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BDI-Präsident zu US-Strafzöllen
"Insgesamt rate ich zum Gespräch und zur Verhandlung"

Der Präsident des Bundesverbandes Deutsche Industrie, Dieter Kempf, hat die EU davor gewarnt vorschnell kompensierende Zölle auf Importe aus den USA einzuführen. Ein klein wenig Druck müssten die USA zwar spüren, insgesamt solle man aber auf Verhandlung setzen, sagte Kempf im Dlf.

Dieter Kempf im Gespräch mit Christoph Heinemann | 09.03.2018
    Das Bild zeigt Dieter Kempf, den Praesidenten Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Er gestikuliert während eines Interviews.
    Dieter Kempf, Präsident Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) (imago stock&people / Thomas Koehler)
    Christoph Heinemann: Der Termin hätte besser kaum festgelegt werden können. Angela Merkel trifft heute die Chefs der vier wichtigsten deutschen Wirtschaftsverbände. Einer sitzt unsichtbar mit am Tisch: Donald Trump. Der US-Präsident will mit Einfuhrzöllen auf Stahl und Aluminium seiner Wirtschaft helfen.
    Am Telefon ist Dieter Kempf, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Guten Morgen!
    Dieter Kempf: Schönen guten Morgen, Herr Heinemann.
    Heinemann: Herr Kempf, verstehen Sie Trumps Entscheidung?
    Kempf: Nein, nicht wirklich, weil ich glaube, dass sie allenfalls kurzfristig wirken kann. Wir hatten so ein Thema ja schon mal Anfang des Jahrtausends, wo einer seiner Vorgänger ebenfalls Zölle erhoben hat, was zu einer kurzfristigen Kapazitätssteigerung der amerikanischen Stahlwerke, aber zu deutlich verteuerten Preisen und am Ende zu mehr als 70.000 Jobverlusten in den USA führte. Manchmal hilft ein Blick in die Geschichte, um Volkswirtschaft leichter zu verstehen.
    "Deutsche Unternehmen schaffen circa 700.000 Arbeitsplätze in den USA"
    Heinemann: Wenn man alles zusammennimmt, Rekorddefizit in der US-Handelsbilanz, 566 Milliarden Euro sind das bei Waren und Dienstleistungen. Die EU erhebt höhere Zölle als die USA. Das haben wir gerade in der Presseschau gehört. Und Deutschland zahlt zu wenig für die Verteidigung, verlässt sich stattdessen auf Sicherheit durch die USA. Ist Donald Trumps Unmut berechtigt?
    Kempf: Ich glaube, man muss differenzieren. Es sind im Prinzip drei Teile, die Sie angesprochen haben. Der erste Teil: Ein Blick in die Handels- und Leistungsbilanz alleine, Handel und Dienstleistungsaustausch zwischen den Ländern, ist volkswirtschaftlich immer falsch. Man müsste genauso gucken, wieviel wird denn von anderen Ländern im eigenen Land investiert, und gerade deutsche Unternehmen sind hochgradig und ganz stark investiert in den USA. Um Ihnen ungefähr eine Zahl zu geben: Es sind circa 700.000 Arbeitsplätze, die deutsche Unternehmen in USA in ihren Unternehmen schaffen.
    Das Zweite, neben diesem Blick auf Handels- und Leistungsbilanz beziehungsweise Kapitalbilanz – ein Wort, das mir nicht so gut gefällt -, ist die Frage der Militärausgaben. Ja, wir wissen, dass wir bei den Militärausgaben auch von dem selbst gesteckten Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, ein Stück weit weg liegen. Es ist das Bestreben der Bundesregierung und im Übrigen aller europäischen Länder, dies aufzuholen, aber das geht natürlich auch nicht sofort. Wir werden dazu auch eine intensive Diskussion in Deutschland brauchen, dass wir hier fast 0,9 Prozentpunkte weg sind von unserem eigentlichen Ziel. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass wir nach dem Mauerfall – das sind ja mehr als 25 Jahre her – dachten, es sei Friede in der Welt eingekehrt.
