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Bayreuth
Jenseits von Wagner und Festspielen

Wer Bayreuth hört, denkt wohl unwillkürlich an Richard Wagner und die Festspiele. Das Stadtbild prägen aber die Bauten und Parks, die Markgräfin Wilhelmine anlegen ließ. Die Tochter des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm I. war maßgeblich für die Gestaltung des Schlosses und auch des zum Weltkulturerbe zählenden barocken Opernhauses verantwortlich.

Von Claudia Kalusky | 16.08.2015
    Ein Brunnen in einer Parkanlage in Bayreuth.
    Ein Brunnen in einer Parkanlage in Bayreuth. (Claudia Kalusky)
    An diesem Tag scheinen alle Glocken der Stadt zu läuten. Und Bayreuth hat immerhin über 20 Kirchen, über 20 Museen, ein altes Schloss, in dem sich das Finanzamt befindet und ein neues Schloss mit einem Hofgarten, in dem es sich vorzüglich spazieren lässt. Auf dem Vorplatz des neuen Schlosses befindet sich ein aufwändig gestalteter Brunnen. Neben seinen steinernen Figuren, die die verschiedenen Kontinente symbolisieren, macht Stadtführerin Marianne Schulz auf eine grotesk aussehende Gestalt aufmerksam:
    "Schaun Sie, da ist ein kleiner Zwerg! Der Markgraf Christian Ernst hat sich etwas Besonderes ausgedacht, als seine Tochter, die Christiane Eberhardine geheiratet hat. Er hat eine Riesenpastete herstellen lassen, da drin hat er den Zwerg versteckt; die Pastete kam angerollt, der Deckel wurde gehoben und dann sprang der kleine Zwerg heraus. Und das war sein Hochzeitsgeschenk." – "Was passierte mit dem Zwerg?" – "Ja, den Zwerg, den hat sie mitgenommen. Ja, als Belustigung."
    Markgräfin Wilhelmine prägte die Stadt
    Wir kommen nun zu so genannten Rennbahn, die so hieß, weil "die Markgräfin und ihr Gefolge, die sind hier immer mit Kutschen und Pferden zum Sternplatz, vom Sternplatz zum Opernhaus." Markgräfin? Etwa die Gattin des Zwergenverschenkers? Nein! "Bayreuth und Wagner, das gehört einfach zusammen. Aber man sollte nicht vergessen, die wichtigste Person in Bayreuth war die Markgräfin Wilhelmine. Sie hat die Stadt zu dem gemacht, was sie heute ist. Sie war eben ein Mensch, der in vielen Richtungen, künstlerisch und auch sozial aktiv war." Und sie war auch maßgeblich an der Gestaltung des neuen Schlosses beteiligt, das nach einem Brand im Stil des Bayreuther Rokoko wiedererbaut wurde.
    Wilhelmine wurde 1709 als Tochter des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. von Preußen geboren. Sie war die Älteste von zehn Geschwistern; ihr Lieblingsbruder sollte als Friedrich der Große in die Geschichte eingehen. Und da damals so viele Männer Friedrich hießen, wurde ihr ein so Genannter auch als Gemahl zugeteilt. Diesem war es nicht nur zu verdanken, dass Wilhelmine von Berlin nach Bayreuth gezogen war und die Stadt - die ihr zunächst so gar nicht gefiel- maßgeblich prägte, er gründete auch die erste Universität von Bayreuth. "Aber: Die Studenten haben sich so duelliert, dass man g´sagt hat: aus und ab nach Erlangen!"
    Parkanlage in Bayreuth.
    Parkanlage in Bayreuth. (Claudia Kalusky)
    Die Preußenprinzessin galt als äußerst gebildet und kreativ: Sie schrieb Theaterstücke und Gedichte, malte, komponierte und pflegte regen Austausch mit der geistigen Elite, mit Künstlern und Philosophen; besonders gerne mit Voltaire. Und sie war eine begeisterte Musikerin, die vor allem das Lautenspiel förderte und eine Oper schrieb. So ist es nicht verwunderlich, dass auch das markgräfliche Opernhaus nach ihren Vorstellungen gebaut wurde. Für den barocken Innenausbau beauftragte sie die besten italienischen Theaterarchitekten. Heute gilt das kleine Opernhaus als Schönstes, erhaltenes Barocktheater Europas und zählt zum Weltkulturerbe.
    Beim Spaziergang durch die historische Innenstadt gelangen wir zur ehemaligen Reithalle, die inzwischen ein Theater ist. Auf einer Seite des Gebäudes sind sämtliche Fenster zugemauert. "Napoleon hat eine Fenstersteuer erlassen und da war man gscheit und hat gsagt: soviel Steuern wolln wir net zahlen und hat die Fenster zugemauert."
