedrigzins – also die beste Form für jeden der Staaten, der Bundesländer, auch in Deutschland, sich selber zu konsolidieren –, wenn das jetzt nicht funktioniert, was passiert dann, wenn es schlechter wird? Und deswegen ist für uns Folgendes, auf die Frage: Wie bringt man das zusammen? Einige Länder gehen jetzt einfach an den Bund heran und sagen: 'Der Bundeshaushalt soll quasi unsere Schulden übernehmen.' Und da sagen wir relativ deutlich: Das ist zu wenig!
    Detjen: Sie meinen die Schuldentilgungsfonds.
    Söder: Genau, alle möglichen Formeln – da gibt es ja unterschiedliche Optionen: Also ‚zahle dies, zahle jenes'. Da sagen wir: Moment, bei Strukturreformen geht es nicht nur darum, den Bundeshaushalt als eine Art Steinbruch für verschuldete – jetzt übertreibe ich vielleicht auch ein bisschen, aber in der Realität stimmt es wohl – SPD-Länder zu übernehmen, sondern erst einmal Strukturreformen anzugehen. Und wir stimmen einer Änderung der Bund-Länder-Finanzbeziehung nur dann zu, wenn es letztlich auch eine Änderung der Länder-Länder-Finanzbeziehung, also des Länderfinanzausgleiches gibt. Und die Konnexität an der Stelle, die macht den Charme dieser Debatte aus.
    Söder: Bund soll in den Länderfinanzausgleich einzahlen
    Detjen: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat jetzt zum ersten Mal einen Haushalt vorgelegt ohne Neuverschuldung. Welche Spielräume sehen Sie da auf Seiten des Bundes? Wie kann er diesen Prozess, über den wir jetzt sprechen, bis 2019 unterstützen?
    Söder: Zunächst muss der Bund selber seine Haushaltszahlen in seiner Finanzplanung auch ein Stück darstellen. Ich glaube, alle sind sich darüber einig, dass etwas getan werden muss. Es gibt aus meiner Sicht zwei große Herausforderungen oder drei. Das eine ist natürlich einerseits das Auslaufen des Solidarpaktes. Dort muss entschieden werden: Was passiert mit dem Finanzvolumen, das da ist? Und welche Aufgaben stehen vor allem dahinter? Also nicht nur einfach verteilen nach dem Motto: Jeder kriegt, soviel wie er gerade kräftig zugreifen kann. Sondern welche Aufgaben stehen eigentlich in Deutschland da? Die muss man erst mal definieren. Da gibt es natürlich Aufgaben, beispielsweise der Infrastruktur, der digitalen Entwicklung/Breitbandförderung. Wir in Bayern geben 1,5 Milliarden selbst aus für die Erschließung übriges auch strukturschwacher Gemeinden - ein echtes Wettbewerbselement, das sie auch schnelles Internet haben. Da muss der Bund auch mehr unterstützen beispielsweise. Ja. Und dann die Kernfrage natürlich auch: Wie geht es mit dem Länderfinanzausgleich weiter? Wir glauben schon, dass zum Beispiel der Bund einen Teil Unterstützungsleistung geben muss, damit auch der Prozess der Anpassung im Länderfinanzausgleich auch funktionieren kann. Aber das muss man übereinander legen, und deswegen wird es eine ambitionierte Debatte werden. Das merkt man jetzt auch schon auf der Finanzministerebene. Das wird eine ambitionierte Debatte und keine einfach werden – das ist wohl zuzugestehen.
    Detjen: Und die wird uns in den nächsten Jahren beschäftigen. Das Interview der Woche im Deutschlandfunk, mit dem bayerischen Finanzminister, mit Markus Söder. Herr Söder, Franz-Josef Strauß hat mal gesagt: "Rechts von der Union darf es keine demokratisch-legitimierte Partei geben". Das ist Geschichte – in Bayern sitzen die Freien Wähler mit neun Prozent im Landtag. Und in den anderen Ländern macht sich jetzt die AfD breit.
