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Beck: Moscheengemeinden müssen vor Salafisten warnen

Der Grünen-Politiker Volker Beck sagt, dass der islamische Religionsunterricht Regelfach werden müsse, damit muslimische Jugendliche nicht von Gruppen wie den Salafisten beeinflusst werden können. Auch die Autoritäten der islamischen Gemeinden sieht er in der Aufklärungspflicht.

Volker Beck im Gespräch mit Jasper Barenberg | 13.04.2012
    Jasper Barenberg: 250.000 Exemplare wollen sie schon unter die Leute gebracht haben, am Ende sollen es 25 Millionen sein, verschenkt von Muslimen, die sich selber als besonders fromm präsentieren, Kritikern aber als Anhänger der Salafisten-Bewegung gelten, also einer besonders radikalen Spielart des Islam. Auch an diesem Wochenende wollen sie ihre Infostände wieder in vielen Städten aufbauen. Ihr Ziel: ein Koran für jeden Haushalt. Als Geschenk, wie sie beteuern, aus Liebe zu den Menschen. Oder steckt dahinter doch ein Werbefeldzug des religiös motivierten Extremismus?
    Am Telefon begrüße ich den Parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen im Bundestag. Schönen guten Morgen, Volker Beck.

    Volker Beck: Guten Morgen.

    Barenberg: Wie beunruhigt sind Sie, Herr Beck?

    Beck: Also zunächst mal: die Koranverteilung für sich genommen ist natürlich erst mal harmlos, und ich glaube auch nicht, dass Leute dadurch, dass ihnen Korane in die Hand gedrückt werden, schon Salafisten werden. Aber diese Gruppe muss man sehr genau beobachten, sie wird ja auch vom Verfassungsschutz beobachtet, gegen den Führer der Gruppe läuft aktuell ein Strafverfahren wegen Volksverhetzung, und die neuerlichen Bedrohungen von Journalisten, die kritisch über diese Aktion und über die Gruppe "Die wahre Religion" - so heißt sie - berichtet haben, muss man genau beobachten, ob man gar eine rechtliche Handhabe findet, gegen die Führer dieser Gruppen zumindest vorzugehen.

    Wichtig ist für mich, dass der Zentralrat der Muslime diese Aktion verurteilt hat, und ich hoffe auch, dass gerade die Moscheegemeinden ihre Mitglieder darauf hinweisen, was da für eine Ideologie dahinter steckt und dass die eben nichts mit dem Islam zu tun hat, wie die meisten Menschen ihn leben.

    Barenberg: Glauben Sie denn, die Strategie könnte aufgehen, die dahinter vermutet wird, nämlich auf diesem Wege neue Anhänger zu rekrutieren für einen extremistischen, möglicherweise auch gewaltbereiten Islam?

    Beck: Also die Gefahr besteht, deshalb muss man es genau beobachten, und von der Gruppe sind ja auch entsprechende Videostatements bekannt, die Gewalt gegen Nichtgläubige rechtfertigen. Aber die wichtigste Prävention gegen diese Gruppe ist natürlich das Wort, und dieses Wort muss natürlich vor allen Dingen von den Imamen in den Moscheen kommen, damit dadurch junge Leute nicht in diese Richtung verführt werden. Ich glaube, die Aktion selber mit der Verteilung der Koranausgaben ist eher auf PR und auf Eindruck, was sie alles so hinkriegen, angelegt, als direkt die Aktion, die neue Leute für ihre Glaubensform rekrutieren kann.

    Barenberg: Es gibt Politiker der CDU, die fordern, diese, wie Sie sagen, aggressive Aktion wo immer möglich zu verbieten. Welche Handhabe gäbe es dafür?

    Beck: Ja da sehe ich keine Handhabe. Man kann nicht verbieten, dass Menschen den Wachturm verteilen, das Buch Mormon oder eben den Koran. Man kann lediglich auf den Widerspruch aufmerksam machen, das hat der Zentralrat der Muslime ja auch getan, dass für die Muslime ja der Koran im wörtlichen Sinne Gottes Wort ist, und wir hatten in der Vergangenheit große Auseinandersetzungen darum, wenn Nichtmuslime den Koran in ungebührlicher Art und Weise geschändet haben. Wer jedem einen Koran ungefragt in die Hand drückt, läuft natürlich auch Gefahr, dass damit Schindluder getrieben wird und Dinge, die eigentlich für die Muslime nicht gewollt sind, und deshalb muss man hier auf die Widersprüchlichkeit auch dieser Aktion aufmerksam machen.

    Barenberg: Aber Sie sind froh, Herr Beck, dass der Verfassungsschutz ein Auge wirft auf diese Aktion und auch auf die Initiatoren, die dahinter stehen?