    Auf dem Jean-Paul-Weg nach Bayreuth
    Erneut stehen wir auf einem hübschen Platz, passend zu seiner französischen Anmutung sein Name: Jean-Paul Platz. Jean Paul, 1763 geboren war Dichter und Denker und bekennender Liebhaber seiner Heimat Oberfranken. "Die Damenwelt hat ihn sehr verehrt. Er hatte schwarz gelockte Haare und die kamen dann hier mit Kutschen an und die wollten alle von seinen Haaren etwas haben. Eine gewisse Zeit hat es funktioniert, aber irgendwann waren die Haare wenig, was hat der schlaue Kerl gemacht? Er hat seinen Pudel geschoren."
    "Wer nicht den Mut hat auf seine eigene Art närrisch zu sein, der hat ihn schwerlich, auf seine Art klug zu sein." Wer den Spuren des Dichters folgen mag, kann das auf dem fast 200 Kilometer langen Jean-Paul Weg, der vom Fichtelgebirge bis nach Bayreuth führt und an dessen Wegesrändern Tafeln mit des Dichters Aphorismen und seinen Landschaftserklärungen stehen. Zudem verbindet der Weg die zu Bayreuth zählenden vier wichtigsten Markgrafenschlösser mit ihren Parks.
    "Bayreuth hat nicht nur Bier, hat nicht nur Porzellan, sondern wir ham eine jahrhundertalte Pianofabrik; Steingräber und Söhne. Und hier drinnen steht ein Originalflügel, auf dem Franz Liszt gespielt hat und der Urenkel spielt ab und zu, wenn er nach Bayreuth kommt, auch noch drauf."
    Vor den Toren der Stadt liegt die Eremitage, die Markgräfin Wilhelmine als inspirierenden Rückzugsort wählte. Der wundervolle Landschaftspark ist in einem Waldgürtel gelegen und scheint mit der ihn umgebenden Natur zu verschmelzen.
    Eremitage als Geburtstagsgeschenk
    Der Rote Main schlängelt sich durch die sattgrünen Wiesen und Auen. Es gibt zahlreiche Wasserspiele, Brunnen mit Fabelwesen, aus deren Mäulern Fontänen sprühen, künstliche Ruinen, Laubengänge, eine mystische Grotte und Pavillons. Bereits ab 1715 diente die Parkanlage mit einem Schloss einem Markgrafenpaar als Ort, an dem das Eremitendasein, das karge Leben des Einsiedlers nachgelebt wurde: das war modern in der vornehmen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts, weiß die Gästeführerin. "Ja, dass man sich von diesem ganzen Hofzeremoniell mal zurückziehen wollte und das einfache Leben leben wollte, was man ja nicht kannte. Streng hat man das dann gelebt und auch sehr ernst genommen und später hat sich das sehr gewandelt." Man kleidete sich in Mönchskutten, schlief in kahlen, winzigen Zellen und aß mit Holzlöffeln aus irdenem Geschirr Speisen, die von den Hofdamen zubereitet wurden.
    1735 erhielt Markgräfin Wilhelmine die Eremitage als Geburtstagsgeschenk ihres Mannes. Sie ließ den Park erweitern und gestaltete ein weiteres Schlossgebäude, dessen Säulen mit Kristallsteinchen durchsetzt, damals wie heute im Sonnenlicht blitzen und funkeln. In ihren Memoiren liefert Wilhelmine folgende Beschreibung ihrer Privateremitage: Jeder Weg des Waldes führt zu einer Eremitage, wo es etwas Neues zu sehen gibt und alle sind untereinander verschieden. Die meine gibt den Blick auf die Ruinen eines Tempels frei, die nach italienischem Vorbild gebaut wurden. Ich habe ihn den Musen gewidmet, dort sind die Portraits aller berühmten Gelehrten der letzten Jahrhunderte zu sehen; wie etwa Descartes, Leibnitz, Newton oder Voltaire.
    In dem beeindruckenden Gartenkunstensemble steht auch das einzig erhaltene steinerne Eremitenhaus, dem ein Badehaus angeschlossen war eine Seltenheit in Schlossanlagen der damaligen Zeit, denn die Damen und Herren hielten es nicht so genau mit der Körperhygiene, dafür übten sich einige von ihnen allzu gerne in einer gewissen Art der Körperertüchtigung.
    "Der Markgraf hat irgendwann mal angefangen, Mätressen zu haben, das war ja nun mal ganz normal für die Zeit, aber das ging mit dem Gedankengut von der Wilhelmine überhaupt nicht überein und da hat sie sehr drunter gelitten." 1758 verstarb sie im Alter von 49 Jahren. Wilhelmines Gatte Friedrich übrigens, schnappte sich kurz nach ihrem Tod eine ihrer jungen Nichten.