    Söder: Das ist eine ernsthafte strukturelle Herausforderung. Zunächst einmal könnte man sagen: Das ist eine internationale, weil man hat ja in einigen Ländern ähnliche Entwicklungen. Die Republikaner kämpfen in Amerika mit der Tea Party, in England ist es United Kingdom oder vielleicht auch andere Gruppierungen, in Frankreich saugt sehr stark die Front National beispielsweise auf und schwächt bürgerliche Parteien. In Deutschland ist die Lage noch ein bisschen differenzierter. Wir hatten bislang relativ Glück mit solchen Gruppierungen. Aber in der Tat ist es so, die AfD ist stärker geworden, und die AfD ist auch eine andere Form. Da ist sehr viel bürgerliches Wählerpublikum dabei. Da gibt es mittelstandsorientierte Persönlichkeiten – beispielsweise mit Skepsis gegenüber dem Euro. Da gibt es viele auch patriotisch gesinnte Leute. Also man darf die AfD auf keinen Fall unterschätzen, man darf sie auch nicht rechts liegen lassen.
    Detjen: Ist sie unterschätzt worden bisher?
    Söder: Ja, ich glaube, ein bisschen schon. Man hat gedacht: Vielleicht zerlegt sich so ein Phänomen selber. Man hat das ja an anderer Stelle auch bei den Piraten beispielsweise gesehen in der Hoffnung: Vielleicht zerlegen die sich selbst. Das ist bei neu antretenden Parteien immer eine Hoffnung der Etablierten. Ich glaube aber, dahinter steht tatsächlich auch eine Sorge. Und die Union muss dieses Publikum wahrnehmen. Darum muss sie in der Ordnungspolitik – wirtschaftlich zum Beispiel – etwas tun. Es gibt sehr viele Mittelständler, die mit dem, ich sage mal, ersten Jahr der Bundesregierung ein bisschen fremdeln, wenn ich das sagen darf, mit zu starkem SPD-Einschlag. Dieser Tage stand jetzt wieder in der Zeitung: 'Hartz IV soll plötzlich geändert werden'.
    Detjen: Da wird sich die Union aber zwangsläufig in einer Großen Koalition – zumindest auf Bundesebene – schwer tun damit?
    Söder: Ja, sie muss natürlich auch eigenes Profil zeigen. Also es geht ja auch nicht darum, nur zu jammern, dass die SPD ein paar Themen durchsetzt.
    Detjen: Aber an welchen Stellen? Nennen Sie ein Beispiel, konkret.
    Söder: Das Betreuungsgeld wird zu Unrecht verteufelt
    Söder: Man muss zum Beispiel in der Wirtschaftspolitik jetzt schon klar Flagge bekennen. Ich glaube zum Beispiel deswegen, dass die kalte Progression ein Kernthema ist. Die SPD kämpft seit Jahren erfolgreich für den Mindestlohn, um das Thema "Abschaffung der kalten Progression", weil es eben eine heimliche Steuererhöhung ist.
    Detjen: Das hat sich inzwischen auch Sigmar Gabriel zu eigen gemacht.
    Söder: Deswegen ist auch eine Chance, es zu ändern, möglicherweise, weil ich nämlich der Überzeugung bin, das ist etwas, was auch vom Leistungsgedanken für eine Union ein Kernbestand ist.
    Detjen: Aber ich meine damit ja nur, wenn Sie gegen die kalte Progression sind, ist es kein Alleinstellungsmerkmal mehr für eine Partei, die sich ordnungspolitisch klar aufstellen will.
    Söder: Ja, aber bei Sigmar Gabriel würde ich jetzt das mehr als Taktik sehen und nicht als Überzeugung. Weil es ist ein taktisches Moment, uns ein bisschen zu kitzeln bei dem Thema. Nicht unintelligent, aber spürbar. Deswegen glaube ich aber, da muss die Union auch da klar sagen zum Beispiel: Die kalte Progression ist unser steuerpolitisches Thema, weil wir eben gegen Steuererhöhungen sind – und zwar nicht nur gegen offizielle, wie es die SPD gefordert hat, sondern auch gegen heimliche, die leistungsfeindlich sind. Also so ein Thema, zum Beispiel, ist etwas, was viele Mittelständler umtreibt oder jetzt auch keine weiteren Veränderungen bei Zeit- bei Leiharbeit. Also sozusagen ein Zurück vor die Agenda 2010 – was ja spürbar ist bei Teilen der SPD –, das darf auf keinen Fall passieren.