    Beck: Also ich finde das richtig. Der Verfassungsschutz beobachtet diese Organisation ja länger, weil sie einfach zu den ideologischen gefährlichen Gruppen innerhalb des Islamismus gehört. Das muss man fortsetzen und man muss auch sehen, ob man operative Ansatzpunkte findet, mit denen man gegen diese Gruppe vorgehen kann. Anhaltspunkte dafür können das Strafverfahren gegen den Führer dieser Gruppe sein, Ansatzpunkte können auch sein, wenn hier Drohungen im Internet gegen konkrete Personen oder auch gegen Journalisten im Allgemeinen ausgesprochen werden, die strafrechtlich relevanten Charakter haben. Dann muss man die Mittel des Rechts auch konsequent anwenden und das durchsetzen. Aber man kann natürlich nicht einfach willkürlich eingreifen und jemanden eine Handlung verbieten, wenn er nur eine heilige Schrift friedlich in einer Fußgängerzone verteilt.

    Barenberg: "Nicht jeder Salafist ist ein Terrorist, aber jeder uns bekannte Terrorist war irgendwann einmal in salafistischen Zusammenhängen unterwegs." So wird dieser Tage vielfach Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm zitiert. Unterschätzen wir die Gefahr, haben wir sie bisher unterschätzt, die von solchen Organisationen ausgeht?

    Beck: Nein! Diese Erkenntnis, die Herr Fromm da verbreitet, ist ja nicht neu. Das ist eine Erkenntnis, die haben wir seit dem 11. September 2001, und wir haben ja damals auch den Verfassungsschutz entsprechend ausgestattet, auch mit neuen Kräften, mit Leuten, die diese Sprachen sprechen, aus denen ein Teil der Prediger kommen. Wir haben Islamwissenschaftler eingestellt, um hier auch die Unterschiede genau festzustellen, feststellen zu können. Und man muss auch beim Salafismus sagen, es gibt auch da unterschiedliche Strömungen. Und die Gruppe, mit der wir es jetzt da zu tun haben, ist eine neue fundamentalistische Orientierung innerhalb des Salafismus, der noch vor 50 oder 100 Jahren eine ganz andere Ausprägung hatte und eher antikolonial aufgestellt war. Und ich glaube, ein wichtiges Präventionsinstrument ist auch, dass wir in den Schulen endlich dazu kommen, islamischen Religionsunterricht als Regelfach einzuführen, damit muslimische Jugendliche von solchen Gruppen nicht beeinflusst werden können und an anderer Stelle kompetent darüber Auskunft bekommen, wie der Islam in der Regel interpretiert wird, wie der Koran zu verstehen ist, wie er auch historisch zustande gekommen ist, weil Unwissen ist das, was denen ins Blatt spielt, und dagegen muss man vorgehen und da finde ich es vorbildlich, dass es in Nordrhein-Westfalen gelungen ist, mit den vier großen islamischen Verbänden zu einer Vereinbarung zu kommen, Religionsunterricht zu ermöglichen, obwohl wir bislang noch keine anerkannten Religionsgemeinschaften der Muslime haben.

    Barenberg: Das ist ja auch in anderen Bundesländern auf dem Weg. - Herr Beck, ich würde Sie noch gerne ansprechen auf die Reaktion des Zentralrats der Muslime, die Sie ja auch angesprochen haben. Dort wird ja vor allem kritisiert, dass da der Koran als PR-Flyer oder Massenware missbraucht wird. Würden Sie sagen, die Reaktion könnte auch etwas schärfer ausfallen von den Verbänden der Muslime, die halten sich etwas zu sehr zurück, auch diese extremistischen Strömungen offen zu kritisieren?

    Beck: Ich finde, dieses Argument, das mag jetzt vielleicht Sie und mich nicht besonders bewegen, aber natürlich für die Muslime ist das ein ganz wichtiger Punkt. Wir erinnern uns an die Demonstrationen, die es gab, weil amerikanische Soldaten Koranausgaben verbrannt haben oder darauf uriniert haben und es eine weltweite Empörung gab. Wer aber jedem Fußgänger eine Koranausgabe in die Hand drückt, der riskiert auch, dass sie im nächsten Mülleimer landet und entsprechend unrespektvoll behandelt wird, und die Schuld dafür tragen diese Salafisten. Ich glaube, deshalb ist dieses Argument des Zentralrats der Muslime etwas, was eher bei Muslimen zur Distanz zu dieser Gruppe führt. Es reicht natürlich eine Pressemitteilung dafür allein nicht aus. Entscheidend ist wirklich, was wird in den Moscheen gepredigt, und da fordere ich schon auch sowohl die islamischen Verbände auf als auch die Moscheegemeinden vor Ort, hier in den nächsten Tagen auch vor dieser Gruppe zu warnen und das in den Sprache der Moschee, sodass das von den Menschen auch entsprechend verstanden wird. Da können Sie und ich wahrscheinlich weniger dabei ausrichten als religiöse Autoritäten in den Gemeinden.

    Barenberg: Volker Beck, der Parlamentarische Geschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, heute Morgen im Deutschlandfunk. Danke schön für das Gespräch.

    Beck: Bitte schön.

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