Freitag, 19. April 2024

Archiv


Beats aus dem Büdchen

Der Kiosk ist kein Ort, an dem man länger bleibt, als nötig. In der Regel. Nicht so in Köln. Dort wird alle paar Wochen das Büdchen zur Bühne. Zwischen Zeitungsständern und Bierkisten treten Musiker mit ihren Bands auf.

Von Aglaia Dane | 29.12.2011
    "Was darf es sein, Schatz?
    "Zwei Gaffel und zwei Reissdorf ..."
    "Ja."
    "Und zwei Luckies blau ohne Zusätze ..."

    Andi, der Kioskbesitzer, reicht der Kundin Bierflaschen und Zigarettenschachteln durch ein kleines Fenster hinaus auf die Straße.

    "Macht genau 14 Euro. Danke. Tschüssi."

    Andreas Göbel ist sein voller Name. Er ist gebürtiger Sachse und 1989 in den Westen gekommen. Vor 14 Jahren hat er in Köln einen Kiosk aufgemacht, das La-Ola-Büdchen.

    "Mein Büdchen, ja. Ja, dat ist Kölle."

    Von der Straße aus sieht man das Verkaufsfenster und leuchtende Zeitungsreklame. Innen gibt es einen großen Raum mit Theke, Stehtischen und Barhockern. Papiergirlanden hängen von der Decke, bunte Lichterketten verbreiten schummriges Licht, die Wände sind zugepflastert mit Schnappschüssen von Andi und seinen Freunden. Dazwischen drängen sich etwa fünfzig Menschen. Die Luft ist heiß und stickig.

    Das Büdchen wird heute zur Bühne. Die Idee zu den Kioskkonzerten hatte der Liedermacher Dromo Iluvo, ein Künstlername. Der 37-Jährige lehnt an einem Stehtisch und hält ein Bier in der Hand. Anfangen hat alles vor anderthalb Jahren in einem Kiosk gleich hier um die Ecke.

    "Da gibt es einen Verkäufer, der heißt Sanjei und macht die Abendschicht. Und der ist aus Indien. Und der redet mit Gott und der Welt. Und da kommen auch Leute einfach zum Reden hin, unter anderem ich damals. Und dann habe ich ihm, um ihm die Zeit zu vertreiben, etwas vorgespielt. Und dann meinte er, mach das doch mal offiziell hier. Und dann haben wir das einmal gemacht. Und dann sind viele Leute dazu gestoßen und seitdem machen wir das."

    Einmal im Monat finden die Konzerte statt, in unterschiedlichen Vierteln, in unterschiedlichen Kiosken, damit immer neue Leute dabei sind. Wo und wann? Das erfährt man über Freunde, Facebook oder durch Zufall.

    "Also ich habe die Ehre die Weihnachtsfeier von den Kioskkonzerten bekannt zu geben und den Reigen eröffnen heute "Phillip Süß und So"."

    Phillip Süß ist Sänger und Gitarrist. "So" - das sind Drummer Sebastian und Silvia aus Marburg am Fagott.

    Phillip Süß ist schon mehrmals bei Kioskkonzerten aufgetreten.

    "Am Anfang musste man das so ein bisschen finden. Dass man auch gegen eine Unruhe anspielt. Das geht nicht so sehr darum. Es ist eher so ein Dienstleistungsding, dass die Leute Spaß haben sollen."

    Der Musiker drängelt sich in Richtung Ausgang, um ein wenig frische Luft zu schnappen.

    Vor der Tür stehen Eva und Christina, zwei junge Frauen und trinken ihr Bier. Sie sind schon Stammgäste bei den Kioskkonzerten. Das Besondere ist, dass man nie weiß, was passiert, sagt Eva.

    "Es gibt immer neue Musiker und Leute, die im Publikum sind und plötzlich denken, ich kann auch etwas. Und dann was machen. Und das ist super. Und jeder wird eben mal so angehört."

    Ihre Freundin Christina erinnert sich an einen ganz besonderen Konzertabend im Sommer:

    "Da standen wir nämlich draußen vor dem Kiosk. Und dann kam in Endeffekt irgendwann ein Obdachloser und hat sich mit dazu gesetzt. Und der war dann ganz gerührt, als man ihm ein Lied für seinen Hund gespielt hat es war ... es war total schön."

    Es ist kalt, die jungen Frauen fangen langsam an, zu zittern. Sie gehen zurück in den Kiosk hinein, wo die nächste Band seit wenigen Minuten spielt.

    "Ich habe im Leben schon einiges verpeilt, mich viel zu oft an falschen Götzen aufgegeilt, ich dachte schon, ich lebe völlig verkehrt, doch dann kam ich zu Dromos Kioskkonzert."

    Kioskbesitzer Andi steht grinsend hinter seiner Theke. Die Stimmung ist gut, der Absatz brummt und sein Büdchen ist voll - ein guter Abend.

    Mehr zum Thema:
    Am "Bickendorfer Büdche" - Was Kölns Kioske über das rheinische Lebensgefühl verraten