    Detjen: Okay. Die heikleren Diskussionen werden geführt im Bereich der Gesellschaftspolitik. Da gibt es auch in der CDU konservative Kreise, den sogenannten "Berliner Kreis", die sagen: 'Wir müssen bestimmte, etwa familienpolitische, gesellschaftspolitische Positionen wieder zurückbesetzen, die wir mal aufgegeben haben.' Kann sich Ihre große Schwesterpartei, die CDU, hinter die Positionen zurückbewegen, die sie mit Angela Merkel mal in der breiten Mitte der Gesellschaft eingenommen hat?
    Söder: Es ist ja kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Ich glaube, gerade in der Gesellschaftspolitik ist es ja wichtig, die Bandbreite…
    Detjen: Na ja, man kann zum Beispiel nicht gleichzeitig für und gegen gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften sein, da muss man sich schon bekennen!
    Söder: Ja, aber da geht es ja auch bei der AfD eigentlich gar nicht drum. Also ich meine, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften sind da! Es ist jetzt keine Debatte darüber, ob ich das jetzt nicht mag oder falsch finde. Aber an einer anderen Stelle finde ich es viel spannender. Schauen Sie, das Betreuungsgeld beispielsweise ist eine der erfolgreichsten, von Familien angenommenen Leistungen, die es in den letzten Jahren gab. Trotzdem wird es in der Öffentlichkeit quasi verteufelt und Familien auch schon diskriminiert und ausgegrenzt, wenn sie auch nur annähernd denken könnten, sie nehmen es in Anspruch. Und da, finde ich zum Beispiel, ist es völlig in Ordnung, wenn Menschen als Single leben wollen, wenn sie in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben wollen, aber wenn eine Familie mit mehr Kindern leben will, das ist doch nichts Schlimmes, um Gottes Willen. Und da hat die Union sich manchmal fast ein bisschen gar nicht getraut, das mehr zu sagen. Also solche Dinge, finde ich, gehören dazu. Genauso, wie es natürlich dazu gehört, sich im Bereich der Inneren Sicherheit auch klar zu machen, dass die Union für Innere Sicherheit steht. Und darum ist es einfach zentral wichtig – zentral wichtig – für die Union, für ihre strukturelle Mehrheitsfähigkeit, dass sie diese Wählergruppen auch bindet und nicht einfach sozusagen außer Acht lässt.
    Detjen: Ihre Partei, die CSU, Herr Söder, hat sich in den letzten Wahlkämpfen im Bund, in Bayern vor allen Dingen, mit einem Thema profiliert: Der Maut. Und jetzt sieht man: Das ist wahnsinnig schwierig. Was hat Ihnen das geholfen?
    Söder: Also zunächst einmal glaube ich, in jeder Umfrage ist relativ klar, dass es auf eine breite Zustimmung der deutschen Bevölkerung trifft. Vielleicht nicht aller Journalisten, das mag sein, auch nicht aller Profi-Politiker, aber ich glaube schon, in der deutschen Bevölkerung, ja. Und jetzt finde ich, ehrlich gesagt, wir sind, glaube ich, im Diskussionsdiskurs zwei, drei Monate – da gibt es andere Gesetzesvorhaben, die dauern länger in der ganzen Debatte. Jetzt wollen wir dem Verkehrsminister die Chance geben, diesen Vorschlag zu machen, wie er ihn sich vorstellt. Ich glaube, dass es am Ende eine Mehrheit geben wird.
    Söder zur Maut: Ich bin sicher, das funktioniert

    Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) kommt am 07.07.2014 zu einer Pressekonferenz in seinem Ministerium in Berlin.
    Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) stellte seine neuen Maut-Pläne vor. (dpa / Hannibal Hanschke)
    Detjen: Wenn man sich hier umhört, dann sagen die meisten: "Wir wissen eigentlich gar nicht genau, was der vorhat." Da gibt es ein knappes Eckpunktepapier, aber die meisten in der Koalition sagen, sobald die Türen zu sind: "Wir kennen sein Konzept nicht." Kennen Sie es?