    "Bei Automobilen hat Trump recht, da gibt es einen Unterschied"
    Heinemann: Herr Kempf, Sie erklären jetzt die einzelnen Punkte. Donald Trump sagt, ich binde jetzt mal diese drei Elemente zusammen und stelle fest: Die bisherige Politik ist gescheitert!
    Kempf: Das halte ich für nicht richtig. Noch mal, fangen wir mit dem ersten Punkt der Leistungsbilanz an. Er riskiert mit einem Aufkündigen globalisierter Wertschöpfungsketten, dass einfach Waren im Land teurer werden. Eine Wirtschaft ist nicht deshalb weniger leistungsfähig als eine andere, weil Zollsätze unterschiedlich sind. Das kann immer nur ein kurzfristiges Regulativ sein. Im Übrigen muss man die Zollsätze zwischen USA und Deutschland ganz genau anschauen. Bei Automobilen hat er recht, da gibt es einen Unterschied. Die tiefer liegende Frage wäre aber: Glauben wir wirklich, dass amerikanische Pick-ups in Deutschland leichter zu importieren wären, wenn deren Zollsatz geringer wäre? Die Frage müsste man technisch klären.
    Ich verwahre mich einfach immer dagegen, dass man glaubt, globalisierter Handel, wie wir ihn heute haben, sei entstanden, weil Rohmaterialien und halb fertige Erzeugnisse große Lust am Reisen hätten. Das war mir zumindest nicht bekannt, sondern diese globalisierten Wertschöpfungsketten sind entstanden, weil wir betriebswirtschaftlich die Produktion weltweit dort optimiert haben, wo wir sie in der erforderlichen Qualität zum günstigsten Preis bekommen.
    Heinemann: Die Frage lautet jetzt, wie geht man damit um. Die EU überlegt, Motorräder, einige Lebensmittel und auch Hochprozentiges mit Zöllen zu belegen. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok gestern bei uns im Deutschlandfunk zur Brüsseler Strategie:
    O-Ton Elmar Brok: "Ich glaube, das sind Wirtschaftsfaktoren, die nicht so besonders wichtig sind, sondern es sollen Nadelstiche sein. Mit Whisky ist Jack Daniels gemeint aus Tennessee; das ist der Wahlkreis von Paul Ryan, der sich jetzt schon gegen die Strafzölle geäußert hat. Und so hat man hier Bereiche, symbolische Bereiche ausgesucht, die ihnen Schwierigkeiten machen in Gebieten, die insbesondere Trump-hörig sind, oder Abgeordneten, die besonders Trump-hörig sind."
    Heinemann: Elmar Brok gestern bei uns im Deutschlandfunk. – Kann, Herr Kempf, und sollte die EU einzelne Republikaner mit Strafzöllen unter Druck setzen?
    Kempf: Ich warne auch aufseiten der EU vor vorschnellen Aktionen. Die Aktion des "Rebalancing", kompensierende Zölle auf Importe aus den USA einzuführen, ist eine der Möglichkeiten, die die internationale Handelsorganisation WTO für solche Fälle vorsieht. Ob jetzt da gerade der Bourbon-Whisky und Harley-Davidson-Motorräder die richtigen Ziele sind, da halte ich es mit Ihrem Korrespondenten. Da werde ich das Gefühl nicht los, dass da auch politisches Kalkül auch aufseiten von USA dahintersteckt. Aber wir importieren eine ganze Menge landwirtschaftliche Produkte.
    Aber neben diesem Teil der Maßnahmen gäbe es auch noch die Möglichkeit eines Streitschlichtungsverfahrens vor der Welthandelsorganisation. Dem kann man natürlich entgegenhalten, dass solche Verfahren in der Regel sehr, sehr lange dauern. Die USA könnte sich - auch diese Drohung hat ja Trump schon mal ausgesprochen -auch durch Austritt aus der WTO entziehen. Und man könnte auch über andere Schutzmaßnahmen nachdenken, die die WTO in solchen Fällen vorsieht. Insgesamt rate ich aber zum Gespräch und zur Verhandlung. Ein klein wenig Druck muss die USA aber sehr wohl spüren. Das heißt, die ersten Ankündigungen der EU, hinter denen stehe ich.