    Söder: In den Grundzügen, die alle kennen. Aber es ist auch nicht meine Aufgabe, den Gesetzentwurf zu studieren. Da gibt es ja eine Zeitachse, die vorgelegt wurde. Die Eckpunkte wurden vor der Sommerpause gemacht. Jetzt wird am Gesetzentwurf gearbeitet – das ist – wie Sie selber wissen – hier immer eine große Herausforderung. Das wird jetzt gemacht im Oktober. Also ich finde, man ist da im Zeitplan. Und ich würde einfach auch allen mal raten – aber das ist so ein typisch deutsches Phänomen, dass wir zunächst erst einmal gerne das Negative darstellen –, also wenn es möglich ist – wie ich gelesen habe –, dass wir uns mittlerweile zutrauen auf Asteroiden zu landen – ich meine jetzt "wir" als Weltgemeinschaft –, dann muss es ja auch möglich sein, einen Mautentwurf vorzulegen, der funktioniert. Also so ein hochdramatisches Werk wird das jetzt auch nicht sein. Ich bin sicher, das funktioniert. Und dann können wir endlich mal etwas schaffen, was die Deutschen jetzt im Urlaub wieder sehr stark empfunden haben. Denn fast alle Deutschen, die in den Süden gefahren sind, haben sich die ganze Zeit gefragt: 'Meine Herren, ich zahle jetzt schon ganz schön viel Maut, wie ist das eigentlich umgekehrt?' Und dieses Empfinden dürfte dann eigentlich bis zum nächsten Sommerurlaub gelöst sein.
    Detjen: Erzählen Sie uns zum Abschluss, Herr Söder, noch etwas aus der Heimat: Wie geht es ihrem Ministerpräsidenten? Der hat durch den Verlust seiner Staatskanzleichefin, Christine Haderthauer, zuletzt einen ziemlich derben Schlag abbekommen. Wie sehr hat ihn das getroffen? Wie sehr hat es ihn beschädigt?
    Söder: Ja, gar nicht. Das war natürlich eine individuelle Sache. Das war ja vor allen Dingen eine Sache von Christine. Und ich muss auch einmal dazu sagen: Wenn sie sagt, sie möchte das jetzt selber lösen und auch dafür eintreten, dann habe ich Respekt davor. Da hat auch unsere Fraktion Respekt davor gehabt, auch die ganze Partei. Das hat uns nicht beschädigt. Es tut uns, ehrlich gesagt, ein Stück Leid. Aber ich glaube, dass das jetzt ein gangbarer Weg ist. Und wenn Sie die Debatte im Bayerischen Landtag diese Woche gehört haben, die Opposition, da war ich, ehrlich gesagt, ziemlich enttäuscht. Ich hätte mir da etwas mehr Stärke und Größe der Opposition erwartet. Also insofern geht es uns an sich relativ gut.
    Detjen: Horst Seehofer hat ein Ziel: Er will schaffen, was wenige Ministerpräsidenten oder kaum einer geschafft hat, nämlich die eigene Nachfolge geordnet regeln. Dazu muss er stark sein. Dazu braucht es auch Leute, die dann loyal dahinter stehen. Da guckt man dann auch auf Sie, auf Frau Aigner. Schafft er das?
    Söder: Ja, ich bin ganz sicher. Ich meine, in der CSU weiß auch jeder, wir hatten ja schon einmal eine solche ganz schwierige Situation im Jahr 2007. Das Jahr 2007 war sowohl in der Frage der Ablösung als auch in der Findung der neuen Formation für die CSU kein Musterbeispiel. Das hat auch eben dazu geführt, dass wir dann am Ende von Wählern als nicht stabil und verlässlich eingestuft wurden und gingen dann in eine Koalition. Deswegen kann ich jedem nur raten – ich rate es mir selber auch jeden Tag, also auch allen andern –, immer im Auge zu halten, dass das eigentliche Ziel ist, ein starkes Bayern zu haben. Das geht übrigens vor der CSU, ein starkes Bayern. Ein starkes Bayern gibt es meistens nur mit einer starken CSU. Und die kann nur dann stark sein, wenn sie geschlossen ist. Und deswegen heißt es: Loyal hinter dem Ministerpräsidenten stehen, in einer Staatssicherung arbeiten und am Ende Prozesse – wenn sie dann kommen sollten, aber erst dann – gemeinsam vorzunehmen.
    Detjen: Herr Söder, vielen Dank für das Interview.
    Söder: Danke.