    Heinemann: Das Wort "Verfahren" können wir heute Morgen als Substantiv und als Adjektiv verwenden. – Erleben wir den Anfang vom Ende des freien Welthandels?
    Kempf: Das hoffe ich nicht und glaube ich nicht. Ich bin wirklich sicher, dass sich am Ende Vernunft durchsetzen wird. Ich habe ja auch bereits darauf hingewiesen, dass wir Anfang des Jahrtausends schon mal so was hatten im Zusammenhang mit den USA. Die Geschichte hat am Ende noch immer bewiesen, dass der globale Welthandel, wenn er denn unter fairen Bedingungen stattfindet, das heißt ohne staatliche Subvention und ohne staatlich subventionierte Dumping-Preise, die bessere Lösungsalternative ist, und diese Erkenntnis wird sich auch in den USA durchsetzen.
    Heinemann: Herr Kempf, Sie treffen heute die Bundeskanzlerin. Vielleicht – und damit der Brückenschlag – erleben wir ja den Anfang vom Ende der Dieseltechnologie im Augenblick, und damit zu dem anderen Thema. Wie sehr, glauben Sie, schaden die besserverdienenden Betrüger bei den deutschen Automobilherstellern der deutschen Industrie?
    "Der Dieselbetrug verdient die gerechte Strafe"
    Kempf: Ich will Ihren Satz von den besserverdienenden Betrügern nicht kommentieren. Aber ich würde auch hier zur Sachlichkeit mahnen.
    Heinemann: Schade!
    Kempf: Der Dieselbetrug, über den muss man nicht diskutieren. Der verdient die gerechte Strafe. Die Gerichte befassen sich damit und ich habe keinen Zweifel, dass die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Das ist aber eine Seite - eine völlig andere Seite, die wir, glaube ich, nicht mit dem Thema Dieseltechnologie vermischen sollten. Wir wissen heute, im Übrigen auch bestätigt durch die Deutsche Umwelthilfe, dass es sehr wohl möglich ist, saubere Dieselmotoren zu produzieren. Die neueste Generation der Euro-6-Diesel sowohl im LKW als auch im PKW erfüllen auch im Fahrbetrieb und nicht nur im Labor und schon gar nicht mit sogenannten Defeat Devices im Labor die Abgaswerte. Ich glaube nicht, dass wir den Anfang vom Ende des Diesels haben.
    Heinemann: Die bestehenden Diesel könnte man nachrüsten, aber dazu sagt Matthias Müller, der Vorstandsvorsitzende von VW:
    O-Ton Matthias Müller: "Wir haben in Amerika etwa 25 Milliarden bezahlen müssen. Wir können nicht noch mal 17 Milliarden für Hardware-Umrüstungen bezahlen. Das geht einfach nicht."
    Heinemann: Und das sagt der Mann, der verantwortlich dafür ist, dass schadhafte Autos auf den Markt gekommen sind. – Ruinieren solche Äußerungen das Vertrauen in die Marktwirtschaft?
    Kempf: Ich hätte mir vorstellen können, dass man auf die Frage auch dahingehend antwortet, dass man sagt, Software-Umstellungen sind diejenige technische Maßnahme, die am schnellsten zu einem Teilerfolg führen. Ein Euro-5-Diesel wird mit großer Wahrscheinlichkeit durch Software-Umstellung nicht so sauber wie ein Euro-6-Diesel der neuesten Generation. Aber wenn alle ein signifikantes Stück sauberer werden, dann haben wir ja vielleicht genau das Ziel erreicht, das wir wollen, nämlich eine Umweltbelastung, die unter den Grenzwerten liegt, und eine Umwelt, in der sich auch die Menschen wieder atmen trauen, die unmittelbar an den belastetsten Straßen wohnen. Es ist ja eine sehr punktuelle Belastung. Das sollte man bei der ganzen Diskussion auch nicht übersehen. Ob man es rein auf Kostenfaktoren reduzieren kann, halte ich für eher fraglich.
    Heinemann: Dieter Kempf, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Kempf: Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.